Vibrio cholerae

(aus ZCT 5-2007)

 

 

Morphologie und Kultur

 

Vibrio cholerae gehört zur Familie der Vibrionaceae. Die Gattung Vibrio umfasst gramnegative, zumeist gekrümmte Stäbchen mit einer Länge von 1,5-2 mm und einer Breite von ca. 0,5 mm, die über eine einzige polare Geißel verfügen. Die Bezeichnung Vibrio geht auf den dänischen Arzt und Naturforscher Otto Friedrich Müller zurück, der beim Mikroskopieren lebhafte Bewegungen der Vibrionen in einem Wassertropfen beobachtete. Die Vibrionen lassen sich wie andere gramnegative Bakterien aufgrund von O-Antigenen (Lipopolysacchariden) in Serovare unterteilen. Die Erreger der Cholera sind fast ausschließlich Stämme der Serovarietät 0:1 mit den Untergruppen Ogawa und Inaba. Aufgrund der physiologischen Eigenschaften werden sie in die Biotypen Cholerae und El Tor eingeteilt. Ein weiterer Choleraerreger, der vor allem auf dem indischen Subkontinent verbreitet ist, ist der Serotyp 0:139.

 

V. cholerae lässt sich gut auf einfachen Nährböden bei 37°C anzüchten. Aufgrund der ausgeprägten Alkalitoleranz können sie bei einem pH-Wert von 9 selektiv kultiviert werden.

 

 

Epidemiologie

 

Die Cholera, die nur den Menschen befällt, gehört zu den meldepflichtigen Erkrankungen. Im Jahr 2006 wurde dem Robert Koch-Institut eine Erkrankung an Cholera übermittelt (V. cholerae 0:1, Biotyp cholerae, Serotyp Ogawa). In 2005 erfolgte kein Nachweis und in 2004 wurden drei Krankheitsfälle berichtet. Der WHO wurden 2005 mehr als 130.000 Choleraerkrankungen gemeldet. Davon wurde die weitaus größte Zahl der Fälle in afrikanischen Ländern (v. a. Senegal, Kongo und Gunea Bissau) beobachtet. Die Erkrankung tritt als Armutsphänomen bei Menschen mit sehr niedrigem Hygiene-Standard auf. Die Hauptinfektionsquelle stellt mit Fäkalien kontaminiertes Trinkwasser dar. Die klassischen Choleravibrionen (Biotyp cholerae) scheinen außerhalb des Menschen nur wenige Tage überleben zu können. Dagegen gilt der El Tor-Biotyp als umweltresistenter. Bei Cholera-Epidemien durch den El Tor-Biotyp ist die Zahl der subklinisch Infizierten größer als die der Erkrankten. Sie stellen somit ebenfalls eine wichtige Infektionsquelle dar.

 

 

Pathogenese und Krankheitsbilder

 

Die Keime müssen zunächst die Magenpassage überleben, denn die Magensäure stellt eine wirksame Abwehrmaßnahme dar. Im oberen Dünndarm finden sie dann aufgrund des dort herrschenden alkalischen pH-Wertes gute Vermehrungsbedingungen vor. Die Adhäsion an die Rezeptoren der Epithelzellen erfolgt mittels der Fimbrien. Für das Krankheitsbild ist ausschließlich das von den Erregern produzierte Toxin verantwortlich, das in den Enterozyten die vermehrte Sekretion von Chlorid, Bikarbonat und Kalium veranlasst. Damit erklärt sich das Hauptsymptom der Cholera, der exzessive Wasser- und Elektrolytverlust durch Erbrechen und sehr starke Durchfälle. Eine Invasion der Mukosa durch die Erreger findet nicht statt.

Die Inkubationszeit beträgt zwei bis fünf Tage. Die Erkrankung beginnt mit breiigen fäkalen Stühlen, die zunehmend wässriger werden und schließlich Schleimflocken enthalten („Reiswasserstuhl“). Kurz nach den ersten Durchfällen tritt auch Erbrechen auf. Der Körper kann so pro Tag bis zu 25 Liter Flüssigkeit verlieren. Die Folge ist eine Dehydratation mit Exsikkose. Der Patient klagt zunächst über Heiserkeit und Durstgefühl. Später folgen Wadenkrämpfe und bedrohliche Herz-Kreislaufsymptome wie Blutdruckabfall, Tachykardie und Oligurie. In unbehandelten Fällen beträgt die Letalität bis zu 60% bei der klassischen Cholera und 15-30% bei der Cholera durch den El Tor-Biotyp.

 

 

Diagnostik

 

Die Diagnostik beruht auf dem mikroskopischen und dem kulturellen Nachweis des Erregers. Geeignete Untersuchungsmaterialien sind Stuhl, Rektalabstriche, Erbrochenes und Duodenalsaft. Das Untersuchungsmaterial muss schnellst möglich oder unter Verwendung eines geeigneten Transportmediums ins Labor gebracht werden, da die Vibrionen durch Austrocknung oder Verschiebung des pH-Wertes rasch absterben können. Zur selektiven Anreicherung eignet sich alkalisches Peptonwasser. Als feste Kulturmedien werden Spezialnährböden wie Thiosulfat-Citrat-Gallensalz-Saccharose (TCGS)-Agar, Taurocholat-Tellurit-Gelatine (TTG)-Agar oder Cholera-Agar nach Felsenfeld und Watanabe verwendet. Verdächtige Kolonien werden biochemisch sowie durch Nachweis des Antigens in einer Agglutinationsreaktion identifiziert.

 

 

Therapie

 

Im Mittelpunkt der Therapie steht die Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution sowie die Gabe von Glukose. In schweren Fällen müssen 10-30 Liter Flüssigkeit pro Tag parenteral zugeführt werden. Bei leichten bis mittelschweren Verläufen ist die orale Therapie ausreichend. Die WHO hat für diesen Zweck eine Salz- und Glukoselösung entwickelt (20g Glukose, 3,5g NaCl, 2,5g NaHCO3, 1,5g KCl auf 1 Liter Wasser), die als „Oral Rehydration Formula“ in Apotheken südlicher Länder käuflich erworben werden kann.

Eine antibiotische Therapie kommt erst in zweiter Linie in Betracht. Sie dient der schnelleren Elimination der Vibrionen aus dem Darm. Als geeignet gilt die zweimal tägl. Gabe von 960mg Trimethoprim-Sulfamethoxazol (COTRIM u.a.), 100 mg Doxycyclin (viele Präparate) oder 250 mg Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) über drei Tage. Die einmal tägliche Gabe von 300mg Doxycyclin oder 1g Ciprofloxacin ist ebenfalls möglich. Resistenzen gegen alle drei Antibiotika sind beschrieben worden.

 

 

Prävention

 

Allgemein vorbeugende Maßnahmen sind eine adäquate Lebensmittel- und Trinkwasserhygiene sowie korrekte Abfallbeseitigung. Im Einzelfall muss verhindert werden, dass vibrionenhaltige Ausscheidungen von Patienten in das Trinkwasser gelangen. Erkrankte und subklinisch Infizierte müssen daher isoliert und ihre Ausscheidungen desinfiziert werden. Die Cholera stellt eine der Quarantänekrankheiten der WHO dar. Die Quarantänezeit beträgt fünf Tage.

Die Schutzimpfung mit abgetöteten Choleravibrionen ist nicht ausreichend zuverlässig und hält maximal sechs Monate an. Eine Antitoxin-induzierende Vakzine existiert nicht.

 

 

Meldepflicht

 

Nach § 7 IfSG besteht eine Meldepflicht für alle direkten und indirekten Nachweise von Vibrio cholerae 0:1 und 0:139. Gemäß § 6 IfSG sind Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod an Cholera meldepflichtig.

 

ZUCKERMAN, J.N. et al.
Lancet Inf Dis 2007; 7: 521 - 530

 

Jetzt für den INFEKTIO letter anmelden und regelmäßig per E-Mail Wissenswertes aus Mikrobiologie, Arznei-mittelforschung,Therapie uvm. erhalten.

Informationen für Ärzte und Apotheker zur rationalen Infektionstherapie

Die Zeitschrift für Infektionstherapie (bis 2015: "Zeitschrift für Chemotherapie") erscheint im Jahr 2024 im 45. Jahrgang. Herausgeber und Redaktion sind bemüht, Sie kontinuierlich und aktuell über wichtige Entwicklungen im Bereich der Infektionstherapie zu informieren.

Druckversion | Sitemap
© mhp Verlag GmbH 2023