Streptococcus Pneumoniae (Pneumokokken) Streptococcus pseudopneumoniae

(aus ZCT 2-2013)

 

 

 

Taxonomie, Morphologie und Kultur

 

S.pneumoniae bzw. S.pseudopneumoniae (1) sind Gram-positive Bakterien in Kokkenform, meist in Paaren gelagert (Diplokokken), die Zellen z.T. lanzettförmig. Sie sind Mitglieder der Gattung Streptococcus und werden zur Streptococcus mitis-Streptococus oralis-Gruppe gezählt. Wachstum auf bluthaltigen Medien mit einer Vergrünung (α-Hämolyse). Durch Autolysine können die Erreger z.B. bei zu langer Transportzeit absterben oder Blutkulturen, die in den heute üblichen Bebrütungssystemen zu lange gelagert werden (z.B. über Nacht), zeigen kein Wachstum bei Aussaat.

 

 

Pathogenese, Epidemiologie und ausgewählte Krankheitsbilder

 

S.pneumoniae besitzt eine Reihe von Virulenzfaktoren wie Polysaccharidkapsel, Pneumolysin, Pneumokokkenoberflächenproteine (PspA und PspC) sowie Adhäsine (PsaA), wobei der Polysaccharidkapsel die größte Bedeutung zukommt. Gegenwärtig sind 94 Kapselserotypen bekannt, wobei jeder Serotyp eine spezifische Immunantwort  hervorrufen kann. Der Mensch ist das einzige Reservoir von S.pneumoniae, Kinder sind in den ersten Lebensjahren zwischen 30 und 60% besiedelt, diese Rate sinkt im Erwachsenenalter auf 1 bis 10% ab, wobei sich die Serotypen in Abhängigkeit vom Alter oder der geographischen Region unterscheiden (2).

Die Dauer der Kolonisierung bzw. der Invasivität scheint ebenfalls vom Serotyp abhängig zu sein (3), gleiches gilt für die wichtigsten Krankheitsbilder, so werden bestimmte Serotypen beispielsweise bei der akuten Otitis media im Kindesalter gehäuft nachgewiesen. Eine Infektion mit S.pneumoniae ist auch in Deutschland mit die wichtigste Ursache einer ambulant erworbenen Pneumonie (4). Die Mehrzahl der Pneumokokken-Pneumonien verläuft ohne Bakteriämie (ca. 60-80%), ein schwerer klinischer Verlauf wird jedoch bei Bakteriämie beobachtet. Die unterschiedliche Klinik  scheint ebenfalls vom Serotyp abhängig zu sein (5). Interessanterweise gibt es Zusammenhänge zwischen Temperatur mit Minusgraden und einem Anstieg der Inzidenz invasiver Infektionen sowie mit dem Auftreten viraler respiratorischer Infektionen (6). Pneumokokken sind auch die wichtigste Ursache für rekurrierende Pneumonien besonders bei Patienten mit COPD und Steroidtherapie (7). Komplikationen einer Pneumokokken-Pneumonie können eine nekrotisierende Pneumonie oder die Entwicklung eines Pleuraempyems sein. Ein weiteres wichtiges Krankheitsbild ist das Auftreten einer Meningitis mit hoher Letalität - z.B. 11% bei Kindern unter 5 Jahre (8) oder bis 37% in Brasilien (9) -  bzw. bei ca. 30% der Patienten mit schweren Spätfolgen (10) wie Taubheit, Krampfanfälle bzw. neuropsychologische Veränderungen (11). Die Epidemiologie der Erkrankung zeigt einen bimodalen Verlauf mit hoher Inzidenz bei Kindern unter einem bzw. zwei Jahren (12) und bei Erwachsenen älter als 65 Jahre (13). Pneumokokken können bei Kindern (häufig mit nephrotischem Syndrom) oder bei Erwachsenen mit Leberzirrhose Ursache einer primären bakteriellen Peritonitis sein. Nach einer invasiven Infektion bei Kindern kann auch ein hämolytisch-urämisches Syndrom auftreten (14).

S.pseudopneumoniae: enger Verwandter von S.pneumoniae, der Erreger unterscheidet sich jedoch in genetischer Hinsicht. Möglicherweise Ursache einer Exazerbation bei Patienten mit COPD (15), eine ätiologische Bedeutung bei Infektionen der unteren Atemwege scheint möglich (16). Häufig Resistenz gegen Makrolide und Tetracycline sowie Penicillin.

 

 

Diagnostik

 

Anzüchtung der Erreger auf bluthaltigen Medien oder in Blutkulturmedien. Geeignete Untersuchungsmaterialien sind Sputum, Trachealsekret, Material aus BAL, Blutkulturen, Abstriche z.B. bei Otitis, andere Materialien aus sterilen Körperhöhlen z.B. Liquor, Pleurapunktat oder Peritonelapunktat bei spontaner Peritonitis. Im Liquor kann auch ein Antigennachweis mittels Latextest durchgeführt werden. Während in den deutschen Leitlinien (17) ein Antigennachweis im Urin nicht empfohlen wird, hat sich dieser Test auf europäischer Ebene etabliert (18), die Sensitivität beträgt bis zu 88%, die Spezifität bis 96% (19). Wie immer muss diese Methode in Zusammenhang mit der Klinik des Patienten gesehen werden; zu beachten ist auch, dass die Antigenausscheidung im Urin über Wochen hinweg positiv bleiben (20) und bei Kleinkindern ein positiver Testausfall bei Besiedlung des oberen Respirationstraktes vorliegen kann (21).

 

 

Prävention, Therapie, Meldepflicht

 

Vor ca. 30 Jahren wurde ein 23-valenter Polysaccharidimpfstoff für Erwachsene eingeführt, der jedoch bei Kindern eine geringe Immunogenität entwickelt. Daher wurden zwei 7- bzw. 13-valente konjugierte Impfstoffe (nicht-toxische Variante des Diphtherie-Toxins = CRM197; PCV) für Kinder entwickelt. Die Einführung des Impfstoffs führt zu einer Reduktion der Inzidenz invasiver Erkrankungen über alle Altersklassen hinweg (22).

Da die geographische Verteilung der Serotypen unterschiedlich ist und Stämme den Kapseltyp wechseln können („capsular switching“) (23), scheint es notwendig die Epidemiologie zu beobachten, um den Impferfolg dauerhaft sicherzustellen. Die Einführung des 7-valenten konjugierten Impfstoffs in England und Wales führte dazu, dass vermehrt Serotypen bei Meningitiden isoliert wurden, die selbst nicht im 13-valenten Impfstoff enthalten waren (24). Wie komplex der Zusammenhang zwischen Pneumokokkenimpfung und Veränderung der Erreger bei akuter Otitis media ist, zeigt eine Untersuchung, in der gezeigt wurde, dass anstelle von Pneumokokken Haemophilus influenzae bei Kindern mit PCV-Impfung vermehrt als Ursache gefunden wurde (25).

Besondere Aufmerksamkeit wird der Resistenz gegen Penicillin - in Deutschland 0,2% der Stämme intermediär empfindlich und 1,2% resistent, hier besonders der Serotyp 19A (26) - sowie gegen Makrolide - in Deutschland ca. 21% der Isolate resistent (27) - geschenkt. Obwohl die Penicillin-Resistenz gegenwärtig gering ist, wird bei schwer verlaufenden Infektionen wie Pneumonie, Bakteriämie oder Meningitis primär eine Therapie mit einem Cefalosporin 3a empfohlen (28). Eine Alternative bei Pneumonien können u.a. Fluorchinolone darstellen, hier insbesondere Moxifloxacin (AVALOX®) in einer Dosierung von 400mg/d. Levofloxacin (z.B. TAVANIC®), das in seiner Wirksamkeit gegen Pneumokokken oft als gleichwertig eingestuft wird, sollte in einer Dosis von 2x500mg/d bzw. 750mg/d verabreicht werden, wobei sich unter einer solchen Therapie möglicherweise Chinolon-resistente Subpopulationen selektionieren können (29). Bei leicht verlaufenden Infektionen stellt die Gabe eines Tetracyclins (Resistenzrate in Deutschland ca. 5%) (30) eine Alternative dar.

Meldepflicht in einzelnen Bundesländern bei Isolation bzw. Antigennachweis von S.pneumoniae aus Blut und Liquor.

 

 

 

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