aus ZCT Heft 2, 2014
Taxonomie, Morphologie und Kultur
S. lugdunensis [Lugdunum (lat.) = Lyon] zählt taxonomisch zur Gattung Staphylococcus, Familie Staphylococcaceae und wird in die Gruppe der Koagulase-negativen Staphylokokken eingeordnet1. Allerdings kann die Spezies im Labor mit Staphylococcus aureus verwechselt werden, da sich die Koloniemorphologien ähneln und eine membrangebundene Koagulase („clumping factor“) gebildet wird, die zu falsch positivem Testausfall bei Latex-Agglutinationstesten führen kann. Eine Anzüchtung der Bakterien ist mit den gebräuchlichen Medien im mikrobiologischen Labor möglich. Mikroskopisch erscheinen die Bakterienzellen als grampositiv und sind paarweise, in kurzen Ketten oder auch in Haufenform gelagert.
Vorkommen, Krankheitsbilder
S. lugdunensis ist ein natürlicher Bestandteil der menschlichen Hautflora, Vorkommen vor allem in der Perinealregion. Mögliche Virulenzfaktoren sind der Besitz
eines Autolysins2, welches den Aufbau eines Biofilms zusammen mit einem weiteren
Virulenzfaktor (icaA) fördert3. Von Bedeutung ist auch die Fähigkeit zur Bildung von
Hämolysinen bzw. der Produktion von Proteasen, was über das agr (accessory gene regulator)-System gesteuert wird. Wie auch andere Koagulase-negative Staphylokokken kann diese Spezies Ursache von
Infektionen sein, wobei diese sehr viel schwerer, ähnlich wie bei S.aureus verlaufen können4. Krankheitsbilder sind Osteomyelitis, septische Arthritis, Infektionen bei Gelenkprothesen, Spondylodiscitis, Zellulitis, Harnwegsinfektionen, Peritonitis z.B.
bei Peritonealdialyse, Weichgewebsinfektionen einschließlich Fasciitis, Infektionen des ZNS wie Meningitis oder Shunt-Infektionen, Katheter-assoziierte Infektionen, Endometritis sowie septischer
Schock5,6,7,8. Von besonderer Bedeutung sind infektiöse Endokarditiden an nativen
oder prothetischen Herzklappen. Betroffen sind überwiegend Mitral- (ca. 50%) bzw. Aortenklappen (ca. 26%), beide Klappen in 17% der Fälle9,10. In der Echokardiographie sind große Vegetationen sichtbar, die Klappendestruktionen ähneln
jenen, welche durch S.aureus verursacht werden11. Intrakardiale Infektionen von
Schrittmacherkabeln sind ebenfalls beschrieben worden12.
Die Mehrzahl der Infektionen (> 65%) wird außerhalb des Krankenhauses erworben. Die Erreger können beispielsweise nach zahnärztlichen Eingriffen13 oder über Läsionen der Perinealregion eindringen14, wobei die Eintrittspforten vielfach jedoch unerkannt bleiben. Meist leiden die Patienten
unter Komorbiditäten. Die Gesamtletalität bei einer Endokarditis durch S. lugdunensis liegt bei ca. 35%, Risikofaktoren sind Alter über 50 Jahre sowie eine antibiotische Therapie ohne chirurgische
Intervention15. Patienten mit Bakteriämie haben eine Letalität von etwa
21%7.
Diagnostik
Eine Anzüchtung der Erreger aus klinischem Material wie Wundabstrich, Gewebe, Liquor oder Blut ist meist ohne Probleme möglich. Wesentlich ist allerdings die
sorgfältige Diagnostik im Labor, um S. lugdunensis wegen einer fehlenden Koagulase nicht als Begleitflora ohne weitere Identifikation einzuordnen und um das Isolat nicht mit S.aureus zu verwechseln,
weil der clumping-Faktor positiv ist.
Therapie und Meldepflicht
Die Mehrzahl der Stämme ist gegen penicillinasefeste ß-Laktam-antibiotika empfindlich, so dass Flucloxacillin (FLUCLOX STRAGEN u. a.) oder Cefazolin (CEFAZOLIN SAAR
u. a.) wirksam sind. Allerdings werden inzwischen auch Oxacillin-resistente Stämme (bis 20%) isoliert, die überwiegend dem SCCmec Typ V entsprechen16,7 Denkbare therapeutische Alternativen bestehen bei diesen Stämmen in der Gabe von
Daptomycin (CUBICIN)17 bzw. von Linezolid (ZYVOXID)18.
Allerdings ist zumindest bei einer Endokarditis die alleinige antimikrobielle Therapie nicht ausreichend, die frühe chirurgische Intervention scheint dringend geboten zu sein!19In diesem Zusammenhang ist die Beobachtung bedeutsam, dass subinhibitorische Konzentrationen
von Nafcillin (Oxacillin-Äquivalent) die Formation eines Biofilms fördern, während Tetrazykline und Linezolid dies unterdrücken. Interessanterweise wirkt Vancomycin (VANCO-RATIOPHARM u. a.) bei über
90% der Stämme nicht bakterizid, was auf eine möglicherweise klinisch relevante Vancomycin-Toleranz hinweist20.
Eine Meldepflicht besteht nicht.
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