Shigella

Text aus  Heft 2, 2007

Ergänzungen am Ende des Textes

 

Morphologie und Kultur

 

Shigellen sind Erreger der Shigellose (Shigellenruhr, Shigellen-Dysenterie). Sie bilden innerhalb der Familie Enterobacteriaceae eine eigene Gattung. Man unterscheidet die Spezies Shigella dysenteriaS. flexneriS. boydii und S. sonnei. Die ersten drei genannten Spezies lassen sich in 13, 8 bzw. 18 Serovare unterteilen. S. sonnei zeigt nur ein Serovar, das sich in zwei serologische Formen differenzieren lässt. Shigellen sind gramnegative, unbegeißelte (unbewegliche) Stäbchenbakterien. Sie werden aus Stuhlproben oder von Rektalabstrichen auf den üblichen für Enterobacteriaceae geeigneten Selektivnährböden angezüchtet. Shigellen sterben in Stuhlproben schnell ab, daher ist eine rasche Verarbeitung im Labor geboten.

 

Epidemiologie

 

Shigellen kommen nur beim Menschen und höheren nicht-menschlichen Primaten als Krankheitserreger vor. Ihre Übertragung erfolgt fäkal-oral durch direkte Übertragung von Mensch zu Mensch bzw. durch Fliegen als Vektoren, so dass den „4 F“: Finger, Futter, Fliegen, Fäzes, die größte Bedeutung zukommt. Die Shigellose tritt zumeist unter schlechten hygienischen Bedingungen auf. In wärmeren Ländern hat die Übertragung durch kontaminiertes Trinkwasser oder Lebensmittel die größte Bedeutung. Die für den Menschen erforderliche Infektionsdosis ist niedrig (10 bis 200 Bakterien). Die überwiegende Zahl der in Deutschland auftretenden Erkrankungen werden von Reisenden importiert. Es besteht Meldepflicht. Dem Robert Koch-Institut wurden im Jahr 2006 insgesamt 814 Fälle gemeldet, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist.

 

Pathogenese und Krankheitsbilder

 

Die Inkubationszeit liegt bei 12 bis 96 Stunden. In den Dünn- und Dickdarm gelangte Bakterien vermehren sich schnell und dringen in die Darmmukosa ein. Ein aus Lipopolysacchariden bestehendes Endotoxin führt zu entzündlichen Reizungen der Darmschleimhaut. S. dysenteriae Serovar 1 bildet zusätzlich das zytotoxische Shiga-Toxin 1, das mit dem Shiga-Toxin 1 der EHEC identisch ist und durch Spaltung der 28S rRNS die Proteinsynthese hemmt.

 

Im weiteren Verlauf kommt es zu eitrigen und blutenden Läsionen im gesamten Kolon. Die Erkrankung beginnt mit Diarrhö, Tenesmen, heftigen Bauchschmerzen und Fieber; die Stühle sind zuerst wässrig, werden dann aber schleimig-blutig. Häufige Folgen sind Dehydratation und Proteinverlust. Im Extremfall kann es zu Komplikationen wie Kolonperforation mit anschließender Peritonitis kommen. Die Dauer der Erkrankung beträgt im Mittel sieben Tage, wobei sie zwischen einem Tag und einem Monat variieren kann. Die Letalität liegt unter 1%. In 1-3% der Fälle kann sich ein hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) entwickeln, das durch das von  S. dysenteriae Serovar 1 gebildete Shiga-Toxin 1 hervorgerufen wird.

 

Diagnostik

 

Anhand der klinischen Anzeichen kann nur eine Verdachtsdiagnose gestellt werden. Als beweisend gilt der Nachweis des Erregers aus frischen Stuhlproben oder frisch entnommenen Rektalabstrichen sowie eine sich anschließende biochemische und serologische Charak-terisierung. Wichtigste Ziele sind die Identifizierung der Infektionsquelle und die Klärung des Infektionsweges. In Speziallaboratorien kann eine weitere Erregertypisierung (Lysotypie bzw. molekularbiologische Differenzierung mittels Pulsfeldgelelektrophorese) vorgenommen werden.

 

Therapie

 

Die Shigellose sollte ähnlich wie Cholera, Typhus und Paratyphus antibiotisch behandelt werden. Hierdurch werden Krankheitsdauer und Erregerausscheidung reduziert. Shigellen sind zumeist empfindlich gegenüber Fluorchinolonen. Weitere zur Therapie oftmals aufgeführte Antibiotika wie Ampicillin (BINOTAL u.a.), Tetrazykline, Cotrimoxazol (EUSAPRIM u.a.) zeigen hohe Resistenzraten. In jedem Fall sollte eine Empfindlichkeitsbestimmung der Erreger gegenüber diesen Wirkstoffen erfolgen. Nach Erhebungen des Robert Koch-Institutes waren im Zeitraum 2001-2004 27 bis 42 % der Shigellen resistent gegenüber Ampicillin, 77 bis 90% gegenüber Cotrimoxazol und 63 bis 83% gegenüber Tetrazyklin. Bei Ciprofloxacin  (CIPROBAY u.a.) zeigte sich dagegen eine günstige Resistenzlage (< 1% resistente Stämme).

 

Die Behandlung bei Erwachsenen erfolgt üblicherweise mit Ciprofloxacin (2 mal täglich 500 mg oral über 1 bis 3 Tage) Kinder werden mit Cotrimoxazol (2 mal täglich 10-15 mg/kg oral) behandelt. Bei Patienten in gutem Allgemeinzustand kann auch eine symptomatische Therapie mit oralem Flüssigkeitsersatz ausreichend sein. Bei Patienten mit chronischen Grunderkrankungen sowie sehr jungen und alten Patienten müssen Flüssigkeits- und Elektrolytverlust parenteral ausgeglichen werden.

 

Meldepflicht

 

Gemäß IfSG bei Krankheitsverdacht, Erkrankung, Tod, direktem oder indirektem Erregernachweis.

 

 

Ergänzung 2017

 

Die WHO hat Ende Februar 2017 eine Liste von bakteriellen Krankheitserregern publiziert, die aufgrund ihrer Antibiotikaresistenz eine Bedrohung darstellen.  Die Dringlichkeit des  Bedarfs für neue Antibiotika zur Therapie von Infektionen durch Fluorchinolon-resistente Shigellen wird auf dieser Liste als "mittelgradig" eingestuft.

 

WHO, 27. Februar 2017; www.who.int

 

 

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