Typhöse Salmonellen

Text aus Heft 6, 2006

Ergänzungen am Ende des Textes

 

Morphologie und Kultur

 

Bei den Salmonellosen unterscheidet man typhöse und enteritische Erkrankungen. Verursacher der typhösen Salmonellosen (Typhus abdominalis, Paratyphus A, B und C) sind Salmonella enterica Serotyp typhi bzw. paratyphi A, B und C. Salmonellen zählen zur Familie der Enterobacteriaceae. Morphologisch handelt es sich um nicht Sporen-bildende, fakultativ anaerobe, peritrich begeißelte und somit bewegliche gramnegative Stäbchen. Sie lassen sich gut aus menschlichem Untersuchungsmaterial auf speziellen Nährböden anzüchten.


Zur Differenzierung der Serovare sind verschiedene Lysotypie-systeme verfügbar. Darüber hinaus kommen molekularbiologische Methoden (z. B. Pulsfeld-Gelelektrophorese) zur Anwendung. Die Serovare verfügen über O-, K- und H-Antigene (Kauffmann-White-Schema). Hinzu kommt das Kapselantigen Vi (ursprünglich von Virulenz).

 

Epidemiologie

S. typhi kommt nur beim Menschen vor. Bei Dauer-ausscheidern und subklinisch Infizierten finden sich die Erreger zumeist in der Gallenblase oder den Gallengängen. Nach Angaben des Robert Koch-Institutes konnte in Deutschland die Zahl der Erkrankungen seit den 1950er Jahren durch Verbesserung der hygienischen Bedingungen stark vermindert werden. Entsprechend der Meldepflicht nach IfSG wurden im Jahr 2004 an das RKI 82 Fälle von Typhus abdominalis übermittelt. Die bundesweite Inzidenz lag bei 0,1 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Etwa 86% der Erkrankungen wurden aus Ländern wie Indien, Pakistan, Türkei oder Marokko importiert. Auch die Inzidenz von Paratyphus ging in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurück.

 

Pathogenese und Krankheitsbilder

Typhöse Salmonellen gelangen durch fäkal kontaminierte Nahrungsmittel oder Trinkwasser in den Gastrointestinaltrakt. Ihre Ausscheidung erfolgt fäkal oder über den Urin. Die minimale Infektionsdosis ist kleiner als bei enteritischen Salmonellen.
Typhus abdominalis und Parattyphus A, B und C sind septikämische Erkrankungen. Nach Durchdringen der Darmwand erfolgt die Streuung lymphogen und hämatogen mit sekundärer Ansiedelung in Milz, Leber, Knochenmark, Gallenwege, Haut und Peyer-Plaques.
Die Erkrankung läuft in bestimmten Stadien ab. Beim Typhus abdominalis verläuft die Inkubationszeit (Stadium I) ohne besondere Anzeichen. Im Stadium II treten erstmals Krankheitserscheinungen auf. Der Patient leidet an uncharakteristischen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, evtl. auch subfebrilen Temperaturen. Bei unbehandelten Fällen kommt es innerhalb von 2–3 Tagen zu einem staffelförmig ansteigenden hohen Fieber, mit Temperaturen zwischen 39°C und 41°C, beginnender Bewusstseinstrübung (typhos, griech. Nebel) und uncharak-teristischen Abdominalbeschwerden (Milzschwellung). Die hohen Temperaturen können bis zu drei Wochen andauern. Es kommt zunächst zur Obstipation, dann häufig zu breiigen Durchfällen und hellroten Hauteffloreszenzen (Roseolen), zumeist an der Bauchhaut. Auffällig ist eine relative Bradykardie. Es kann zu Komplikationen wie Darmblutungen und -perforationen mit Peritonitis, nekrotisierender Cholezystitis, Thrombosen, Embolien, Osteomyelitis, Endokarditis oder Meningitis kommen. Bei Patienten ohne Behandlung nimmt das Fieber ab der vierten Woche ab, wobei die Gefahr von Darmblutungen oder einer Perforationsperitonitis weiter besteht. Trotz erfolgreicher Antibiose kommt es nicht selten zu Rezidiven.
Der klinische Verlauf bei Paratyphus ist ähnlich wie bei Typhus. Die Symptomatik verläuft jedoch weniger schwer. S. typhi und Paratyphus A, B und C können im Inneren von Makrophagen überleben. Bis zu 5% der Infizierten scheiden nach überstandener Erkrankung dauerhaft Erreger aus.

 

Diagnostik

Dem Verlauf der Erkrankung entsprechend erfolgt der kulturelle Nachweis des Erregers in der ersten Krankheitswoche aus dem Blut. Ab der 2. Woche sind die Erreger auch im Stuhl und Urin nachweisbar.
Die Identifizierung erfolgt anhand des Musters der biochemischen Stoffwechseleigenschaften (“Bunte Reihe“). Die Serovarietät wird mittels Nachweis der Antigenstruktur (Gruber-Widal-Reaktion) der O- und H-Antigene im Patientenserum bestimmt. Ein mindestens vierfacher Titeranstieg während der Erkrankung oder ein Titer von mehr als 160 werden als Hinweis auf eine bestehende Infektion angesehen.

 


Therapie

Als Mittel der Wahl gelten Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a., 1 g oral über 2 Wochen) oder Ceftriaxon (ROCEPHIN u.a., 2 g/Tag über 1-2 Wochen). Auch andere Fluorchinolone wie Levofloxacin (TAVANIC u.a.) oder Moxifloxacin (AVALOX u.a.) sind wirksam. Als geeignet gelten auch Trimethoprim-Sulfamethoxazol (COTRIMHEXAL u.a.) und Amoxicillin (AMOXYPEN u.a.). Für Kinder kommt zudem Azithromycin (ZITHROMAX u.a.) in Frage. Da zunehmend mehrfach resistente S. typhi-Stämme isoliert werden, ist die Anfertigung eines Antibiogramms zu empfehlen. Eine adäquate antibakterielle Therapie ist vor allem im frühen Stadium der Erkrankung erfolgreich. Die Letalität liegt dann im Allgemeinen unter 1 %.

 


Meldepflicht

Gemäß § 6 IfSG sind Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod an Typhus abdominalis und Paratyphus meldepflichtig. Nach § 7 und besteht eine Meldepflicht für alle direkten Nachweise von Salmonella typhi und Salmonella paratyphi.

 

Ergänzung 2017

 

Die WHO hat Ende Februar 2017 eine Liste von bakteriellen Krankheitserregern publiziert, die aufgrund ihrer Antibiotikaresistenz eine Bedrohung darstellen.  Die Dringlichkeit des  Bedarfs für neue Antibiotika zur Therapie von Infektionen durch Fluorchinolon-resistente Salmonellae wird auf dieser Liste als "hoch" eingestuft.

 

WHO, 27. Februar 2017; www.who.int

 

 

 

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