Rickettsia Spezies

 (aus ZCT 1-2011)

 

 

Taxonomie, Morphologie und Kultur

 

Rickettsien sind obligat intrazellulär lokalisierte gramnegative Erreger; sie gehören zur Familie Rickettsiaceae, OrdnungRickettsiales, Gattung Rickettsia. Eine Anzüchtung der Erreger in Zellkulturen ist möglich. Sie lassen sich unter Berücksichtigung der hervorgerufenen Erkrankungen in verschiedene Gruppen einteilen. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche neue Arten beschrieben, deren Bedeutung für menschliche Erkrankungen noch schwer einzuschätzen ist.

 

 

Pathogenese, Epidemiologie und ausgewählte Krankheitsbilder

 

Die Erreger dringen in die Endothelzellen kleiner Gefäße ein mit nachfolgender Hyperplasie, Nekrose und Thrombosierung sowie einem Austritt von Erythrozyten aus den Gefäßen. Nachfolgend kommt es zur Einwanderung von Lymphozyten mit Bildung von Fleckfieberknötchen.

 

Das klassische (epidemische) Fleckfieber wird durch R. prowazekii hervorgerufen und ist weltweit verbreitet. Es wird durch Kleiderläuse übertragen (Reservoir: Mensch, Maus, Ratte). Die Erreger werden mit dem Kot der Kleiderläuse ausgeschieden, eine Infektion kann entstehen durch Einreiben des rickettsienhaltigen Kots in die Bissläsion, aber auch durch Inhalation. Die Inkubationszeit liegt bei fünf bis 23 (im Mittel 12) Tagen. Die Erkrankung beginnt mit Schüttelfrost, Fieber und Myalgien; Konjunktivitis und Augenschmerzen sind häufig. Ein Exanthem tritt nach fünf bis neun Tagen an Brust, Abdomen und anderen Körperpartien auf, ausgenommen sind Gesicht, Handflächen und Fußsohlen sowie der Rücken. Ein komplizierter Verlauf mit Meningoenzephalitis oder Myokarditis ist möglich, die Letalität bei unbehandelten Patienten liegt zwischen 10 und 30%.1 Wahrscheinlich persistieren Erreger nach Infektion im Menschen lebenslang, bei relativer Abwehrschwäche tritt dann unter Umständen eine abgeschwächte Form auf (Morbus-Brill-Zinsser). In Deutschland ist seit 2004 kein Fall bekannt geworden.

 

Das murine (endemische) Fleckfieber (R.typhi) kommt besonders in warmen Ländern (Südstaaten der USA, Afrika, Europa, Asien) vor, mit Erkrankungen muss auch bei Reisenden aus diesen Gebieten gerechnet werden.2 Die Übertragung erfolgt durch den Rattenfloh (Xenopsylla cheopis). Die Erreger gelangen mit dem Kot auf die Haut und dringen durch Läsionen oder über den Respirationstrakt ein. Die Erkrankung verläuft relativ mild und unspezifisch; wahrscheinlich wird sie daher in ihrer Häufigkeit unterschätzt. Klinische Symptome sind Fieber und Kopfschmerz, nur bei ca. 50% tritt ein Exanthem auf.

 

„Spotted fever group“: z.B. Rickettsia africae, Rickettsia conorii, Rickettsia rickettsii. Die durch R.africaehervorgerufene Erkrankung kommt in Afrika südlich der Sahelzone vor (bei Touristen vor allem beim Besuch von Südafrika und den angrenzenden Ländern).3 Sie wird durch Zecken übertragen und tritt mit einer Inkubationszeit von sechs bis sieben Tagen überwiegend in Clustern (d. h. bei Reisegruppen) auf. Der klinische Verlauf ist insgesamt gutartig, ein wichtiges Symptom ist Fieber ³38°C. Bei den meisten Patienten (95%) ist wenigstens eine verschorfte Eintrittsstelle (Eschar), bei einigen Patienten sind bis zu vier zu sehen; bevorzugte Lokalisationen sind Beine, Brust und Bauch sowie die Arme. Klinisch imponiert auch eine regionale Lymphadenopathie. Hauterscheinungen sind nur etwa bei der Hälfte der Patienten zu beobachten, meist handelt es sich dann um ein makulopapulöses Exanthem mit Vesikeln.4 Die Letalität ist gering.

 

Mittelmeerfleckfieber (MSF) oder Boutonneuse-Fieber durch R.conorii. kommt im Mittelmeerraum einschließlich Portugal vor, ferner ist es verbreitet um das Schwarze Meer herum, sowie in Wladiwostok, Afrika, Indien und anderen Gebieten. Sporadische Fälle sind aus Belgien und der Schweiz berichtet worden. Die Übertragung erfolgt durch Zecken (Rhipicephalus sanguineus), Reservoir sind Hunde und Nager. Die Inkubationszeit beträgt ca. sieben Tage (1 bis 15 Tage). Typisch ist an der Einstichstelle eine schwärzliche Kruste (Eschar) bzw. der „tache noire“. Krankheitssymptome sind plötzlich eintretendes Fieber (>39°C), Kopf- und Gliederschmerzen sowie im Verlauf ein sich zentral ausbreitendes makulopapulöses („boutonneuse“) Exanthem. Die Letalität liegt bei unbehandelten Patienten bei ca. 2 bis 3%.

 

 

Rocky-Mountain-Fleckfieber

 

(RMSF, Felsengebirgsfleckfieber) wird verursacht durch R. rickettsii und durch Zecken (Dermacentor, Rhipicephalus, Amblyomma) übertragen, Wirte sind wildlebende Nagetiere und Hunde. Die Erkrankungshäufigkeit nimmt in Nordamerika zu,5 aber auch in Mittel- und Südamerika. Nach einer Inkubationszeit von etwa sechs bis acht Tagen treten Fieber und Schüttelfrost, Kopfschmerz und Myalgien auf. Es folgen dann Übelkeit, Erbrechen sowie Durchfälle. Am dritten Tag nach Erkrankungsbeginn tritt ein Exanthem (bei ca. 80%) an der Stirn und an Hand- und Fußgelenken auf, das sich rasch über den gesamten Körper ausbreitet. Die Krankheitsdauer bei leichten Formen beträgt ca. zwei Wochen; bei schweren Fällen ist die Dauer verlängert und die folgenden Komplikationen können auftreten: Lungenödem, periphere Ödeme, Nierenversagen, Hyponatriämie, hämorrhagische Purpura, Thrombozytopenie, Hypotension und Myokarditis. Krankheitszeichen von Seiten des ZNS sind Delirium, Krampfanfälle und Koma. Die Letalität liegt unbehandelt bei bis zu 25%.

 

Rickettsienpocken durch R.akari. Die Infektion wurde in New York und anderen nordamerikanischen Städten, der Ukraine und anderen GUS-Staaten, Korea und Slowenien nachgewiesen. Die Übertragung erfolgt durch Milben. Der Krankheitsverlauf ist leicht und es kommt zur spontanen Heilung auch ohne Behandlung. Nach einer Inkubationszeit von sieben bis zehn Tagen tritt an der Eintrittsstelle eine rote Papel auf, die sich in den folgenden Tagen zur Vesikel mit Schorfbildung (Eschar) entwickelt; die regionalen Lymphknoten sind geschwollen. Fieber, begleitet von Schüttelfrost, Kopfschmerz, Myalgien, Appetitlosigkeit und Photophobie tritt plötzlich auf. Gleichzeitig oder mit einer Verzögerung von einigen Tagen entwickelt sich ein Exanthem, das von einer makulopapulösen in eine vesikuläre Form fortschreitet. Beim Austrocknen bilden sich schwärzliche Krusten, die ohne Narbenbildung abheilen.

 

Tsutsugamushi-Fieber (R. tsutsugamushi) kommt in Ostasien und Australien vor. Überträger sind Milbenlarven; Reservoir sind Nagetiere und Vögel. Die Inkubationszeit beträgt vier bis zehn Tage; Symptome sind Fieber, Myalgie, makuläres Exanthem, Lungenbeteiligung (zunehmend beobachtet), Lymphadenopathie, Hepato­splenomegalie sowie eine Leberdysfunktion. Es gibt eine diagnostische Trias, die jedoch nicht immer aufritt: Hautnekrose an der Milbenbißstelle (Eschar) plus regionale Lymphadenopathieplus generalisiertes Exanthem. Schwere Erkrankungsverläufe werden bei Patienten mit Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel beobachtet. Die Infektion kann tödlich verlaufen durch Lungenversagen (ARDS), Enzephalitis, Myokarditis.6

 

Diagnostik

 

Die bevorzugte Methode ist der Nachweis von Antikörpern (IgG, IgM) mittels indirektem Immunfluoreszenztest (IFT) oder ELISA. Eine weitere Methode zum Antikörpernachweis ist die Weil-Felix-Reaktion, d. h. die heterologe Agglutination von Antikörpern gegen Rickettsien mit bestimmten Proteus-vulgaris-Antigenen. Allerdings zeigt diese Methode im Vergleich zum IFT eine geringere Sensitivität und Spezifität.7,8 Ein Nachweis der Erreger aus Biopsien mittels PCR ist möglich,3 ebenso die Anzucht in Zellkulturen.9

 

 

Prävention, Therapie, Meldepflicht

 

Die Prävention erfolgt durch eine Expositionsprophylaxe sowie Bekämpfung der Vektoren z.B. Läuse oder Ratten mit dem Vektor Rattenfloh (Xenopsylla cheopis). Ein Impfstoff gegen R. prowazekii sowie R. rickettsii steht für besondere Situationen zur Verfügung. Wesentlich ist der frühe Therapiebeginn; Medikament der Wahl ist Doxycyclin (DOXYHEXAL u.a.), Alternativen sind Chloramphenicol (in Deutschland nicht im Handel) oder Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) bzw. die Kombination von Doxycyclin mit einer der beiden letztgenannten Substanzen.10

 

Meldepflicht besteht bei direktem oder indirektem Nachweis einer Infektion durch R. prowazekii (§7 IfSG).

 

 

1.      RAOULT, D. et al.Infect Dis Clin North Am 2004; 18: 127-140

 

2.      ANGELAKIS, E. et al.J Trav Med 2010; 17: 310-315

 

3.      ALTHAUS, F. et al.Int J Infect Dis 2010; 14 (Suppl 3): e274-e276

 

4.      RAOULT, D. et al.N Engl J Med 2001; 344: 1504-1510

 

5.      OPENSHAW, J.J. et al.Am J Trop Med Hyg 2010; 83: 174-182

 

6.      FISCHER, B.P. et al.Dtsch med Wschr 1998; 123: 562-566

 

7.      KOVÁCOVÁ, E., KAZÁR, J.Clin Lab 2000; 46: 239-245

 

8.      KULARATNE, S.A., GAWARAMMANA, I.B.Trans R Soc Trop Med Hyg 2009; 103: 423-424

 

9.      QUESADA, M. et al.Ann NY Acad Sci 2006; 1078: 578-581

 

10.GIKAS,A.etal.Am J Trop Med Hyg 2004; 70: 576-579

 

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