Mycobacterium tuberculosis Komplex

(unveränderter Text aus Heft 3, 2010)

Ergänzungen am Ende des Textes

 

Taxonomie, Morphologie und Kultur

 

Die Gattung Mycobacterium umfasst eine Vielzahl von Arten einschließlich Arten aus dem MTB-Komplex (Mycobacterium tuberculosis, M. bovis, M. bovis „Bacillus Calmette Guerin“, M. africanum, M. microtiM. pinnipedii). Der Zellwandaufbau entspricht dem grampositiver Bakterien, jedoch mit einem zusätzlichen hohen Lipidanteil mit charakteristischen Mykolsäuren. Der Begriff „säurefest“ beruht darauf, dass sich gefärbte Zellen mittels eines Gemischs aus Säure und Alkohol nicht entfärben lassen. Zur Kultur von Mykobakterien sind besondere Medien erforderlich.

 

Pathogenese, Krankheitsbild

 

Meist handelt es sich um eine aerogene Infektion, die Erreger gelangen über die oberen Atemwege in die Lungen; die Inkubationszeit beträgt sechs bis acht Wochen (positiver Tuberkulin-Hauttest), aber auch länger. Etwa fünf bis zehn Prozent der Infizierten entwickeln eine Infektionskrankheit. Die Erkrankung manifestiert sich bei der Mehrzahl der Patienten als Lungentuberkulose (Primärkomplex), es können aber auch alle anderen Organe (meist sekundär) einschließlich des ZNS befallen werden. Bedingt durch die Aufnahme von Milchprodukten ist bei Erkrankungen durch M. bovis primär der Darm befallen. Der Beginn einer Lungentuberkulose ist uncharakteristisch, meist geprägt durch einen chronischen Husten, selten blutig tingiert. Hinzu kommen Gewichtsabnahme, Müdigkeit, leichtes Fieber, Nachtschweiß und andere Symptome. Gelegentlich fallen vergrößerte Lymphknoten im Halsbereich auf. Im Rahmen einer Immunsuppression (Alkoholabusus, HIV, immunsuppressive Therapie) kann es zu einer Generalisierung mit Absiedlung der Erreger in weitere Organe einschließlich ZNS kommen; der fulminante Verlauf mit hoher Letalität wird als Landouzy-Sepsis bezeichnet.

Bei einer progressiven Erkrankung zerfallen die Lungenherde käsig, es entstehen Kavernen mit Zerstörung von Lungengewebe. Betroffen sind hier besonders abwehrgeschwächte Patienten, z.B. Alkoholiker oder Patienten in höherem Alter. Wichtig ist die endogene Reaktivierung persistierender Erreger; in Ländern mit hoher Inzidenz auch eine exogene Reinfektion.

 

Diagnostik

 

Um eine nicht manifeste Infektion zu diagnostizieren, wird klassischerweise der Tuberkulin-Hauttest (Mendel-Mantoux- Methode) eingesetzt. Die Interpretation des Testes ist in Einzelfällen schwierig, da falsch positive (z.B. Kreuzreaktion mit anderen Mykobakterienarten) und falsch negative (z.B. bei Immunsuppression) Ergebnisse möglich sind. Der Tuberkulin-Hauttest kann durch einen Interferon-Gamma Release Assay (IGRA) in Abhängigkeit vom Assay mit einer Spezifität von 70 bzw. 90%1 ergänzt werden, bei dem die Freisetzung von Interferon-g unter dem Einfluss von spezifischem Antigen gemessen wird. Ein positiver Test alleine beweist jedoch keine Erkrankung, eine Unterscheidung zwischen aktiver und latenter Tuberkulose ist ebenfalls nicht möglich! Nach wie vor sind bildgebende Verfahren zur Diagnose sowie zur Verlaufsbeobachtung unentbehrlich. 

 

Mikroskopie: Der Nachweis säurefester Stäbchen in Materialien des Respirationstraktes ist Hinweis auf eine bestehende Infektiosität, zu beachten ist jedoch, dass auch andere (apathogene) Mykobakterienarten sowie tote Bakterienzellen zu einem positiven Ergebnis führen können. 

 

Kultur: Untersuchungsmaterialien sind in erster Linie respiratorische Sekrete, Magensaft, Gewebe, Pleuraflüssigkeit, Liquor oder Urin. Eingesetzt werden  feste und flüssige Spezialmedien mit einer Bebrütungszeit von wenigstens sechs Wochen. Eine Untersuchung auf Mykobakterien ist immer explizit anzufordern.

 

Nukleinsäureamplifikationsmethoden: Nachweis von DNA bzw. RNA lebender und toter Zellen mit einer Sensitivität zwischen 80 und 90%, eine Unterscheidung zwischen M. tuberculosis-Komplex und anderen Mykobakterien ist möglich. Die Indikation besteht immer zusätzlich zur Kultur - besonders  bei schweren Krankheitsbildern, bei Immun-suppression und bei Kleinkindern.

 

Prävention, Therapie, Meldepflicht

 

Zur Prävention einer Infektion weiterer Personen sind ein rascher Therapiebeginn sowie eine Isolierung infektiöser Personen unumgänglich. Bewährt hat sich die DOTS-Strategie (directly observed treatment, short course), d.h. die sechs-monatige kontrollierte Kombinationstherapie. Zusätzlich ist eine aktive Fallsuche bei Kontaktpersonen, bei Herkunft aus einem Land mit hoher Prävalenz oder bei Risikopopulationen (Gefangene, Obdachlose etc.) wesentlich. Im Krankenhaus ist eine Isolation der Patienten notwendig, deren Dauer vom Therapieerfolg abhängt. Wichtige weitere Hinweise zu Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen finden sich im Merkblatt Tuberkulose des RKI.2 Eine Therapie muss individuell durchgeführt werden, als Standard gilt heute unabhängig vom Infektionsort die Kombination von Isoniazid (ISOZID u.a.), Rifampicin (EREMFAT u.a.), Pyrazinamid (PYRAFAT u.a.) plus Ethambutol (EMB-FATOL u.a.) oder Streptomycin (STREPTO-FATOL u.a.) in den ersten zwei Monaten, gefolgt von INH plus RMP über weitere vier Monate. Bei voller Sensitivität des Stammes sowie im Kindesalter kann auch eine Dreifachtherapie (INH, RMP, PZA) ausreichend sein. Zur Therapie von Patienten mit resistenten Isolaten steht eine Reihe von weiteren Medikamenten, z.B. Fluorchinolone wie Moxifloxacin (AVALOX),3 sowie injizierbare  Substanzen wie Amikacin (AMIKACIN FRESENIUS), Kanamycin oder Capreomycin (beide in Deutschland nicht im Handel) zur Verfügung, auch hier ist ein individuelles Regime notwendig. Extrem resistente Tuberkulosestämme (XDR-Tb) sind resistent gegen INH und RMP sowie zusätzlich gegen ein Fluorchinolon plus gegen eine der injizierbaren Substanzen.4 Meldepflicht besteht nach §6 IfSG (Erkrankung, Tod) sowie §7 (Nachweis säurefester Stäbchen, Erregernachweis, Empfindlichkeitsbestimmung), zu beachten ist ferner §34 (Beschäftigung in Gemeinschaftseinrichtungen).

 

 

1. LALVANI, A; PAREEK, M. Interferon gamma release assays: principles and practice. Enferm Infecc Microbiol Clin. 2010; 28:245-252

 

2.  NN. Ratgeber Infektionskrankheiten, Robert Koch-Institut, Tuberkulose. Stand 2009. www.rki.de (Link aktualisiert 28.3.2020)

 

3.     CODECASA, L.R. et al. Long-term moxifloxacin in complicated tuberculosis patients with adverse reactions or resistance to first line drugs. Respir Med 2006; 100: 1566 -1572

 

4. WORLD HEALTH ORGANIZATION. Extensively drug-resistant tuberculosis (XDR-TB): recommendations for prevention and control Wkly Epidemiol Rec. 2006; 81: 430 - 432

 

 

Ergänzungen

 

2017 Übersichtsartikel

 

Der Übersichtsartikel Tuberkulosetherapie 2017 im Heft 5, 2017, fasst den aktuellen Stand der Tuberkulosetherapie zusammen. (Heft 5, 2017 als PDF-Datei im Archiv)

 

2019 Leitlinie

 

Die aktuelle S2k-Leitlinie stellt bei vielen Fragen im Zusammenhang mit der Diagnostik, Therapie und anderen Aspekten eine wertvolle Informationsquelle dar.

 

Schaberg T, Bauer T, Brinkmann F, Diel R, Feiterna-Sperling C, Haas W, Hartmann P, Hauer B, Heyckendorf J, Lange C, Nienhaus A, Otto-Knapp R, Priwitzer M, Richter E, Rumetshofer R, Schenkel K, Schoch OD, Schönfeld N, Stahlmann R. Tuberkulose im Erwachsenenalter – Leitlinie zur Diagnostik und Therapie einschließlich Chemoprävention und -prophylaxe. Pneumologie 2017Jun;71(6):325-397

PubMed Abstract, PMID: 28651293.

 

 

 

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