Carbapenemasen bei Erregern der Familie Enterobacteriaceae – Teil 1

(aus ZCT 2-2012)

 

 

Eine zunehmende Zahl an Infektionen durch multiresistente Bakterien ruft weltweit große Besorgnis hervor. Für den Begriff der “Multiresistenz”, z.B. bei Enterobacteriaceae,existieren verschiedene Definitionen, wobei “Multiresistenz” auch von der Anzahl der zur Verfügung stehenden aktiven Klassen an antimikrobiellen Wirkstoffen abhängt. Eine gebräuchliche Definition in der gegenwärtigen Situation mit den zugelassenen Substanzen ist die kombinierte Resistenz gegen wenigstens drei von vier Antibiotikaklassen: Acylureidopenicillin plus ß-Laktamaseinhibitor (Piperacillin/Tazobactam), Cefalosporine der dritten Generation (Ceftazidim, Cefotaxim), Chinolone (Ciprofloxacin) und Carbapeneme.1,2 In den vergangenen Jahren wurden nur noch wenige Antibiotika durch die amerikanischen bzw. europäischen Behörden zugelassen, so dass alternative therapeutische Optionen knapp werden. Eine Reihe von Erregern mit besonderer Resistenz ist potenziell von dieser Situation betroffen: Enterococcus faecium (Vancomycinresistenz), Staphylococcus aureus(Methicillinresistenz), Klebsiella pneumoniae(Carbapenemresistenz), Acinetobacter baumannii(Carbapenemresistenz), Pseudomonas aeruginosa(Carbapenemresistenz) und Enterobacter Species (Carbapenemresistenz), zusammenfassend “ESKAPE”. Von besonders großem klinischen Interesse dürfte die zunehmende Zahl Carbapenem-resistenter Erreger der Familie Enterobacteriaceae sein.

 

 

Carbapenemresistenz bei Enterobacteriaceae

 

Carbapenemasen sind ß-Laktamasen, welche die Eigenschaft haben, die Mehrzahl aller ß-Laktamantibiotika einschließlich Carbapenemen zu inaktivieren, wobei die Detektion dieser Resistenzmechanismen an das mikrobiologische Labor eine Herausforderung darstellt.

Spezies der Familie Enterobacteriaceae besitzen wenigstens zwei Mechanismen der Carbapenemresistenz: (i) Produktion von Carbapenemasen, und (ii) Kombination aus ESBL (extended spectrum ß-Laktamasen) bzw. AmpC-ß-Laktamasen und Verlust der Zellwandpermeabilität.

(i) Produktion von Carbapenemasen: Diese Enzyme werden den Klassen A, B und D der Ambler-Klassifikation der ß-Laktamasen zugeordnet. Enzyme der Klasse A sind chromosomal- (z.B. IMI-1, Nmc-A, SME oder SFC-1) bzw. Plasmid- (z.B. KPC) kodiert oder über beide Möglichkeiten wie IMI. Die so genannte K.pneumoniae-Carbapenemase (KPC) wurde erstmals 1996 in North Carolina nachgewiesen.3,4 Inzwischen wird der Klon eines Sequenztyps - ST-258 - weltweit isoliert. Durch ein mobiles genetisches Element (Transposon Tn4401) kann das KPC-Gen auch auf andere Spezies der FamilieEnterobacteriaceae wie  E.coli übertragen werden.5

Enterobacteriaceae mit IMI-1 - Carbapenemasen wurden in der Vergangenheit außerhalb von Europa nachgewiesen, wobei 2011 ein erster E.cloacae-Stamm bei einem Patienten in Frankreich isoliert wurde.6 Phänotypisch ähneln diese Stämme E.cloacae-Isolaten mit der Produktion von OXA-48 (Ambler-Klasse D) mit Resistenz gegen Carbapeneme und Empfindlichkeit gegen Drittgenerations-Cephalosporine. Im Jahr 2003 wurde in der Türkei ein erster K.pneumoniae-Stamm mit OXA-48-Produktion isoliert.7 Diese Carbapenemase ist ebenfalls auf einem Plasmid kodiert,8was eine rasche Ausbreitung der Resistenz innerhalb der Familie Enterobacteriaceae erlaubt. Die jüngst bei E.coli,Citrobacter freundii und Raoultella ornithinolyticabeschriebene OXA-162-Carbapenemase stellt eine Variante von OXA-48 dar.9

 

Von besonderem Interesse ist die Beobachtung, dass viele Carbapenemase-positiven-Stämme gleichzeitig auch weitere Breitspektrum-ß-Laktamasen wie CTX-M-15 und andere ESBLs produzieren.10

 

Eine Metallo-ß-Laktamase (MBL; Ambler Klasse B) wird natürlicherweise bei Stenotrophomonas maltophilia auf dem Chromosom kodiert. Daraus resultiert die genuine Resistenz dieses Erregers gegen ß-Laktam-Antibiotika einschließlich Carbapenemen. Tatsächlich wurden inzwischen Gene für MBLs wie VIM (Verona Integron Metallo-ß-Laktamase), IMP oder jüngst NDM (New Delhi Metallo-ß-Laktamase) auf mobilen genetischen Elementen bei anderen Bakterienarten detektiert.11 MBLs sind in der Lage, alle ß-Laktamantibiotika außer Aztreonam zu hydrolysieren,  EDTA inhibiert die Aktivität von MBLs. MBLs werden nicht nur bei „non-fermentern“ wie Acinetobacter baumannii und Pseudomonas aeruginosa gefunden, sondern auch bei Enterobacteriaceae, wie z.B. E.coli und K.pneumoniae.12 Vor kurzer Zeit wurde ein E.coli-Isolat bei einem in Indien hospitalisierten Patienten mit Bildung von NDM-4 beschrieben, welches in der Lage ist, auch Aztreonam zu inaktivieren.13 Eine weitere Variante – NDM-5 – wurde ebenfalls in einem E.coli-Stamm bei einem Patienten aus dem Vereinigten Königreich nachgewiesen.14Auf Plasmiden, welche das blaNDM-1 Gen tragen, können weitere Resistenzgene wie VIM, OXA-48, ESBLs, Aminoglykosidresistenz sowie gegen weitere Antbiotikagruppen kodiert sein, was letztendlich zu einer Panresistenz der Erreger führt.15

 

(ii) Kombination von Resistenzmechanismen: Eine Kombination aus ESBL- bzw. AmpC-ß-Laktamase-Überproduktion sowie einer verminderten Expression von Zellmembranproteinen (OMP) führt zu einer phänotypischen Resistenz gegen Carbapeneme und wurde bereits 1991 in einem klinischen Isolat von E.cloacae nachgewiesen.16Zusätzlich zu der genannten Kombination aus ß-Laktamasen und Porinverlust können Efflux-Pumpen zu einer weiteren Erhöhung der Resistenz führen.17

 

 

Epidemiologie

 

Klebsiella spp., E.coli und andere Mitglieder der FamilieEnterobacteriaceae sind natürlicherweise Besiedler des Intestinaltrakts bei Mensch und Tier, ohne dass eine aktive Infektion vorliegt. Dies gilt auch für Stämme, welche ESBLs oder Carbapenemasen synthetisieren können; damit existiert ein potenziell unentdecktes Reservoir für weitere Übertragungen. Stämme mit KPC-Bildung sind inzwischen weltweit verbreitet; Ausbrüche werden auch in Deutschland beschrieben.18

Ausbrüche mit OXA-48-positiven K.pneumoniae-Isolaten sind aus Frankreich, Belgien, dem Vereinigten Königreich oder Spanien bekannt, aber auch in Deutschland wurden OXA-48-positive Enterobacteriaceae isoliert.

 

Die ersten Isolate mit NDM-Produktion fanden sich auf dem indischen Subkontinent und haben sich von dort aus auch nach Europa weiter verbreitet: Deutschland,19 Schweiz, Vereinigtes Königreich sowie die Balkanstaaten.

Ausbrüche hervorgerufen durch Enterobacteriaceae mit der Produktion von anderen MBLs sind aus einer Reihe europäischer Staaten bekannt, hierzu zählen Spanien,20Griechenland21 und Frankreich.22

 

In Deutschland wurden im ersten Halbjahr 2011 insgesamt 32 Enterobacteriaceae-Stämme mit Carbapenemasebildung im nationalen Referenzzentrum bestätigt,  im Zeitraum vom 1.5.2011 bis zum 30.11.2011 waren es 183 Stämme mit Produktion von KPC-2, KPC-3, OXA-48, OXA-162, OXA-181 sowie MBLs inklusive NDM-1.23 Nach eigenen Daten eines begrenzten Einsenderkreises in Berlin konnten von Januar bis Mitte Februar dieses Jahres bereits 12 positive Patienten überwiegend mit Erregern mit KPC-Produktion diagnostiziert werden.

 

 

ZUSAMMENFASSUNG:

 

Die Anzahl an Carbapenemasen und ihrer Varianten hat in den letzten Jahren zugenommen, viele sind auf mobilen genetischen Elementen kodiert, was eine Ausbreitung in der Bakterienpopulation sehr stark erleichtert. Davon ist auch die wichtigste gramnegative Erregergruppe - Enterobacteriaceae– betroffen. Da für diese Bakterien der menschliche und tierische Darm das natürliche Habitat darstellt, kann es dort bei der bestehenden Artenvielfalt relativ leicht zu einem Austausch der Resistenzgene kommen. Gleichzeitig stellen Menschen mit einer asymptomatischen Besiedlung eine unerkannte potenzielle Infektionsquelle dar. Wie die zunehmende Zahl an Isolaten mit Resistenz gegen Carbapeneme in Deutschland zeigt, stehen wir möglicherweise am Beginn einer Epidemie, deren Folgen wir für die Patienten gegenwärtig noch nicht absehen können.

 

       

 

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