Bacillus anthracis

 (aus ZCT 6-2009)

 

Taxonomie, Morphologie und Kultur

 

B.anthracis gehört zur Gattung aerober, unbeweglicher, grampositiver und bekapselter Sporenbildner. Sie verfügen über eine sehr hohe Umweltresistenz und die Sporen sind auch noch nach Jahren und Jahrzehnten infektiös. Das Wachstum gelingt auf einfachen Nährmedien, auf Blutagar ohne Hämolyse.

 

 

Epidemiologie

 

Derr Erreger von Milzbrand ist weltweit verbreitet, in Europa sind Infektionen beim Menschen jedoch sehr selten. In Deutschland gab es in den Jahren 1996 bis 2008 keine Meldung; die letzte Erkrankung wurde hier 1975 bei einem Mann, der nach Verzehr von Fleisch- und Wurstwaren an einer Milzbrandsepsis erkrankt und gestorben war, bekannt. Vorkommen bei Tieren (bes. Herbivoren wie Rinder, Schafe, auch in Europa), welche Erdsporen aufnehmen. Die Übertragung erfolgt vom Tier bzw. von kontaminierten tierischen Materialien (Organe, Felle, Häute, Wolle, Knochenmehl) auf den Menschen, ist aber auch von Mensch zu Mensch möglich! Die Übertragung durch Insekten ist selten. Ausbrüche bei Tieren wurden beispielsweise 1994 in Frankreich (Pyrenäen und Alpen) beobachtet, in den Pyrenäen starben 35 Kühe. Drei Personen entwickelten nach Tierkontakt das Bild eines Hautmilzbrandes, alle wurden antibiotisch behandelt und überlebten.1 Aus der Türkei sind Anthrax-Fälle (bes. Hautmilzbrand) mit einer Häufung der Infektionen in den Monaten Juni bis September bekannt.2Aerosole mit Milzbrandsporen können sich über große Entfernungen hinweg ausbreiten und gelangen wegen ihrer Größe von 1-2 µm bis in die Alveolen; der Einsatz als Biowaffe ist gefürchtet. Bei einer Freisetzung von Anthrax-Sporen aus einer Biowaffenfabrik in Sverdlowsk starben 1979 wenigstens 66 Menschen, in den USA traten 2001 insgesamt 22 Fälle (5 Todesfälle) bei Personen mit Umgang kontaminierter Briefe und Päckchen auf.

 

 

Pathogenese, Krankheitsbild

 

Durch eine Kapselbildung ist die Bakterienzelle vor dem Immunsystem geschützt. Entscheidend ist eine Toxinproduktion [binäre, plasmidisch-kodierte Toxine: „letales Toxin“ mit Wirkung als Protease (LF) und „ödematöses Toxin“ mit Wirkung als Adenylatcyclase (EF), in Kombination mit einem Bindepotein (PA)] der sich teilenden Bakterienzellen. Die Vermehrung der Erreger erfolgt am Ort der Infektion sowie in den ableitenden Lymphknoten. Die häufigste Form ist der sog. Hautmilzbrand (Pustula maligna, Anthrax) mit Lokalisation an Hand und Unterarm, aber auch Lippen (bei Webern), Auge (Einreiben von sporenhaltigem Staub), Nacken und Rücken bei Trägern von Leder oder Fellen, in den Zehenzwischenräumen, unter dem Gürtel oder am Kragen (Aufscheuern der Haut). Die Inkubationszeit beträgt 2 bis 12 Tage, gelegentlich auch nur Stunden. An der Inokulationsstelle entsteht eine schmerzlose Papel mit einer ödematös entzündeten Umgebung und anschließender Bläschenbildung, das schmerzlose Zentrum wird innerhalb weniger Stunden nekrotisch. Es treten Fieber, Benommenheit und Herzrhythmusstörungen auf. Ohne Therapie entwickelt sich eine Lymphangitis mit nachfolgender Sepsis. Die Letalität liegt bei unbehandelten Patienten zwischen 5 und 20%, mit Therapie bei <1%. DerLungenmilzbrand entsteht durch die Einatmung von Sporen, wobei die Infektionsdosis relativ hoch sein muß (>8.000-40.000 Sporen), um ein Angehen der Infektion zu ermöglichen. Allerdings existieren auch Berichte darüber, dass schon 1-3 Sporen eine Erkrankung verursachen können.3 Die Zeit zwischen Exposition und Ausbruch der Erkrankung beträgt etwa vier bis sechs Tage möglicherweise bis zu sechs Wochen (!), die Sporen persistieren über eine lange Zeit (bis 100 Tage) in den Makrophagen. Das Krankheitsbild beginnt nach kurzer Prodromalzeit (unproduktiver Husten, Halsschmerzen, leichtes Fieber, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen) schlagartig mit hohem Fieber, Schüttelfrost und starkem Schwitzen sowie Dyspnoe, Hypoxie und Tachykardie. Radiologisch charakteristisch sind ein verbreitertes Mediastinum, Infiltrate sowie Pleuraergüsse. Die Letalität bei adäquater Therapie liegt bei >50-75%, ohne Therapie nahezu bei 100%. Die gastrointestinale Erkrankung (Darmmilzbrand) entwickelt sich nach Ingestion massiv kontaminierten Materials im Magen, häufiger im terminalen Ileum oder in der Ileocoekalregion (Inkubationszeit ein bis sieben Tage). Es entstehen bis 5cm große Ulzerationen mit massiver ödematöser Schwellung der Mukosa bis hin zum Obstruktionsileus. Gleichzeitig erfolgt ein massiver Flüssigkeits- und Elektrolytverlust, der zum Tode führen kann. Fieber, Übelkeit, Bauchschmerzen, akutes Abdomen, Erbrechen und Durchfall (ggf. blutig) sowie Septikämie sind begleitende Symptome. Die Letalität beträgt 25-60%, der Effekt einer Therapie auf die Letalität ist unbekannt. Bei allen Formen ist die Entwicklung einer Milzbrandmeningitis möglich.


 

Diagnostik

 

Bei klinischem Verdacht auf Anthrax ist das Labor unbedingt telefonisch zu verständigen. Die Untersuchung erfolgt von Abstrichen (Pustula maligna), Biopsien, Blut, Sputum, Stuhl; Nasenabstrich bei V.a. Exposition. Entnahme der Abstriche mit feuchtem Tupfer unter deutlichem Druck und Drehen des Tupfers, Kontaktdauer wenigstens 10-15 Sekunden.

 

 

Prävention, Therapie, Meldepflicht

 

Präventionsmaßnahmen sind eine Vermeidung der Exposition (z.B. Reduktion von tierischen Erkrankungen) sowie Immunisierung (BIOTHRAX®: Emergent BioDefense Corporation, Lansing, Michigan, USA;www.emergentbiosolutions.com). Nach Exposition Chemoprophylaxe mit 2x500 mg/d Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) bis zu 60 Tage (überlebende Sporen in den Makrophagen!) plus Immunisierung. Bei schwerem Verlauf erfolgt die Therapie mit Ciprofloxacin i.v. in Kombination mit einer weiteren Substanz wie Ampicillin (AMPICILLIN RATIOPHARM u.a.), Penicillin G (PENICILLIN GRÜNENTHAL u.a.), Meropenem (MERONEM), Rifampicin (EREMFAT u.a.) oder Vancomycin (VANCO-SAAR u.a.). Die Therapie soll über 60 Tage durchgeführt werden mit Adjustierung der Antibiotika an den klinischen Verlauf. Zusätzlich bei inhalativem Anthrax evtl. Gabe eines monoklonalen Antikörpers.4 Bei kutanem Anthrax Ciprofloxacin oder Doxycyclin für 7-10 Tage, wenn Penicillin G als wirksam getestet wurde, kann auch dieses verabreicht werden.5 Therapie bei Kindern (<40kg) 3x15mg/kg KG/Tag  Amoxicillin (AMOXIHEXAL u.a.).6 Namentliche Meldepflicht bei Verdacht, Erkrankung, Tod sowie bei Nachweis in der Kultur (§§6, 7 IfSG).

 

 

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