Aspergillus Spezies (Teil 1)

>Zu Teil 2<

Text aus ZCT Heft 3, 2014

 

Taxonomie, Morphologie und Kultur

 

Aspergillus spp. zählen zu den Schimmelpilzen, Phylum (Stamm) Ascomycota, Ordnung Eurotiales, Familie Trichocomaceae, Gattung Aspergillus mit insgesamt mehr als 185 Spezies. Die für den Menschen wichtigsten Spezies sind Aspergillus flavus, Aspergillus fumigatus, Aspergillus niger, Aspergillus nidulans, Aspergillus terreus und Aspergillus ustus. Im mikroskopischen Präparat sind septierte Hyphen sowie für einzelne Spezies typische Konidiophoren sichtbar. Aspergillen können auf den üblichen Pilzmedien angezüchtet werden, je nach Spezies sind die Kolonien unterschiedlich gefärbt, z.B. A. flavus gelblich, A. fumigatus grün, A. niger schwarz oder A. terreus braun.

 

 

Epidemiologie

 

Schimmelpilze der Gattung Aspergillus sind in der Natur ubiquitär verbreitet. Die Sporen besitzen eine hohe Umweltresistenz und finden sich in vielen Materialien, wie beispielsweise Topfpflanzenerde, defekten Klimaanlagen, Staubentwicklung bei Baumaßnahmen, oder auch in Nahrungsmitteln (z.B. Getreide, Nüsse, Gewürze, gemahlener Pfeffer). Die Expositionsmöglichkeit gegenüber Aspergillus ist wahrscheinlich außerhalb des Krankenhauses größer als im Krankenhaus, außer bei baulichen Maßnahmen! Baumwollgewebe fördert die Ausbreitung von Aspergillussporen mehr als andere Gewebe.(1) Mögliche Infektionsquellen sind auch Wassersysteme.


Pathogenese und Krankheitsbild

 

Die Aufnahme der Konidien erfolgt inhalativ, diese haften am Lungenepithel bzw. an den lokalen Makrophagen. Nach Aufnahme in die Zellen sprossen die Konidien aus,(2) die hieraus entstandenen filamentösen Hyphen stehen weiter in engem Kontakt mit Epithel-, Endothel- und Immunzellen und induzieren eine Immunantwort sowie eine Zerstörung des Gewebes durch Angioinvasion und intravaskuläre Thromben. Sekundäre Metaboliten von A.fumigatus inhibieren angiogenetische Mediatoren, was zu einer lokalen Immunschwäche sowie einer schlechteren Penetration von Antimykotika führt.(3) Die Adhärenz und Biofilmproduktion der Hyphen wird über ein extrazelluläres Polysaccharid (Galactosaminogalactan) vermittelt, gleichzeitig verhüllt Galactosaminogalactan das ß-Glukan der Zellwand von Pilzen, welches einen wichtigen Stimulus des Immunsystems darstellt (fungal PAMP = pathogen-associated molecular pattern).(4) PAMPs werden von so genannten toll-like Rezeptoren (TLRs) erkannt, diese wiederum steuern die Immunantwort des Wirts. Verschiedene TLR-Polymorphismen des Wirts prädestinieren für invasive Formen der Aspergillose.(5)


Wichtigstes Organ für eine invasive Infektion durch Aspergillen sind die Lungen. Populationen mit erhöhtem Risiko für eine invasive pulmonale Aspergillose (IPA) sind Patienten mit Neutropenie (<500/mm3), allogener oder autologer hämatopoetischer Stammzelltransplantation, Transplantation eines soliden Organs insbesondere Lungen, immunsuppressiver Therapie, primären Erkrankungen des Immunsystems, chronischer Granulomatose oder AIDS. Ein weiterer wesentlicher Risikofaktor besteht in der unkontrollierten Durchführung von Baumaßnahmen, was in einer hohen Belastung der Luft mit Pilzsporen resultiert. Aspergillusinfektionen bei Patienten mit allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation treten meist nach einem Zeitraum von 90 Tagen oder noch später auf. Meist Beginn mit einer Besiedlung, gefolgt von Tracheobronchitis und nachfolgender Infektion der Lungen. Die Letalität der pulmonalen Infektion bei immunsupprimierten Patienten liegt in Abhängigkeit von der antifungalen Therapie zwischen 40% [mit Voriconazol (VFEND)-Therapie] und 60% (ohne Voriconazol-Therapie).(6) Sie kann auch bei kritisch Kranken ohne Neutropenie mit Risikofaktoren wie COPD, Leberzirrhose, langdauernder Steroidtherapie, Diabetes oder Sepsis mit nachfolgender Immunparalyse auftreten, die Häufigkeit liegt bei etwa 1%.(7) Es wird nach EORTC/MSG unterschieden zwischen erwiesener, wahrscheinlicher und möglicher invasiver Infektion durch Aspergillen.(8)

Nach Lungentransplantation liegt die Prävalenz des Aspergillus-Nachweises bei 33% der Patienten. Überwiegend handelt es sich primär um eine Kolonisation, gefolgt von Tracheobronchitis und invasiver pulmonaler Aspergillose. Meist sind vor einer invasiven Infektion die Kulturen sporadisch oder persistierend positiv. Tracheobronchitiden durch Aspergillus treten innerhalb von drei Monaten nach Transplantation auf; invasive Infektionen dagegen erst 33±20 Monate nach Transplantation.(9)


Der Aspergillus-Nachweis korreliert mit dem Zeitpunkt der Diagnose einer Abstoßungsreaktion, der Gabe von Tacrolimus (PROGRAF) sowie von Mycophenolat (CELLCEPT u. a.). Es besteht kein Zusammenhang mit einer CMV-Infektion oder einer Steroidgabe. Die Letalität der Patienten mit Tracheobronchitis betrug in der zitierten Studie 14%, bei Kolonisation 28% und bei invasiver Infektion 78%.

Im Rahmen einer invasiven pulmonalen Aspergillose kommt es bei einem Teil der Betroffenen im Rahmen einer hämatogenen Disseminierung zu einer Beteiligung des ZNS, auch bei Patienten auf Intensivstationen ohne primäre Neutropenie (10), wobei die Letalität mit 90% sehr hoch ist.

Ein weiteres gut charakterisiertes Krankheitsbild ist die allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA) mit der Symptomatik eines Asthmas mit Husten und Expektoration von braunem bröckeligen Material. Diese Form der Aspergillose kann das Bild der Mukoviszidose oder eines vorbestehenden Asthmas verkomplizieren. Charakteristischerweise treten neue pulmonale Verschattungen auf, die auf Steroidgabe wieder verschwinden. Führend ist in diesem Zusammenhang auch der radiologische Befund von zentralen Bronchiektasen. Präzipitierende Antikörper und/oder extrem erhöhte IgE-Spiegel sowie eine Eosinophilie sind nachweisbar. Die entzündliche Reaktion entspricht einer Th2-Stimulation, d.h. es wird von einer allergischen Genese der Erkrankung ausgegangen.(11, 12)

 

Das insgesamt seltene Krankheitsbild des Aspergilloms entwickelt sich überwiegend bei Männern in höherem Lebensalter meist in vorbestehenden Kavitäten der Lungen (z.B. bei Tuberkulose, Sarkoidose, Pneumokoniose). Häufigstes Symptom ist eine zunehmende Hämoptyse, bei ca. 40% bestehen Asthma, Gewichtsverlust sowie ein uncharakteristisches Krankheitsgefühl mit und ohne Fieber. Wichtigste Zeichen für ein Aspergillom sind im Röntgenbild nachweisbare solide Massen in einer Kavität; ein Frühzeichen ist die Verdickung der Pleura (wenige Millimeter bis zu 2 cm). Bei über 90% der Patienten ist der Verlauf chronisch.

Eine Übergangsform zwischen der invasiven pulmonalen Aspergillose und einem Aspergillom stellt die chronisch nekrotisierende pulmonale Aspergillose (CNPA) dar. Eine weitere seltene Infektion durch Aspergillusarten ist eine Endokarditis bei Klappenersatz, die ein frühzeitiges chirurgisches Eingreifen erfordert.(13)


Primäre kutane Aspergillusinfektionen treten bei Verletzungen der Haut, z.B. in der Nähe einer Katheter-Insertion, nach Trauma, bei okklusiven Verbänden, bei Verbrennungen (>50 bis 60% der Haut betroffen) meist 50 bis 60 Tage nach dem Ereignis oder bei chirurgischen Wunden auf. Die sekundäre kutane Form entwickelt sich durch eine kontinuierliche Ausbreitung von unter der Haut liegenden Strukturen (z.B. paranasaler Sinus) oder bei hämatogener Aussaat. Klinische Zeichen sind Papeln, Knötchen, Pusteln oder Ulzerationen, gelegentlich auch hämorrhagische Bullae oder ein Erythem von einer Einstichstelle ausgehend mit nachfolgender Induration und Nekrose. Bei der sekundären Form ist oft auch eine Krustenbildung zu beobachten. Bei Patienten mit Leukämien, aplastischer Anämie, Astrozytom oder Agranulozytose treten über 85% der Fälle primärer kutaner Infektionen in Zusammenhang mit Kathetern, Armschienen oder Pflastern auf. Frühgeborene mit gestörter zellulärer Abwehr haben ein erhöhtes Risiko der Entwicklung einer Hautaspergillose; eine wichtige Voraussetzung ist auch hier die Zerstörung der Haut z.B. durch Pflaster, unter Okklusionsverbänden oder durch Ulzerationen. Die Letalität beträgt ca. 50%.(14)

Gelegentlich kann eine vertebrale Osteomyelitis durch Aspergillen auch bei immunkompetenten Patienten auftreten, wobei die meisten Personen (84%) eine Prädisposition wie Diabetes mellitus haben. Die Prognose der Erkrankung ist insgesamt gut.(15) Infektionen der Augen (Keratitis, Endophthalmitis) können sich entweder exogen z.B. nach penetrierenden Verletzungen, kontaminierten Kontaktlinsenflüssigkeiten oder endogen z.B. bei IPA entwickeln.

Infektionen durch A. nidulans werden besonders bei Patienten mit chronisch granulomatöser Erkrankung beobachtet.(16) A.terreus wird insgesamt selten in klinischem Material nachgewiesen, Tendenz zumindest in einigen Institutionen jedoch steigend.(17) Wichtig für die Therapie ist die Tatsache, dass A. terreus gegen Amphotericin B resistent ist.(18)

 

>Zu Teil 2<

 

 

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