Acinetobacter baumannii

(aus Heft 5, 2008; Ergänzungen am Ende des Textes)

 

Morphologie und Kultur

 

Bei Acinetobacter baumannii handelt es sich um unbewegliche, aerobe, gramnegative Kurzstäbchen mit einer Größe von ca. 1-1,5 x 1,5-2 μm. Ursprünglich gehörte die Gattung Acinetobacter zur Familie der Neisseriaceae. Später wurde sie der Familie der Moraxellaceae zugeordnet. Die meisten Stämme von Acinetobacter baumannii zeigen auf festen Kulturmedien flache farblose Kolonien, die etwas kleiner als die von Enterobacteriaceae sind. Einige Stämme lassen sich in flüssigen Kulturmedien nicht oder nur schwer kultivieren.

 

Die Differenzierung im Routinelabor erfolgt aufgrund der Stoffwechselleistungen. Jedoch ist die genaue Differenzierung der Spezies mit Standardmethoden oft nicht möglich. Daher wurden vier Genomospezies zum Acinetobacter calco-aceticus - Acinetobacter baumannii-Komplex zusammengefasst. Acinetobacter-Spezies können Glucose nicht fermentieren und gehören somit zu den sogenannten „Non-Fermentern“.

 

Pathogenese und Krankheitsbilder

 

Acinetobacter-Spezies sind in der Natur und darüber hinaus im Hospitalbereich weit verbreitet. Sie können auf feuchten und trockenen Oberflächen gut überleben. Darüber hinaus lassen sie sich oft in Nahrungsmitteln sowie in der Hautflora des Menschen nachweisen. Acinetobacter baumannii besitzt die größte klinische Bedeutung unter den Acinetobacter-Spezies. Als klassischer Opportunist ist er ein häufiger Infektionserreger bei Patienten mit Abwehrschwäche. Bei den Krankheitsbildern steht die nosokomiale Pneumonie im Vordergrund, die vorzugsweise bei Beatmungspatienten im Intensivpflege-bereich beobachtet wird.

Weitere häufige Erkrankungen sind Harnwegsinfektionen, Wundinfektionen und Sepsis. Nicht selten kommen Hospital-ausbrüche vor. Wichtigstes epidemiologisches Reservoir ist der Magen-Darm-Trakt. Als Risikofaktoren für eine Infektion durch Acinetobacter wurden eine antibiotische Vorbehandlung und/oder ein chirurgischer Eingriff sowie die Verwendung von Beatmungsgeräten und anderer medizinischer Instrumente identifiziert.

Bei ambulanten Patienten wurden tödlich verlaufende Pneumonien durch Acinetobacter nach Einsatz nicht wirksamer Antibiotika beschrieben. Schwere Wundinfektionen und Osteomyelititiden durch multiresistente Acinetobacter baumannii wurden bei amerikanischen Soldaten diagnostiziert, die bei Kampfhandlungen im Irak und Afghanistan verletzt worden waren.

 

Diagnostik und Resistenzsituation

 

Die Diagnose wird durch die Anzucht aus entsprechenden Untersuchungsmaterialien und biochemische Identifizierung gestellt.

Aufgrund zahlreicher von Natur aus vorhandener und erworbener Resistenzmechanismen sind die Klinikstämme oft multiresistent. Fast immer werden eine oder mehrere Betalaktamasen produziert. Zudem sind in Deutschland ca. 20-30% der Stämme gegen Fluorchinolone [Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.), Levofloxacin (TAVANIC u.a.)] resistent. Die Ergebnisse aus der Empfindlichkeitsprüfung mit Betalaktam / Betalaktamase-Inhibitor-Kombinationen unter Verwendung einer fixen Konzentration des Betalaktamase-Inhibitors müssen mit Vorsicht interpretiert werden, da resistente Isolate fälschlich als sensibel ausgewiesen werden können. Resistenz gegen Aminoglykoside wird durch Aminoglykosid-modifizierende Enzyme oder Effluxpumpen verursacht.

 

Therapie

 

Als Mittel der Wahl werden die Carbapeneme [Imipenem (ZIENAM), Meropenem (MERONEM)] empfohlen. Dabei können jedoch Unterschiede hinsichtlich der Empfindlichkeit gegenüber beiden Substanzen bestehen, d.h. bei nachgewiesener Empfindlichkeit gegen Imipenem darf nicht automatisch auch eine Empfindlichkeit gegen Meropenem angenommen werden und umgekehrt. Als weitere Therapieoption steht neuerdings Doripenem (DORIBAX) zur Verfügung.

 

Allerdings hat die Resistenzhäufigkeit gegen Carbapeneme in den letzten Jahren weltweit deutlich zugenommen. Als therapeutische Alternativen kommen die Aminoglykoside (in Kombination mit einem anderen wirksamen Antibiotikum) in Betracht. Colistin (in Deutschland nicht im Handel) wird zur Behandlung von Infektionen durch pan-resistente Stämme angewandt.

 

Betalaktamase-Inhibitoren, besonders Sulbactam (COMBACTAM), besitzen intrinsische Aktivität gegen Acinetobacter baumannii. Die Monotherapie mit Sulbactam wird jedoch nicht für schwere Infektionen empfohlen. Aus der Kombination mit einem Betalaktamantibiotikum scheint keine Wirkungssteigerung zu resultieren. Tigecyclin (TYGACIL) besitzt bakteriostatische Aktivität gegen multiresistente Acinetobacter. Allerdings ist eine Resistenzentwicklung unter der Therapie möglich. Vor diesem Hintergrund ist Tigecyclin hier eher als eine Reservesubstanz anzusehen.

 

Ergänzung 2017

 

Die WHO hat Ende Februar 2017 eine Liste von bakteriellen Krankheitserregern publiziert, die aufgrund ihrer Antibiotikaresistenz eine Bedrohung darstellen.  Die Dringlichkeit des Bedarfs für neue Antibiotika zur Therapie von Infektionen durch Carbapenem-resistente Acinetobacter baumannii wird auf dieser Liste als "kritisch" eingestuft.

 

WHO, 27. Februar 2017; www.who.int

 

 

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