Peritonsillarabszeß

Text aus Heft 4, 1997

Ergänzung am Ende des Textes

 

 

Kasuistik

 

Ein 18 Jahre alter Patient kommt in die Praxis und klagt über zunehmende linksseitige heftige Halsschmerzen mit vermehrten Schluckbeschwerden und einer erhöhten Körpertemperatur bis 38,5°C. Anamnestisch berichtet der Patient über häufige Mandelentzündungen; das jetzige Krankheitsbild habe allerdings mit Symptomen einer Erkältungskrankheit und entsprechenden Beschwerden der oberen Atemwege begonnen. Seit einigen Tagen haben sich jedoch die Beschwerden in die linksseitige Halsregion lokalisiert und seien in den letzten 48 Stunden sehr heftig geworden.

 

Die körperliche Untersuchung des Patienten bestätigt die subfebrile Temperatursteigerung, weiterhin besteht eine Tachykardie um 100/min.; die Inspektion des Rachens ergibt linksseitig peritonsillär eine massive Schwellung und Rötung ohne einen purulenten Belag mit jedoch deutlicher Einengung auch des hinteren Pharynxbereichs. Eine Abszedierung oder Fluktuation sind nicht nachweisbar. Die Uvula ist geschwollen und zur Gegenseite hin verdrängt.

 

Diagnose und Ätiologie

 

Die Anamnese mit rezidivierenden Tonsillitiden, die einseitige typische Lokalisation und der lokale Befund deuten auf eine ausgeprägte Peritonsillitis mit beginnendem Peritonsillarabszeß hin. Auch die starken Schluckschmerzen sind recht beweisend für diese Infektion. Als bakterielle Erreger dominieren ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A, zumeist besteht jedoch auch eine Mischinfektion aus anaeroben Erregern wie z.B. Bacteroides Spezies. Wegen der Nähe zu den Jugularvenen und auch wegen der möglichen distalen Ausbreitung der Infektion ist ein abwartendes Verhalten in dieser Situation nicht gerechtfertigt.

 

Therapie

 

Bei den geringsten Hinweisen für eine Abszedierung ist eine chirurgische Inzision bzw. eine Tonsillektomie mit Abzeßeröffnung notwendig. Diese sollte allerdings unter einer Antibiotikatherapie erfolgen. Generell sind durchaus Penicillin G (PENICILLIN G JENAPHARM u.a.) oder Penicillin V (ISOCILLIN u.a.) noch wirksam, wegen der allerdings zunehmenden Betalaktamase-Bildung der beteiligten Anaerobier wird heute vermehrt die Behandlung mit einem Aminobenzylpenicillin plus Betalaktamase-Inhibitor, wie z.B. Sulbactam / Ampicillin (UNACID) oder Amoxicillin plus Clavulansäure (AUGMENTAN), empfohlen. Eine wirksame Alternative stellt auch Clindamycin (SOBELIN) dar. Die Dauer der Therapie sollte acht bis zwölf Tage betragen. Häufig ist nach Abklingen des akuten Bildes wegen häufiger Rezidive derartiger Peritonsillarabszesse eine Tonsillektomie etwa sechs Wochen später angezeigt.

 

Ergänzung

 

Therapie des Peritonsillarabszesses

(s. Heft 4, 2016, Archiv Jahrgang 2016)

 

In einer Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie wurde die Antibiotikatherapie bei Patienten mit Peritonsillarabszess untersucht. Bei allen Teilnehmern war zunächst eine Inzision und Drainage durchgeführt worden. Durch die Gabe von Metronidazol (diverse Generika) als Ergänzung zu einem Oralpenicillin konnte die Heilung nicht beschleunigt werden und Rückfälle wurden nicht verhindert. Da gastrointestinale Nebenwirkungen in der Kombinationstherapie häufiger auftraten, wird die zusätzliche Gabe von Metronidazol für die ambulante Therapie nicht empfohlen, zumal die Substanz gegen die dominierenden grampositiven anaeroben Erreger im Oropharynx nicht wirksam ist.

 

Wikstén JE, Pitkäranta A, Blomgren K. Metronidazole in conjunction with penicillin neither prevents recurrence nor enhances recovery from peritonsillar abscess when compared with penicillin alone: a prospective, double-blind,
randomized, placebo-controlled trial. J Antimicrob Chemother. 2016;71:1681-7

 

 

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