Lungenabszess

(aus ZCT Heft 1, 1999, aktualisiert)

 

Kasuistik:

 

Ein 54 Jahre alter Patient kommt in die Praxis und klagt über Nachtschweiß, Fieber bis 39°C seit zwei Wochen und reichlich bis eine halbe Tasse umfassenden eitrigen stinkenden Auswurf. Weiterhin bestehen Inappetenz, gelegentlich Durchfall und Schmerzen in der hinteren oberen Rückenpartie bei tiefem Einatmen. Der Patient ist in der Praxis seit vielen Jahren wegen einer Alkoholkrankheit bekannt; er gibt einen Alkoholexzeß mit nachfolgender Unterkühlung vor etwa fünf Wochen an. Seit dieser Zeit leide er unter Reizhusten, der in den letzten zwei Wochen in einen produktiven Husten umgeschlagen sei. Die körperliche Untersuchung des untergewichtigen Patienten ergibt eine Körpertemperatur von 38,5°C, eine Atemfrequenz von 20/Minute, eine Abschwächung des Klopfschalls dorsal über den mittleren Lungenpartien mit dort auch vorhandenem Bronchialatmen. Weiterhin bestehen typische Befunde wie bei nicht dekompensierter Leberzirrhose.

 

 

Diagnose:

 

Die Anamnese und die erhobenen klinischen Befunde deuten bei diesem Patienten auf eine abszedierende Pneumonie der rechten Lunge hin. Ein sofort angefertigtes Röntgenbild des Thorax bestätigt diesen Verdacht mit einer 5 cm im Durchmesser betragenden Abszedierung im sechsten Segment der rechten Lunge. Im Blutbild besteht eine Leukozytose von 28.000/µl mit deutlicher Linksverschiebung (12 stabkernige Granulozyten); der CRP-Wert ist mit 125 mg/l erhöht. Der Patient wird stationär eingewiesen, um mittels Bronchoskopie eine poststenotische Pneumonie auszuschließen und um zumindest in der Anfangsphase eine parenterale Therapie einzuleiten.

 

 

Pathogenese:

 

Die überwiegende Mehrzahl von Lungenabszessen entsteht aus Aspirationsvorgängen. Hierbei wird oropharyngeales Sekretmaterial bei gestörter bronchioalveolärer Clearance aspiriert, wobei zumeist beim liegenden Patienten die sogenannten Aspirationssegmente der rechten Lunge betroffen sind. Über eine nekrotisierende Pneumonie mit Einschmelzungen des Lungenparenchyms bis zu einem Durchmesser von 2 cm kommt es dann zur Entwicklung eines Lungenabszesses. Selten entstehen solche einschmelzenden entzündlichen Prozesse auch durch septische Metastasen, z.B. bei Rechtsherzendokarditis und sekundär poststenotisch in Folge Bronchusverschluß durch Tumor oder Fremdkörperaspiration. Jeder Lungenabszeß sollte bronchoskopiert werden zur Sicherung der mikrobiellen Ätiologie und zum Ausschluß einer morphologischen oder funktionellen Stenose. Ätiologisch handelt es sich zumeist um Mischinfektionen aus aeroben Keimen wie Staphylokokken, Streptokokken, Klebsiella pneumoniae sowie anaeroben Streptokokken und Bakteroidesarten.

 

 

Therapie:

 

Die Standardtherapie des Lungenabszesses bestand bisher aus der Kombination von Clindamycin (SOBELIN) mit einem parenteralen Cephalosporin [z.B. Cefotaxim (CLAFORAN) oder Cefuroxim (CEFUROXIM u.a.)]. Inzwischen gibt es jedoch auch prospektive randomisierte Studien, die eine Effektivität von Ampicillin plus Sulbactam (UNACID) zeigen konnten. Die Behandlung dieses vital bedrohlichen Krankheitsbildes sollte zunächst parenteral in der Klinik erfolgen, um das Ansprechen der Therapie zu gewährleisten. Nach zehn bis 14 Tagen kann die Behandlung auf eine orale Antibiotikagabe resistenzgerecht umgestellt werden. Die orale Therapie muß bis zum Verschwinden des radiologischen Abszeßbefundes und bis zur Normalisierung der Entzündungsparameter fortgesetzt werden. Dieses kann durchaus über mehrere Monate notwendig sein. Bei Ausschluß einer endobronchialen Stenose kann heute jeder Lungenabszeß konservativ erfolgreich behandelt werden - ein chirurgischer Eingriff oder die Plazierung von sogenannten Spülkathetern ist nicht notwendig.

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