Infektionen durch Bissverletzungen

(aus ZCT Heft 3, 1996)

 

Kasuistik:

 

Ein sechsjähriger Junge wird von seiner Mutter in die Praxis gebracht mit einem kräftigen tiefen Biss der Katze in den rechten Unterarm. Diese Bisswunde ist etwa zwölf Stunden alt und geht durch die nadelspitzen Katzenzähne bis tief in die Haut hinein und grenzt an den Knochenbereich. Es bestehen erhebliche Schmerzen und eine mittelgradige entzündliche Reaktion der Haut mit deutlicher Rötung, Schwellung und beginnender purulenter Sekretion. Fieber wird nicht angegeben und eine Lymphangitis oder Lymphadenitis ist nicht nachweisbar. Eine Knochenbeteiligung erscheint bei der Inspektion der Wunde eher unwahrscheinlich, eine Funktionseinbuße der betroffenen Gliedmaße liegt ebenfalls nicht vor.

 

Bemerkung:

 

Unter den Tierbissverletzungen stehen Hundebisse ganz im Vordergrund, gefolgt von Katzenbissen, die wegen ihrer erheblichen Neigung zu Infektionen mehr als Hundebisse gefürchtet werden. Es wird davon ausgegangen, dass bis zu 50% der Katzenbisswunden sich infizieren, meist als lokale Zellulitis, nicht ganz selten aber auch als septische Arthritis oder Osteomyelitis. Den Hauptanteil der Infektionserreger bildet Pasteurella multocida mit über 50%, der Rest der Erreger verteilt sich auf Staphylococcus aureus, Staphylococcus saprophyticus, Streptokokken und Anaerobier in Mischinfektionen.

 

Therapie:

 

Bei infiziert erscheinenden Bisswunden und solchen, die Gelenk-, Knochen- oder Sehnenbeteiligung vermuten lassen, sollten in jedem Fall bakteriologische Proben entnommen werden. Zumeist kann allerdings eine empirische Therapie begonnen werden. Vorher sollte zur Verminderung der Keimzahl das Wundgebiet mit reichlich physiologischer Kochsalzlösung gespült werden. Von manchen Autoren wird auch die Ausspülung der Punktionswunde mit einer Spritze empfohlen. Die Verwendung antibiotika- oder jodhaltiger Spülflüssigkeiten wird von der Mehrzahl der Autoren abgelehnt, weil sie nach deren Auffassung keine Vorteile bieten, das Gewebe aber zusätzlich irritieren. Die chirurgische Abtragung von nekrotischem Gewebe und die Entfernung von Fremdkörpern sollte sorgfältig unter dem Aspekt des Wundverschlusses, der kosmetischen Wirkung und der Infektionsgefahr erfolgen, um eine Heilung mit möglichst geringen Defekten zu erzielen. Ob ein primärer oder sekundärer Verschluss bei nicht-infizierten Wunden durchgeführt werden soll, wird teilweise noch kontrovers diskutiert. Weitgehende Einigkeit scheint jedoch darin zu bestehen, dass infizierte Wunden oder solche, die später als 24 Stunden in ärztliche Behandlung gelangen, offengehalten werden sollten.

 

Die Gründe für die Manifestation von Infektionen bei Bissverletzungen hängen u.a. ab von der Tierspezies, der Keimzahl der Oralflora, der Virulenz der Erreger, der Lokalisation und Tiefe der Verletzung, der Art und des Umfangs der Gewebedestruktion, der voraus-gegangenen Selbstbehandlung, der Zeitdauer bis zur ärztlichen Konsultation sowie der Immunitätslage des Patienten. Relativ risikoreich sind Verletzungen der Hand, tiefe Punktionen vor allem durch Katzenzähne, tiefe Wunden mit Quetschungen und solche mit starken Ödemen oder an abhängigen Körperpartien, die vermehrt zu Ödembildung neigen.

 

Über die Notwendigkeit einer Antibiotikatherapie bestehen durchaus unterschiedliche Auffassungen. Bei Bissverletzungen im Bereich des Kopfes und des Nackens wird eine acht- bis zehntägige Antibiotikatherapie unabhängig vom Infektionsstatus zu Therapiebeginn empfohlen. Im vorliegenden Falle des Katzenbisses bei dem jugendlichen Patienten wird wegen der eindeutigen Infektionszeichen ebenfalls eine antibiotische Therapie für sinnvoll gehalten, wobei Makrolide, wie z.B. Azithromycin (ZITHROMAX u.a.) oder Roxithromycin (RULID u.a.), Penicilline, wie Propicillin (BAYCILLIN u.a.) oder auch eine Kombination von Ampicillin plus Sulbactam bzw. Amoxicillin plus Clavulansäure.- insbesondere bei P. multocida - eingesetzt werden können.

 

Kuntz, P. et al.

Dtsch Ärztebl 1996; 93:969-972

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