Text aus Heft 2, 2001
Ergänzungen am Ende des Textes
Kasuistik
Eine 23 Jahre alte Patientin erscheint in der Praxis und klagt über seit vier Tagen bestehende Schmerzen beim Urinlassen verbunden mit häufigem Harndrang und Nachträufeln. Vorangegangen war ein 14-tägiger Badeurlaub mit ihrem Freund. Fieber habe sie nicht beobachtet, Appetit und Stuhlgang seien unauffällig gewesen.
Die körperliche Untersuchung ergibt einen völlig normalen physikalischen Befund, die Körpertemperatur ist normal, die Herzfrequenz liegt um 70 / Min. und der Blutdruck bei 120 / 75 mmHg. Auch eine Klopfempfindlichkeit oder ein Druckschmerz im Bereich der Nierenlager lassen sich nicht nachweisen.
Diagnose
Die Anamnese mit dem zweiwöchigen Urlaub (vermehrter Geschlechtsverkehr) und die typischen Symptome deuten auf eine akute Infektion der Harnblase hin. Die sofort vorgenommene Urinsediment-Untersuchung zeigt eine deutliche Leukozyturie ohne Vermehrung der Erythrozyten und auch keine Eiweißausscheidung. Da es sich um die Erstmanifestation eines akuten Harnwegsinfektes handelt, wird zu diesem Zeitpunkt auf eine bakteriologische Untersuchung des Urins auch aus Kostengründen verzichtet.
Pathogenese
Bei jungen, geschlechtsaktiven Frauen sind akute Harnwegsinfektionen, zumeist auf dem aszendierenden Infektionsweg, relativ häufig. In über 80% werden als Erreger E. coli nachgewiesen, seltener Proteus mirabilis, Klebsiellen oder Enterokokken und Staphylococcus saprophyticus. Bei leerer Anamnese bezüglich urogenitaler Vorerkrankungen oder auch urologischer Manipulationen ist eine weitergehende Diagnostik nicht notwendig.
Therapie
Bei jüngeren Frauen mit einer akuten unkomplizierten Harnwegsinfektion kann eine Einmaltherapie ausreichend sein, wobei heute allerdings wieder die Tendenz zu einer Dreitagesbehandlung besteht. Als Substanzen kommen Cotrimoxazol (EUSAPRIM u.a.), Trimethoprim (TMP-ratiopharm u.a.) oder Chinolone der Gruppen I und II, wie zum Beispiel Norfloxacin (BARAZAN), Ofloxacin (TARIVID) oder Ciprofloxacin (CIPROBAY) in Betracht. Die subjektiven Beschwerden sollten unter dieser Therapie innerhalb von 48 Stunden verschwinden, andernfalls ist eine weitergehende Diagnostik notwendig.
Ergänzung
Einen Übersichtsartikel zur Therapie der akuten unkomplizierten Zystitis und Pyelonephritis finden Sie im Heft 3, 2012, die Zusammenfassung des Beitrags lesen Sie hier:
Die vermehrten Resistenzen von uropathogenen Enterobakterien, insbesondere E. coli, erschweren in den letzten Jahren zunehmend die empirische Antibiotikatherapie der sehr häufig auftretenden unkomplizierten akuten Zystitis und Pyelonephritis. Bei der Auswahl der empfohlenen Antibiotika sollten die allergische Disposition des Patienten, die lokale Resistenzsituation sowie die Verfügbarkeit und die Kosten der jeweiligen Substanz berücksichtigt werden. In den internationalen Leitlinien wird ein Unterschied vorgenommen zwischen Erstlinien- und Zweitlinientherapeutika, wobei neben der klinischen Wirksamkeit in kontrollierten Studien auch die unerwünschten Wirkungen mit berücksichtigt werden. Nitrofurantoin (FURADANTIN u.a.), Cotrimoxazol (EUSAPRIM u.a.) und Fosfomycin-Trometamol (MONURIL) sind die empfohlenen Erstlinientherapeutika, die durch hohe klinische Wirksamkeit, geringe Auswirkungen auf die körpereigene Flora und günstige Kosten überzeugen. Die spezifischen Unverträglichkeits-reaktionen dieser Substanzen sollten dem behandelnden Arzt bekannt sein, obwohl in der Regel eine Kurzzeittherapie für nur drei bis fünf Tage bzw. eine Einmaldosierung für eine insgesamt gute Verträglichkeit sorgen.
Ergänzung
Einen Übersichtsartikel zur Therapie des unkomplizierten Harnwegsinfektes bei Erwachsenen finden Sie im Heft 5, 2013, die Zusammenfassung des Beitrags lesen Sie hier:
Die Behandlung der akuten Zystitis bei der prämenopausalen Frau kann prinzipiell empirisch mit einer Kurzzeittherapie erfolgen. Die Auswahl der Antibiotika sollte sich an den führenden Keimen, insbesondere an der lokalen Resistenz von E. coli orientieren.
Umfangreiche Studien in Europa haben gezeigt, dass für die empirische Therapie mit noch hoher antibakterieller Aktivität gegen mehr als 90% der Stämme nur noch Fosfomycin (MONURIL), Pivmecillinam (in Deutschland nicht im Handel) und Nitrofurantoin (FURADANTIN u.a.) in Betracht kommen.
Bei der akuten Pyelonephritis liegt prinzipiell das gleiche Erregerspektrum wie bei der akuten Zystitis vor, jedoch müssen wirksame Gewebespiegel erreicht werden, was nur mit Fluorchinolonen, wie Ciprofloxacin (CIPROBAY u. a.) sowie Levofloxacin (TAVANIC u. a.) erreicht werden kann. Auch die Therapiedauer bei der Pyelonephritis ist mit 10 bis 14 Tagen deutlich länger.
Ergänzung 2015
Seit 2015 ist Pivmecillinam (X-SYSTO) in Deutschland im Handel. Es ist zur Therapie einer akuten unkomplizierten Zystitis geeignet. Es wurde in den 1980er Jahren auch in Kombination mit Pivampicillin angeboten, diese Kombination ist aus dem Handel.
Ein weiteres Arzneimittel, das bei akuten Infektionen der ableitenden Harnwege angewandt werden kann, ist Nitroxolin (NITROXOLIN FORTE). Eine Kurzbeschreibung des Arzneimittels erschien in Heft 1, 2018 dieser Zeitschrift.
Ergänzung 2018
Eine aktualisierte AWMF-Leitlinie Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter bakterieller ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten wurde 2017 veröffentlicht.
Fluorchinolone werden demnach nicht mehr als Antibiotika der ersten Wahl für die Therapie der unkomplizierten Zystitis empfohlen, da sie nach wie vor als Breitspektrum-Antibiotika bei anderen Indikationen eingesetzt werden (müssen) und für die Therapie der unkomplizierten Zystitis auch andere, ausschließlich dafür zur Verfügung stehende Antibiotika vorhanden sind. Trotzdem sollten sie für besondere Situationen, z. B. Versagen der Ersttherapie, berücksichtigt werden.