Orale Cephalosporine - Einteilung der PEG

(aus ZCT 3-2000)

Die Oralcephalosporine haben wegen ihrer Wirksamkeit, guten Verträglichkeit und einfachen Verabreichung einen hohen Stellenwert in der Therapie von bakteriellen Infektionskrankheiten. Sie besitzen ganz besonders für die Behandlung von Kindern eine große Bedeutung, weil einige bei Erwachsenen bewährte antibakterielle Chemotherapeutika wie z.B. die Chinolone oder die Tetrazykline für die Therapie bei Kindern nicht oder nur eingeschränkt zugelassen sind. 

In Deutschland und in den deutschsprachigen Nachbarländern sind mindestens zehn Oralcephalosporine zugelassen (Tab. 1), die zwar im Wirkungsmechanismus übereinstimmen, sich aber hinsichtlich mikrobiologischer und pharmakokinetischer Wirksamkeit und Verträglichkeit unterscheiden. Hinzu kommen zahlreiche Generika und Reimporte. Weiterhin wird das einzige orale Carbacephem Loracarbef aus praktischen Gründen zu den Oralcephalosporinen gerechnet. Aus alledem ergibt sich, dass hierzulande über 60 Handelspräparate von oral verabreichbaren Cephalosporinen zur Verfügung stehen. Für den behandelnden Arzt kann eine Einteilung deshalb hilfreich sein, die ihn in seiner Therapieentscheidung unterstützt. 

Von einer Expertengruppe der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG) wurde deshalb vorgeschlagen, die Oralcephalosporine unter primärer Berücksichtigung des antibakteriellen Spektrums in drei Gruppen einzuteilen. 

Es bestehen natürlich Korrelationen zwischen der chemischen Struktur und der antibakteriellen Aktivität bzw. gewissen pharmakokinetischen Eigenschaften. So sind zum Beispiel alle Cephalosporine der Gruppe 3 nicht nur besonders wirksam im gramnegativen Bereich des Spektrums, sondern sie stellen auch alle sogenannte Aminothiazol-/Oxim-Derivate dar, während die Cephalosporine der Gruppen 1 und 2 als Glycyl-Cephalosporine bezeichnet werden können (Ausnahme: Cefuroximaxetil). Schließlich sei darauf hingewiesen, dass Cefuroximaxetil, Cefpodoximproxetil und Cefetametpivoxil als Esterverbindungen vorliegen (Prodrug-Cephalosporine). Sie werden nach der Resorption in der Mucosa des Dünndarms gespalten, dadurch werden die aktiven Molekülbestandteile freigesetzt. Die Bioverfügbarkeit dieser Cephalosporine läßt sich durch Nahrungsaufnahme verbessern. Ein Nachteil ist der bittere Geschmack, der sich auch durch aromatische Saftzubereitungen nicht völlig beseitigen läßt. 

Die Reihenfolge der Oralcephalosporine innerhalb einer Gruppe (s. Abbildung) soll die ansteigende In-vitro-Aktivität auf der Grundlage der minimalen Hemmkonzentrationen in Bezug zu den bei den Hauptindikationen vorkommenden Erregern verdeutlichen. Pharmakokinetische Parameter und Dosierungsempfehlungen sind in Tabelle 1 angegeben. 

Wie immer gibt es, wenn Grenzen gezogen werden, Übergänge. So könnte Cefaclor auch zur Gruppe 2 gerechnet werden und Cefpodoximproxetil mit einer Aktivität gegen S. aureus, die geringer als die von Cefuroximaxetil ist, aber größer als die von Cefetamet, Ceftibuten und Cefixim, zwischen Gruppe 2 und 3 eingeordnet werden. 

 

 

Oralcephalosporine der Gruppe 1

 

Oralcephalosporine der Gruppe 1 haben keine (Cefalexin, Cefadroxil) oder nur eine eingeschränkte Aktivität (Cefaclor) gegen H. influenzae. Hauptindikationen sind Haut- und Weichteilinfektionen und – mit Einschränkung - auch Infektionen der Atemwege. 

 

 

Oralcephalosporine der Gruppe 2

 

Die Aktivität von Cefprozil gegen S. aureus, S. pyogenes, S. pneumoniae, H. influenzae und M. catarrhalis ist etwas stärker als die von Cefaclor; gegen E. coli, K. pneumoniae und P. mirabilis ist Cefprozil weniger aktiv als Cefaclor. 

Loracarbef ist strukturell eng mit Cefaclor verwandt. Es ist in vitro sehr stabil und besitzt eine bessere Pharmakokinetik und ein verbreitertes Wirkungsspektrum. Die Wirksamkeit gegen Staphylokokken ist etwas schwächer als bei Cefaclor. Die Hauptindikationen sind bakterielle Atemwegs-, Haut- und Weichteilinfektionen sowie unkomplizierte Harnwegsinfektionen. Für die kalkulierte Therapie der Otitis media bei Kindern kann Loracarbef aufgrund unzureichender Studien nur bedingt empfohlen werden. Loracarbef ist für das erste Lebenshalbjahr nicht zugelassen. 

Cefuroximaxetil hat eine höhere ß-Laktamasestabilität und damit ein erweitertes antibakterielles Spektrum. Es kann bei bakteriellen Infektionen der oberen (einschließlich Otitis media) und unteren Atemwege, Haut- und Weichteilinfektionen sowie Harnwegsinfektionen eingesetzt werden. Außerdem ist es für die Behandlung des ersten Stadiums der Lyme-Borreliose (Erythema migrans) geeignet. 

 

 

Oralcephalosporine der Gruppe 3

 

Die Oralcephalosporine der Gruppe 3 haben eine höhere Aktivität und ein breiteres Spektrum gegen gramnegative Erreger als die der Gruppe 2. Demgegenüber steht jedoch die geringere Aktivität gegen grampositive Erreger. Gegen Staphylokokken besitzt Cefpodoximproxetil eine mittlere Aktivität (s.o.), während Cefetametpivoxil, Ceftibuten und Cefixim unwirksam sind. Darüber hinaus hat Ceftibuten auch gegen Pneumokokken und B-Streptokokken nur eine eingeschränkte Wirksamkeit. Andererseits sind die verlängerte Halbwertzeit und die hohe ß-Laktamasestabilität des Ceftibutens von Vorteil. 

Indikationen für Cephalosporine der Gruppe 3 sind vor allem komplizierte Infektionen der Atemwege, wenn nicht Staphylokokken als Erreger erwartet werden, und Krankheiten durch Enterobacteriaceae wie Harnwegsinfektionen und Infektionskrankheiten immundefizienter Patienten. Cephalosporine der Gruppe 3 eignen sich auch zur Sequenztherapie, also wenn nach Einleitung einer parenteralen Therapie die Behandlung per os fortgesetzt werden soll. Außerdem ist Cefixim für die Behandlung der unkomplizierten Gonorrhö zugelassen. 

 

 

Zusammenfassung

 

Die Oralcephalosporine wurden von einer Expertengruppe der PEG in drei Gruppen eingeteilt. Dies erfolgte unter primärer Berücksichtigung des antibakteriellen Spektrums. Von praktischer Bedeutung ist unter anderem die Tatsache, dass einige der neueren Substanzen nicht mehr ausreichend gegen Staphylokokken wirksam sind. Insgesamt stellt die Einteilung eine sinnvolle Maßnahme dar, um diese relativ umfangreiche Arzneimittelgruppe übersichtlicher zu machen. 

SCHOLZ, H., NABER, K.G und die Expertengruppe der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. Chem. J. 1999; 8: 227-229

 

 

Tabelle 1: Wichtige pharmakokinetische Daten und Dosierungen von Oralcephalosporinen
(F = Bioverfügbarkeit, Cmax = maximale Plasmakonzentration, t1/2 = Halbwertzeit

 

 

INN

 (Einzel-dosis)

Handels-

name

F [%]

Cmax

 [mg/l]

t½ [h]

Gaben

 /

Tag

Dosierung

 

 

 

 

 

 

Kinder

Erwachsene

 

 

 

 

 

 

[mg/kg

/Tag]

[g/Tag]

Gruppe 1

 

 

 

 

 

 

 

Cefalexin

 (500 mg)

ORACEF

 u.a.

95

12 –

15

0,9 –

1,2

3

25 –

100

3,0

Cefadroxil

(500 mg)

BIDOCEF

u.a.

90

12 –

16

1,2 –

 1,6

2

50 –

100

2,0

Cefaclor

(500 mg)

PANORAL

u.a.

90 –

95

15

0,75

3

30 –

50

(-100)

1,5 - 3,0

Gruppe 2

 

 

 

 

 

 

 

Cefprozil*

 (500 mg)

CEFZIL

80 –

90

11 –

 13

1,0 –

1,3

2

30

0,5 –

1,0

Loracarbef

(400 mg)

LORAFEM

90

19

0,8 –

1,2

2

15 –

30

0,4 –

0,8

Cefuroxim

(250 mg)

ELOBACT

u.a.

40 –

451

4 –

6

1,3 –

 1,6

2

20 –

30

0,5 –

1,0

Gruppe 3

 

 

 

 

 

 

 

Cefpodoxim

(200 mg)

ORELOX

u.a.

501

2,5 –

4

2,6

2

5 –

12

0,4 –

0,8

Cefetamet

(500 mg)

GLOBOCEF

40 –

501

5

2,3

2

10 –

 20

1,0

Ceftibuten

(200 mg)

KEIMAX

70 –

90

10

2,5

1

9

0,4 –

0,8

Cefixim

(200 mg)

CEPHORAL

 u.a.

40 –

50

2,5 - 3

3,2 –

3,9

1 - 2

8 –

12

0,4 –

0,8

1Bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme erhöht sich der Wert um 10 - 30 %. * In Deutschland nicht zugelassen.

Eine Beschreibung der Eigenschaften der neueren Oralcephalosporine erfolgte zum Zeitpunkt der Markteinführung in der Rubrik "Neueinführungen" in dieser Zeitschrift (Cefadroxil: 2/1980; Cefuroxim-Axetil:4/1989; Cefixim: 3/1991; Cefpodoxim-Proxetil: 1/1992; Loracarbef: 6/1993; Ceftibuten: 2/1994; Cefetamet-Pivoxil: 1/1995).

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