Eine Unterscheidung in die Gruppen I und II ist deshalb sinnvoll, weil die beiden Vertreter der Gruppe I in Deutschland lediglich in oraler Form und im wesentlichen für die Therapie von
Harnwegsinfektionen zum Einsatz kommen. Darüber hinaus hat Norfloxacin auch die bakterielle Enteritis, Gonorrhö und Prostatitis als Indikation. Aufgrund seiner
pharmakokinetischen Eigenschaften (Halbwertzeit zehn bis zwölf Stunden) ist Pefloxacin zur Einmaltherapie der unkomplizierten Zystitis zugelassen. (Anmerkung: Pefloxacin ist in Deutschland
nicht mehr im Handel).
Die in der Guppe II aufgeführten Substanzen haben im wesentlichen eine hohe bzw. sehr hohe In-vitro-Aktivität gegen Enterobakterien und Haemophilus influenzae. Sie besitzen jedoch nur mittlere
bzw. schwächere antibakterielle Aktivität gegen Staphylokokken, Pneumokokken, Enterokokken und "atypische" Erreger (z. B. Chlamydien, Mykoplasmen). Die In-vitro-Aktivität gegenüber Pseudomonas
aeruginosa ist unterschiedlich; Ciprofloxacin gehört zu den aktivsten Fluorchinolonen gegen diesen Erreger.
Die Vertreter der Gruppe II sind, abgesehen von Enoxacin, das in Deutschland nicht mehr im Handel ist, sowohl oral als auch parenteral einsetzbar. Dazu kommt im Gegensatz zur Gruppe I ein
wesentlich breiteres Indikationsspektrum. Dies umfaßt als Hauptindikationen neben Harnwegsinfektionen auch Infektionen der Atemwege, insbesondere verursacht durch gramnegative Erreger, Haut-,
Weichteil- sowie Knocheninfektionen und systemische Infektionen bis hin zur Sepsis. (Anmerkung: Fleroxacin ist in Deutschland nicht mehr im Handel)
Levofloxacin (TAVANIC u.a.), das als linksdrehendes Enantiomer des Razemats Ofloxacin die Hälfte von Ofloxacin ausmacht und der eigentliche Anteil der
antibakteriell wirksamen Substanz von Ofloxacin ist und deshalb über das gleiche antibakterielle Spektrum wie Ofloxacin verfügt, besitzt auch sehr ähnliche
pharmakokinetische Eigenschaften wie Ofloxacin. Damit ist für Levofloxacin naturgemäß ein potentiell ähnliches Einsatzgebiet wie für Ofloxacin denkbar. Deshalb könnte es aus systematischen Gründen
auch der Gruppe II zugerechnet werden. Da Levofloxacin gegenüber Ofloxacin aber über eine doppelt so hohe antibakterielle Aktivität in vitro verfügt und auch in höherer Dosierung zum klinischen
Einsatz kommen kann, hat Levofloxacin auch die Pneumokokken-Pneumonie als Indikation. Aus diesem Grund wurde Levofloxacin der Gruppe III zugeordnet. Die definitive Gruppenzuordnung von Levofloxacin
wurde von der Expertengruppe allerdings kontrovers diskutiert.
Die Gruppen III und IV unterscheiden sich von der Gruppe II im wesentlichen dadurch, daß im Gegensatz zur Gruppe II die intrinsische Aktivität gegen grampositive Erreger wie Staphylokokken,
Streptokokken, Pneumokokken und Enterokokken höher ist - bei vergleichbarer Aktivität gegen gramnegative Erreger. Dazu kommt die verbesserte Aktivität gegen sog. atypische Erreger, z. B. Chlamydien,
Mykoplasmen und in Gruppe IV auch eine verbesserte Aktivität gegen Anaerobier. Diese Substanzen haben im allgemeinen eine hohe Bioverfügbarkeit und längere Halbwertzeiten als die meisten Substanzen
der Gruppen I und II, außer Pefloxacin (I) und Fleroxacin (II).
Sie unterscheiden sich durch ihr renales Ausscheidungsverhalten. Eine relativ geringe Ausscheidung über die Nieren liegt bei Grepafloxacin, Moxifloxacin, Sparfloxacin und Trovafloxacin vor. Daraus ergeben sich für die Substanzen der Gruppen
III und IV als Hauptindikation alle Formen von Atemwegsinfektionen und - je nach renalem Ausscheidungsverhalten - auch Harnwegsinfektionen. (Anmerkung: Grepafloxacin und Sparfloxacin, (Guppe
III) sind nicht mehr im Handel.)
Von den Substanzen der Gruppe IV ist nur Moxifloxacin im Handel verfügbar. Clinafloxacin und Gemifloxacin sind nicht im Handel. Es kann für die
Substanzen dieser Gruppe noch nicht abschließend beruteilt werden, inwieweit Indikationen wie z. B. Haut-, Weichteil-, Knocheninfektionen, abdominale Infektionen oder systemische Infektionen bis hin
zur Sepsis und zur Meningitis als Einsatzgebiete in Frage kommen werden.
Die Zulassung von Trovafloxacin wurde von der europäischen Zulassungsbehörde EMEA im Sommer 1999 wegen hepatischer Unverträglichkeitsreaktionen suspendiert.
ZUSAMMENFASSUNG DER AUTOREN: Die Gruppe der Chinolone hat sich mittlerweile zu einer großen Substanzklasse entwickelt, deren Unterteilung sich an dem antibakteriellen Spektrum, der Pharmakokinetik
und den klinischen Indikationen orientieren sollte. Da jedoch bei der Gruppeneinteilung nicht alle, sondern nur die Hauptindikationen berücksichtigt werden können und sich die Substanzen auch
innerhalb einer Gruppe z. B. hinsichtlich Pharmakokinetik und Verträglichkeit unterscheiden, muß sich der Arzt im Einzelfall noch nach den substanzspezifischen Indikationen richten.
Literatur:
Naber, K. et al. Münch. Med. Wschr. 1998; 140: 248-250
oder
Naber et al., Classification of fluoroquinolones. Int.
J. Antimicrob. Agents 1998; 10:255-257
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