Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes
Ganciclovir (CYMEVEN) weist in vitro eine hohe Aktivität gegen Cytomegalie-Viren (CMV) auf: die IC50 (halbmaximale Hemmkonzentration) liegt bei 0,08
bis 14 µM (= 3,5 mg/l). Auch im klinischen Einsatz hat sich das Virustatikum bei der Behandlung von Infektionen durch das Cytomegalie-Virus bewährt. Allerdings können bei chronischer Anwendung
resistente Viren auftreten. Bei diesen Mutanten erfolgt keine Umwandlung in Ganciclovir-Monophosphat (Veränderung in der viralen Kinase) oder das virale Polymerasegen ist verändert.
Als Nachteil von Ganciclovir muss die geringe Bioverfügbarkeit angesehen werden: nur etwa 6% einer oral gegebenen Ganciclovir-Dosis werden vom Magen-Darm-Trakt resorbiert. Damit verbunden ist eine
große Variabilität der Plasmaspiegel und eine bessere Bioverfügbarkeit ist daher wünschenswert. Durch die Entwicklung von Valganciclovir (VALCYTE) konnte dieses Ziel erreicht werden (1).
Strukturformel Valganciclovir. Das Nukeosidanalogon Ganciclor wurde mit der Aminosäure Valin verestert, um die Bioverfügbarkeit zu erhöhen.
Valganciclovir ist der L-Valinester von Ganciclovir. Eine entsprechende Änderung des Moleküls führte bereits bei Aciclovir (div. Handelsnamen) zu dem besser resorbierbaren Valaciclovir (VALTREX). Auch bei Ganciclovir konnte durch die
Veresterung eine deutliche Steigerung der Bioverfügbarkeit erreicht werden. Das Prodrug wird nach oraler Gabe gut resorbiert, die Bioverfügbarkeit beträgt etwa 60%; in der Darmwand und der Leber wird
aus dem Ester rasch Ganciclovir freigesetzt. Die resultierenden Konzentrationen sind mit denen nach intravenöser Gabe vergleichbar, wie bei HIV-Patienten festgestellt wurde: die AUC-Werte von
Ganciclovir lagen nach zweimal täglicher Infusion von 5 mg/kg bei 28,6 +/- 9 mg x h / l im Vergleich zu 32,8 +/- 10,1 mg x h / l nach oraler Gabe von zweimal täglich 900 mg Valganciclovir
(1,2).
Die Bioverfügbarkeit der Substanz wird bei gleichzeitiger Einnahme mit einer Mahlzeit um etwa ein Drittel erhöht, gleichzeitig nimmt die interindividuelle Variabilität der Resorption ab. Es wird
daher empfohlen, das Medikament zusammen mit einer Mahlzeit einzunehmen. Zur Initialtherapie bei Patienten mit CMV-Retinitis sollen 900 mg Valganciclovir drei Wochen lang zweimal täglich genommen
werden, während der Erhaltungstherapie erfolgt dann die Einnahme in der gleichen Dosierung nur einmal täglich. Bei Verschlechterung der Retinitis kann die Initialtherapie wiederholt werden, eine
mögliche Resistenzentwicklung der Erreger muss jedoch in dieser Situation ebenfalls in Betracht gezogen werden (2,3).
Ganciclovir wird fast ausschleißlich über die Niere durch glomeruläre Filtration und tubuläre Sekretion mit einer Halbwertzeit von etwa vier Stunden ausgeschieden. Eine Abnahme der Nierenfunktion
führt zur verzögerten Ausscheidung. Bei einer Kreatinin-Clearance von 40 bis 60 ml / min wird die Dosierung während der Initial- und Erhaltungstherapie halbiert, bei einer weiter fortgeschrittenen
Niereninsuffizienz muss die Dosis weiter reduziert und das Dosierungsintervall verlängert werden, bei dialysepflichtigen Patienten soll das Arzneimittel nicht angewandt werden (1,4) (Weitere Angaben
zur Dosierung bei Niereninsuffizienz: siehe unten).
In einer Studie an insgesamt 160 Patienten mit neu diagnostizierter CMV-Retinitis wurde die vierwöchige Initialtherapie mit intravenös verabreichtem Ganciclovir mit der oralen
Valganciclovir-Behandlung verglichen; in beiden Gruppen wurde anschließend Valganciclovir zur Erhaltungstherapie gegeben. Sowohl hinsichtlich der Wirksamkeit als auch der Verträglichkeit waren beide
Behandlungen vergleichbar. Ein zufriedenstellendes Ergebnis der Initialtherapie wurde bei 72% (orale Therapie) bzw. 77% (intravenöse Therapie) der Patienten festgestellt. Die Zeitdauer, angegeben als
Medianwerte, bis zur Progression der Retinitis betrug 125 (intravenöse Therapie) und 160 Tage (orale Therapie) (5).
Die in präklinischen Untersuchungen festgestellte Toxizität von Valganciclovir entspricht den Befunden mit Ganciclovir. Toxische Wirkungen treten im Tierexperiment bereits bei
Ganciclovir-Konzentrationen auf, die beim Menschen während der Therapie erreicht werden. Ganciclovir verursachte in toxikologischen Studien unter anderem Gonadotoxizität (Hodenzellverlust) mit
reduzierter Fertilität, Nephrotoxizität und Myelotoxizität; es ist außerdem mutagen, teratogen und kanzerogen. Bei therapeutischer Anwendung kommt es häufig zu Neutropenie, Anämie, Übelkeit und
Diarrhö, sowie Dermatitis. Zahlreiche andere unerwünschte Wirkungen wurden beobachtet, alle waren jedoch bereits auch unter der Behandlung mit Ganciclovir aufgetreten. Die Effekte wurden teilweise
als schwerwiegend und lebensbedrohlich eingestuft.
Valganciclovir (VALCYTE) ist ein Prodrug von Ganciclovir (CYMEVEN) mit guter Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe. Es wird zur Behandlung der CMV-Retinitis bei HIV-Patienten angewandt. Die orale
Therapie entspricht hinsichtlich der Wirksamkeit der intravenösen Behandlung mit Ganciclovir. Die Resistenzentwicklung der Viren bei chronischer Gabe und die zum Teil schwerwiegenden,
lebensbedrohlichen unerwünschten Wirkungen machen deutlich, dass die Therapie der CMV-Retinitis durch Valganciclovir zwar einfacher geworden ist, aber die grundsätzlichen Probleme der Therapie
unverändert weiter bestehen.
1. Fachinformation VALCYTE, Hoffmann-La Roche AG, Grenzach-Wyhlen, Mai 2002
2. CURRAN
M, NOBLE S. Valganciclovir.
Drugs.
2001;61(8):1145-50.
3. COCOHOBA
JM, MCNICICHOLL IR. Valganciclovir:
an advance in cytomegalovirus therapeutics.
Ann
Pharmacother. 2002 Jun;36(6):1075-9.
4. CZOCK
D, SSCHOLLE C et al. Pharmacokinetics
of valganciclovir and ganciclovir in renal impairment.
Clin
Pharmacol Ther. 2002 Aug;72(2):142-50.
5. MARTIN
DF, SIERRA-MADERO J et al. A
controlled trial of valganciclovir as induction therapy for
cytomegalovirus
retinitis. N Engl J Med. 2002 Apr 11;346(15):1119-26.
Dosierung von Valganciclovir bei Niereninsuffizienz
Creatinin Clearance |
Initialtherapie (erste 3 Wochen) |
Erhaltungstherapie |
³ 60 |
900 mg |
900 mg |
40-59 |
450 mg |
450 mg |
25-39 |
450 mg |
450 mg |
10-24 |
450 mg |
450 mg |
< 10 |
Für dialysepflichtige Patienten kann keine Dosisempfehlung gegeben werden. Daher soll Valcyte bei diesen Patienten nicht angewendet werden. |
Ergänzungen (September 2007)
Seit der Erstellung und Veröffentlichung dieses Artikels in der Zeitschrift für Chemotherapie (Heft 2, 2003) sind zahlreiche weitere Arbeiten über Valganciclovir publiziert worden. Insbesondere soll an dieser Stelle auf die folgenden Arbeiten hingewiesen werden:
1. BIRON
KK. Antiviral
drugs for cytomegalovirus diseases.
Antiviral
Res. 2006 Sep;71(2-3):154-63
2. HODSON
EM, JONES CA et al. Antiviral
medications to prevent cytomegalovirus disease and early death
in recipients of solid-organ transplants: a systematic review of randomised controlled
trials. Lancet. 2005;365:2105-15.
3. CVETKOVIC RS, WELLINGTON K. Valganciclovir: a review of its use in the management of CMV infection and disease in immunocompromised patients. Drugs. 2005; 65(6):859-78.