SHINGRIX - ein neuer Impfstoff gegen Herpes zoster

Unveränderter Text aus Heft 6, 2018

 

Etwa 400.000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich an einem Herpes zoster (“Gürtelrose”), der durch eine Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus (VZV) nach einer zuvor durchgemachten Windpocken-Erkrankung verursacht wird. Zwei Drittel der Patienten sind älter als 50 Jahre. Das Lebenszeitrisiko liegt bei 30% - bei einer von drei Personen, die das Virus in sich tragen, kommt es zu einer Reaktivierung. Eine häufige und oftmals schwerwiegende Komplikation ist die postherpetische Neuralgie, die zu schweren, lang anhaltenden Schmerzen führen kann. Zwar lässt sich ein Zoster durch Virustatika, wie Valaciclovir (VALTREX u.a.) behandeln, doch häufig wird die Therapie zu spät begonnen und die neuralgischen Schmerzen werden kaum beeinflusst (siehe Heft 4, 2008 dieser Zeitschrift; www.infektio.de, Archiv).

 

Bereits seit einigen Jahren steht der Lebendimpfstoff ZOSTAVAX zur Prophylaxe zur Verfügung.1 Ebenso wie die Varizellen-Vakzine VARIVAX enthält dieser Impfstoff den VZV-Stamm “Oka”, allerdings wird zur Zoster-Prophylaxe eine mindestens 14-mal höhere Dosis verabreicht (siehe Heft 5, 2010, www.infektio.de, Archiv). Problematisch ist die begrenzte Wirkdauer des Impfstoffs. Sowohl die Wahrscheinlichkeit an Herpes zoster zu erkranken als auch die Schwere der Erkrankung nehmen mit dem Alter deutlich zu. Die Wirksamkeit der ZOSTAVAX-Impfung hingegen nimmt mit zunehmendem Alter ab und reicht von etwa 70 % bei den 50- bis 59-Jährigen über 41 % bei den 70- bis 79-Jährigen bis zu weniger als 20 % bei den ≥ 80-Jährigen. Die Schutzdauer der Impfung ist nur für wenige Jahre belegt. Bei Patienten mit Immunsuppression ist der Impfstoff kontraindiziert, denn die Verabreichung kann zu einer schwerwiegenden, disseminierten Erkrankung durch das Virus führen.

 

Tabelle:

Vergleich der beiden verfügbaren Impfstoffe zur Prophylaxe des Herpes zoster

 

 

SHINGRIX

 

ZOSTAVAX

 

 

Hersteller

 

GSK

 

MSD

 

EU-Zulassung seit

2018

2008 (in der jetzigen Form seit 2013 in Deutsch-land verfügbar)*

Art der Vakzine

adjuvantierter Subunit-Totimpfstoff

 

50 µg Glykoprotein-E-Antigen des Virus (hergestellt mittels rekombinanter DNA-Technologie),

adjuvantiert mit Pflanzenextrakt aus Quillaja saponaria (50 µg) plus 3-O-Desacyl-4’-monophosphoryl-Lipid A aus Salmonella minnesota (50 µg)

attenuierter Lebendimpfstoff

 

 

Varizella-Zoster-Virus, Stamm oka,

mind. 19.400 plaquebildende Einheiten

Packungsinhalt,

Rekonstitution

2 Durchstech-flaschen:

a) Pulver (lyophilisiertes Antigen)

b) Suspension (Adjuvans)

Verabreichung unmittelbar nach Rekonstitution empfohlen (Aufbewahrung max. 6 Std im Kühlschrank)

2 Fläschchen oder Fertigspritze mit Pulver und Lösungsmittel zur Rekonstitution (0,65 ml)

Verabreichung innerhalb von 30 Minuten nach Rekonstitution

 

Aufbewahrung

 

Lagerung bei 2º C bis 8º C (nicht einfrieren)

Lagerung bei 2º C bis 8º C (nicht einfrieren*)

Dosierung

 

2 Dosen à 0,5 ml

im Abstand von 2 (bis 6) Monaten

1 Dosis à 0,65 ml

 

Injektionsart

ausschließlich intramuskulär

(vorzugsweise M. deltoideus)

subkutan oder

intramuskulär

Empfehlung des ACIP**

Erwachsene ab 50 Jahren ohne Immunsuppression, einschl. der Patienten, die zuvor ZOSTAVAX erhalten hatten

Erwachsene ab 60 Jahren ohne Immunsuppression

 
* der zunächst zugelassene Impfstoff musste tiefgefroren gelagert werden
** Advisory Committee on Immunization Practices

Neu entwickelt: Antigen E-basierter Impfstoff

 

Angesichts dieser unbefriedigenden Situation ist die Einführung eines neuen Impfstoffs von Interesse. Unter dem Handelsnamen SHINGRIX wird ein Subunit-Impfstoff angeboten, der das virale Oberflächenantigen E enthält (Tabelle). Antigen E ist das häufigste Glykoprotein auf VZV-infizierten Zellen und die wesentliche Zielstruktur für VZV-spezifische Antikörper und T-Zellen. Es wird biotechnologisch in CHO-Zellen hergestellt, 50 µg des rekombinanten Proteins ist in einer Dosis des Impfstoffs enthalten. Durch Zusatz des speziell entwickelten Adjuvans AS01B lässt sich die immunologische Wirksamkeit erheblich erhöhen. AS01B enthält 50 µg phosphoryliertes Lipid A, einen Agonisten am Toll-like-Rezeptor TLR4, sowie 50 µg des Pflanzenextrakts QS21 aus der Pflanze Quillaja saponaria (“Seifenrindenbaum”).2

 

SHINGRIX ist indiziert zur Verhinderung von Herpes zoster und postherpetischer Neuralgie bei Erwachsenen im Alter von 50 Jahren und älter. Das Grundimmunisierungsschema besteht aus zwei Dosen mit jeweils 0,5 ml. Nach der ersten Dosis folgt eine zweite Dosis zwei bis sechs Monate später.

 

Wirksamkeit

 

In zwei Placebo-kontrollierten Studien mit SHINGRIX wurden gut 15.000 (ZOE-50) bzw. knapp 14.000 (ZOE-70) Teilnehmer im Alter von 50 bzw. 70 Jahren und älter randomisiert und erhielten im Abstand von zwei Monaten zwei Dosen entweder den Impfstoff oder Placebo.3,4,5

 

Die Ergebnisse zur Wirksamkeit gegen Herpes zoster und postherpetischer Neuralgie, die in der modifizierten geimpften Gesamtkohorte (mTVC = „modified Total Vaccinated Cohort“) ermittelt wurden, belegen die hohe Effektivität der Impfung. SHINGRIX senkte die Häufigkeit eines Zosters im Vergleich zu Placebo signifikant sowohl bei Studienteilnehmern im Alter von 50 Jahren und älter (6 Fälle gegenüber 210 Fällen in ZOE-50) als auch bei Studienteilnehmern im Alter von 70 Jahren und älter (25 Fälle gegenüber 284 Fällen in der gepoolten Analyse von ZOE-50 und ZOE-70).

 

Auch die Häufigkeit einer postherpetischen Neuralgie war im Vergleich zu Placebo signifikant reduziert: kein Fall gegenüber 18 Fällen in der Studie ZOE-50 und vier Fälle gegenüber 36 Fällen in der gepoolten Analyse von ZOE-50 und ZOE-70. Die mittlere Nachbeobachtungszeit lag bei vier Jahren. Im vierten Jahr nach der Impfung war die Wirksamkeit gegen Herpes zoster bei Studienteilnehmern im Alter von 50 Jahren und älter 93,1 % und bei Studienteilnehmern im Alter von 70 Jahren und älter 87,9 %. Die Schutzdauer über vier Jahre hinaus wird derzeit untersucht. Immunogenitätsdaten liegen für einen Zeitraum von neun Jahren vor und belegen eine anhaltende Immunantwort.

 

Verträglichkeit

 

Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Schmerzen an der Injektionsstelle bei zwei von drei Patienten; systemische Reaktionen, wie Myalgien, Müdigkeit und Kopfschmerzen traten bei etwa jedem dritten Patienten auf. Insgesamt wurden die Nebenwirkungen bei 11,9 % der Teilnehmer als Grad 3-Reaktionen eingestuft, dazu gehören heftige Schmerzen, die den Tagesablauf beeinträchtigen können. Die meisten dieser Reaktionen hielten etwa zwei bis drei Tage an.4 Die Häufigkeit von Nebenwirkungen war bei Studienteilnehmern im Alter von 50 bis 69 Jahren höher als bei Studienteilnehmern im Alter von 70 Jahren und älter, insbesondere hinsichtlich systemischer Nebenwirkungen.

 

ZUSAMMENFASSUNG:

 

Unter dem Handelsnamen SHINGRIX wird seit einigen Monaten eine Subunit-Vakzine zur Prophylaxe des Herpes zoster angeboten. Sie enthält das rekombinante Antigen E, ein wesentliches Glykoprotein des Virus und ein speziell entwickeltes Adjuvans. In zwei umfangreichen Placebo-kontrollierten klinischen Studien konnte die Wirksamkeit des Impfstoffes nachgewiesen werden. Sie liegt bei über 90% und zwar in allen Altersgruppen von 50- bis zu über 80-jährigen Patienten. Nach der Injektion kam es häufig zu lokalen Reaktionen an der Injektionsstelle, die durch Schwellung, Rötung und Schmerzen charakterisiert waren. Bei etwa 4% der Geimpften kam es zu heftigen Schmerzen. Darüber hinaus kann es für etwa zwei Tage zu systemischen Reaktionen, wie Müdigkeit, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen kommen. Im Vergleich zu der bisher verfügbaren Lebendvakzine (ZOSTAVAX) hielt der Impfschutz länger an.

 

 

Literatur

 

1. SmPC Zostavax, EMA

https://www.ema.europa.eu/documents/product-information/zostavax-epar-product-information_en.pdf

 

2. SmPC Shingrix, EMA

https://www.ema.europa.eu/documents/product-information/shingrix-epar-product-information_en.pdf

 

3. Dooling KL et al. Recommendations of the Advisory Committee on Immunization Practices for Use of Herpes Zoster Vaccines. MMWR Morb Mortal Wkly Rep. 2018 Jan 26;67(3):103-108 FREE FULL TEXT

 

4. Cunningham AL et al. Efficacy of the Herpes Zoster Subunit Vaccine in Adults 70 Years of Age or Older. N Engl J Med. 2016 Sep 15;375(11):1019-32 FREE FULL TEXT

 

5. Cunningham AL, Levin MJ. Herpes Zoster Vaccines.

J Infect Dis. 2018; 218(suppl 2):S127-S133

 

Jetzt für den INFEKTIO letter anmelden und regelmäßig per E-Mail Wissenswertes aus Mikrobiologie, Arznei-mittelforschung,Therapie uvm. erhalten.

Informationen für Ärzte und Apotheker zur rationalen Infektionstherapie

Die Zeitschrift für Infektionstherapie (bis 2015: "Zeitschrift für Chemotherapie") erscheint im Jahr 2024 im 45. Jahrgang. Herausgeber und Redaktion sind bemüht, Sie kontinuierlich und aktuell über wichtige Entwicklungen im Bereich der Infektionstherapie zu informieren.

Druckversion | Sitemap
© mhp Verlag GmbH 2023