Die Standardtherapie der Hepatitis C besteht heute in der subkutanen Verabreichung von Interferon-alpha in Kombination mit der oralen Gabe von Ribavirin (REBETOL, COPEGUS).[1] Zwei geringfügig unterschiedliche Interferon-alfa-Präparate stehen zur Verfügung: Interferon-alfa-2a (ROFERON A) und Interferon-alfa-2b (INTRON A). Die beiden rekombinanten Proteine bestehen aus 166 Aminosäuren und sind damit um eine Aminosäure – ein Methionin am N-Terminus – länger als das natürliche Protein. Um auf diesen Unterschied hinzuweisen, wird die Schreibweise „alfa“, anstatt „alpha“ benutzt. Die beiden natürlichen, von Leukozyten produzierten Interferone -alpha-2a und -alpha-2b unterscheiden sich nur durch einen Aminosäureaustausch an Position 23 (Lysin bzw. Arginin). Da diese Stelle im Protein nicht an der Rezeptorbindung beteiligt ist, wird sie als unwesentlich für die Wirkung angesehen.[2]
Da die alpha-Interferone bereits bei der tubulären Rückresorption rasch proteolytisch abgebaut werden,
besitzen sie nur eine kurze Wirkdauer. Daher wurden Derivate entwickelt, die durch Kopplung der Proteine an Polyethylenglykol (PEG) eine längere Verweildauer im Organismus aufweisen. Zwei dieser
pegylierten Interferone sind im Handel. Das pegylierte Interferon-alfa2b (PEGINTRON) wurde in der „Zeitschrift für Chemotherapie“ bereits früher vorgestellt (ZCT 2001; 22:19-20), mittlerweile ist
unter dem Handelsnamen PEGASYS auch pegyliertes Interferon-alfa2a im Handel. Trotz großer Ähnlichkeit der beiden Arzneistoffe gibt es im Polyethylenglykol-(PEG)-Anteil gewisse Unterschiede:
Interferon-alfa2a wurde mit einem 40 kDa verzweigtkettigen PEG-Molekül kovalent gebunden, Interferon-alfa2b mit einem 12 kDa linear aufgebauten PEG-Molekül konjugiert. Über mögliche therapeutisch
relevante Unterschiede zwischen diesen beiden pegylierten Formen lässt sich derzeit keine Aussage machen – direkt vergleichende Studien liegen nicht vor.
Die pharmakokinetischen Unterschiede zwischen dem natürlichen und dem pegylierten Protein sind gut belegt. Nach subkutaner Injektion von 180 µg Peginterferon-alfa2a wird die Substanz fast vollständig
und anhaltend resorbiert, wobei im Serum nach 72 bis 96 Stunden Höchstkonzentrationen nachweisbar sind. Die Metabolisierung ist nicht völlig geklärt. Die Clearance des pegylierten Moleküls ist etwa
um den Faktor 100 geringer als die des nativen Interferon-alfa2a. Die terminale Halbwertzeit liegt bei 60 bis 80 Stunden gegenüber 3 bis 4 Stunden des nicht-pegylierten Proteins.[3]
In einer Vergleichsstudie bei Patienten mit Hepatitis C wurde die pegylierte Form (einmal pro Woche 180 µg) mit der konventionellen Form des Interferon-alfa-2a (initial 6, dann 3 Mio. Einheiten drei mal pro Woche) verglichen. Unter diesen Bedingungen war das pegylierte Interferon signifikant wirksamer.[4] In einer weiteren randomisierten Studie konnte gezeigt werden, dass auch bei Patienten mit Leberzirrhose die Therapie mit 180 µg des Arzneistoffs einmal pro Woche wirksam und dem unveränderten Interferon überlegen ist. [5]
Bei Gabe der Kombination aus Peginterferon-alpha2a plus Ribavirin konnte bei 56% der Patienten am Ende der Nachbeobachtungszeit ein dauerhaftes
virologisches Ansprechen festgestellt werden, d. h. es wurde keine HCV-spezifische RNS mehr nachgewiesen. Der entsprechende Wert lag in dieser Vergleichsstudie bei 44% für die Kombination aus
Standardinterferon und Ribavirin und bei nur 29% bei Gabe des pegylierten Interferons als Monotherapie.[6]
Auch die pegylierten Interferone führen sehr häufig zu unerwünschten Wirkungen, die oftmals einen Therapieabbruch erforderlich machen. Im Vordergrund stehen allgemeine Störungen, wie Müdigkeit, Fieber, und Reaktionen an der Injektionsstelle. Die Patienten sind durch Übelkeit, Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust beeinträchtigt. Ferner können auftreten: Muskel- und Gelenkschmerzen, Pruritus, trockene Haut, Haarausfall und andere Symptome. Besonders schwerwiegend sind Blutbildveränderungen und psychiatrische Nebenwirkungen, wie Depressionen. Häufigkeit und Schweregrad der unerwünschten Wirkungen waren in klinischen Studien etwa mit denen bei Behandlung mit konventionellen Interferonen vergleichbar.
Mit PEGASYS steht neben PEGINTRON ein weiteres pegyliertes Interferon-alfa2 zur Behandlung der
Hepatitis C zur Verfügung; beide bieten den Vorteil einer längeren Verweildauer im Organismus. Daher müssen die derivatisierten Interferone nur einmal pro Woche injiziert werden, während die nicht
pegylierten Interferone dreimal pro Woche gegeben werden müssen. In klinischen Studien zeigten beide Präparate eine ähnliche Wirksamkeit, wie die nicht pegylierten Interferone. Auch die vielfältigen
unerwünschten Wirkungen waren ähnlich.
1. KEATING
GM, CURRAN MP. Peginterferon-alpha-2a
(40kD) plus ribavirin: a review of its use in the management
of chronic hepatitis C. Drugs.
2003;63(7):701-30.
2. NN, 1999, Gentechnik, Biotechnik, Lehrbuch und Kompendium für Studium und Praxis, WVG, Dingermann, T., Zündorf, I., Hrsg., S. 430 - 437
3. Fachinfo Pegasys, Roche, UK
4. ZEUZEM
S, FEINMAN SV et al. Peginterferon
alfa-2a in patients with chronic hepatitis C. N
Engl J Med. 2000 Dec 7;343(23):1666-72.
5. HEATHCOTE
EJ, SHIFFMAN ML et al. Peginterferon
alfa-2a in patients with chronic hepatitis C and cirrhosis.
N Engl J Med. 2000 Dec 7;343(23):1673-80.
6. FRIED
MW, SHIFFMAN ML et al. Peginterferon
alfa-2a plus ribavirin for chronic hepatitis C virus infection.
N Engl J Med. 2002 Sep 26;347(13):975-82.
Ergänzungen (Juli 2008)
Seit der Erstellung und Veröffentlichung dieses Artikels in der Zeitschrift für Chemotherapie (Heft 4, 2003) sind zahlreiche
weitere Arbeiten über pegyliertes Interferon-alpha-2a publiziert worden. Insbesondere soll an dieser Stelle auf die folgende Arbeit hingewiesen werden:
1. KEAM SJ, CVETKOVIC RS. Peginterferon-alpha-2a (40 kD) Plus Ribavirin: A Review of its
Use in the Management of Chronic Hepatitis C
Mono-Infection. Drugs. 2008;68:1273-317.
2. KEATING GM, PLOSKER GL. Peginterferon alpha-2a (40KD) plus ribavirin: a review of its use
in the management of patients with chronic hepatitis
C and persistently 'normal' ALT levels. Drugs.
2005;65(4):521-36.
Ergänzungen (2014)
Behandlung der chronischen Hepatisis C im Wandel
In der Therapie der chronischen Hepatitis C konnten in den vergangenen 20 Jahren deutliche Fortschritte erzielt werden. Sie wurden vor allem erreicht mit der Entwicklung von spezifisch wirksamen Protease-Inhibitoren [Telaprevir (INCIVO), Boceprevir (VICTRELIS)] und Polymerase-Inhibitoren [Sofosbuvir (SOVALDI)]. Die Entwicklung ist noch längst nicht abgeschlossen. Zahlreiche weitere Arzneistoffe werden derzeit für diese Indikation geprüft. Das Ziel ist eine ausschließlich orale Therapie mit gut verträglichen Wirkstoffen, die das Gesundheitssystem finanziell nicht aus den Angeln heben. (vgl. Beitrag in der ZCT Heft 2, 2014)