Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes
In der Bundesrepublik sind derzeit vier Fluorchinolon-Präparate erhältlich. Alle besitzen gegenüber den älteren Derivaten eine deutlich verstärkte
antibakterielle Wirkung und haben deshalb die nicht-fluorierten Chinolone, wie z.B. Pipemidsäure (DEBLASTON), weitgehend abgelöst. Trotz der Gemeinsamkeiten gibt es durchaus auch therapeutisch
relevante Unterschiede zwischen Norfloxacin (BARAZAN), Enoxacin (GYRAMID),Ofloxacin (TARIVID) und Ciprofloxacin
(CIPROBAY). So besitzen zum Beispiel die beiden zuletzt genannten Chemotherapeutika im Vergleich zu den anderen eine bessere mikrobiologische Aktivität
bzw. Bioverfügbarkeit oder eine - soweit sich das heute beurteilen läßt - etwas günstigere Verträglichkeit.
Aufgrund dieser Vorteile kommen Ciprofloxacin und Ofloxacin insbesondere auch für die parenterale Behandlung von schwerkranken Patienten in Frage. Bis vor wenigen Monaten konnte jedoch nur
Ciprofloxacin eingesetzt werden, da eine parenteral anzuwendende Zubereitung des Ofloxacins fehlte. Diese "Lücke" wurde jetzt geschlossen. Das Präparat wird als "die Lösung gegen schwere bakterielle
Infektionen" doppelsinnig beworben und steht jetzt als zweites parenteral verabreichbares Chinolon zur Verfügung. Indikationen sind schwere bakterielle Infektionen im wesentlichen bei Patienten, die
nicht oral behandelt werden können. Ob sich allerdings die Werbeaussage "für eine schnelle Heilung" immer erfüllt, darf bezweifelt werden. Im übrigen macht die in der Anzeige abgebildete, mit
Nagellack dekorierte Hand nicht den Eindruck, als ob sie zu einer schwerkranken Patientin gehört.
Arzneimittelwerbung läßt sich fast immer - und unabhängig von Firma oder Präparat - kritisieren, deshalb soll dieses Thema hier nicht vertieft werden.
Zumal es andere sachliche Argumente gegen die eingeschlagene Strategie der Vermarktung dieser "Lösung" gibt. Da alle neuen Chinolone ausführlich in dieser Zeitschrift bei der Einführung vorgestellt
wurden (z. B. Ofloxacin: "ZCT" 6: 27-28, 1985 und Ciprofloxacin: "ZCT" 7: 43-44, 1986), soll auf eine detaillierte Wiederholung der Eigenschaften dieser Medikamente verzichtet werden - eine kurze
Gegenüberstellung erscheint aber dennoch sinnvoll. Die wesentlichen Unterschiede der beiden wichtigsten heute verfügbaren Chinolone lassen sich etwa wie folgt zusammenfassen: Ciprofloxacin ist
derzeit das Derivat mit der höchsten antibakteriellen Aktivität; Ofloxacin ist gegenüber den meisten Erregern ein oder zwei Verdünnungsstufen weniger wirksam. Nach der Gabe gleicher Mengen liegen
jedoch die Konzentrationen im Serum für Ofloxacin höher, da dieses Chinolon eine höhere Bioverfügbarkeit besitzt und in geringerem Ausmaß metabolisiert wird. Somit dürften sich in vielen Fällen die
Vor- und Nachteile ausgleichen; erwartungsgemäß lassen sich bis heute keine Aussagen machen, ob bei der klinischen Wirksamkeit ein Unterschied zwischen diesen Präparaten besteht.
Bedenklich erscheint die Dosierung, die für die intravenöse Zubereitung des Ofloxacins vorgeschlagen wird: 1 x 100 mg bis 2 x 200 mg sollen - je nach Indikation - verabreicht werden; im Einzelfall
auch 2 x 400 mg. Damit entspricht diese Empfehlung genau den Dosierungshinweisen für Tabletten. Da Ofloxacin eine gute Bioverfügbarkeit besitzt, sind die Plasmakonzentrationen nach oraler und
parenteraler Gabe praktisch identisch. Da aber Tabletten in der Regel nicht bei schwerstkranken Patienten eingesetzt werden können, sollte doch eher eine Regeldosis von 2 x 300 mg als Dosierung
angewandt werden. Eine Empfehlung von 1 x 100 mg i.v. ist bei schweren Infektionen indiskutabel. Durch die niedrige Dosierungsempfehlung lassen sich zwar Verträglichkeit und Preis des Präparates
günstig beeinflussen, jedoch sollte im Interesse - gerade von lebensbedrohlich erkrankten Patienten - diese Dosierung nicht akzeptiert werden.
Fünf Jahre nach der Einführung von Ofloxacin
(TARIVID) in Form von Tabletten steht nun auch eine parenterale Zubereitungsform dieses Fluorchinolons zur Behandlung schwerer bakterieller Infektionen zur
Verfügung. Bei kritischer Würdigung der pharmakokinetischen und mikrobiologischen Daten sollten eher 2 x 300 mg bis 400 mg als die vom Hersteller angegebenen 2 x 200 mg als Regeldosis bei schweren
bakteriellen Infektionen angesehen werden.
Seit seiner Einführung hat sich Ofloxacin in Klinik und Praxis bewährt. Neben Ciprofloxacin gehörte es in den vergangenen Jahren zu den am häufigsten
angewandten Fluorchinolonen. Nach einer Einteilung der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG) wird Ofloxacin in die Gruppe II der Chinolone eingeordnet (Naber et al., Classification of
fluoroquinolones. Int. J. Antimicrob. Agents 1998; 10:255-257).
Da Ofloxacin ein Razemat darstellt, das nur zur Hälfte aus wirksamer Substanz besteht, war die Entwicklung und Einführung von Levofloxacin, dem wirksamen Bestandteil des Ofloxacin (L-Enantiomer),
sinnvoll. Aufgrund der besseren Pneumokokken-Wirksamkeit wird Levofloxacin in die Gruppe III nach PEG eingeordnet. Levofloxacin sollte heute dem
Razemat Ofloxacin vorgezogen werden.