Ofloxacin (parenteral)

Unveränderter Text aus ZCT Heft 3, 1990

Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes

 


Marktsituation und Werbung


In der Bundesrepublik sind derzeit vier Fluorchinolon-Präparate erhältlich. Alle besitzen gegenüber den älteren Derivaten eine deutlich verstärkte antibakterielle Wirkung und haben deshalb die nicht-fluorierten Chinolone, wie z.B. Pipemidsäure (DEBLASTON), weitgehend abgelöst. Trotz der Gemeinsamkeiten gibt es durchaus auch therapeutisch relevante Unterschiede zwischen Norfloxacin (BARAZAN), Enoxacin (GYRAMID),Ofloxacin (TARIVID) und Ciprofloxacin (CIPROBAY). So besitzen zum Beispiel die beiden zuletzt genannten Chemotherapeutika im Vergleich zu den anderen eine bessere mikrobiologische Aktivität bzw. Bioverfügbarkeit oder eine - soweit sich das heute beurteilen läßt - etwas günstigere Verträglichkeit.

Aufgrund dieser Vorteile kommen Ciprofloxacin und Ofloxacin insbesondere auch für die parenterale Behandlung von schwerkranken Patienten in Frage. Bis vor wenigen Monaten konnte jedoch nur Ciprofloxacin eingesetzt werden, da eine parenteral anzuwendende Zubereitung des Ofloxacins fehlte. Diese "Lücke" wurde jetzt geschlossen. Das Präparat wird als "die Lösung gegen schwere bakterielle Infektionen" doppelsinnig beworben und steht jetzt als zweites parenteral verabreichbares Chinolon zur Verfügung. Indikationen sind schwere bakterielle Infektionen im wesentlichen bei Patienten, die nicht oral behandelt werden können. Ob sich allerdings die Werbeaussage "für eine schnelle Heilung" immer erfüllt, darf bezweifelt werden. Im übrigen macht die in der Anzeige abgebildete, mit Nagellack dekorierte Hand nicht den Eindruck, als ob sie zu einer schwerkranken Patientin gehört.

 


Beurteilung des Präparates


Arzneimittelwerbung läßt sich fast immer - und unabhängig von Firma oder Präparat - kritisieren, deshalb soll dieses Thema hier nicht vertieft werden. Zumal es andere sachliche Argumente gegen die eingeschlagene Strategie der Vermarktung dieser "Lösung" gibt. Da alle neuen Chinolone ausführlich in dieser Zeitschrift bei der Einführung vorgestellt wurden (z. B. Ofloxacin: "ZCT" 6: 27-28, 1985 und Ciprofloxacin: "ZCT" 7: 43-44, 1986), soll auf eine detaillierte Wiederholung der Eigenschaften dieser Medikamente verzichtet werden - eine kurze Gegenüberstellung erscheint aber dennoch sinnvoll. Die wesentlichen Unterschiede der beiden wichtigsten heute verfügbaren Chinolone lassen sich etwa wie folgt zusammenfassen: Ciprofloxacin ist derzeit das Derivat mit der höchsten antibakteriellen Aktivität; Ofloxacin ist gegenüber den meisten Erregern ein oder zwei Verdünnungsstufen weniger wirksam. Nach der Gabe gleicher Mengen liegen jedoch die Konzentrationen im Serum für Ofloxacin höher, da dieses Chinolon eine höhere Bioverfügbarkeit besitzt und in geringerem Ausmaß metabolisiert wird. Somit dürften sich in vielen Fällen die Vor- und Nachteile ausgleichen; erwartungsgemäß lassen sich bis heute keine Aussagen machen, ob bei der klinischen Wirksamkeit ein Unterschied zwischen diesen Präparaten besteht.

Bedenklich erscheint die Dosierung, die für die intravenöse Zubereitung des Ofloxacins vorgeschlagen wird: 1 x 100 mg bis 2 x 200 mg sollen - je nach Indikation - verabreicht werden; im Einzelfall auch 2 x 400 mg. Damit entspricht diese Empfehlung genau den Dosierungshinweisen für Tabletten. Da Ofloxacin eine gute Bioverfügbarkeit besitzt, sind die Plasmakonzentrationen nach oraler und parenteraler Gabe praktisch identisch. Da aber Tabletten in der Regel nicht bei schwerstkranken Patienten eingesetzt werden können, sollte doch eher eine Regeldosis von 2 x 300 mg als Dosierung angewandt werden. Eine Empfehlung von 1 x 100 mg i.v. ist bei schweren Infektionen indiskutabel. Durch die niedrige Dosierungsempfehlung lassen sich zwar Verträglichkeit und Preis des Präparates günstig beeinflussen, jedoch sollte im Interesse - gerade von lebensbedrohlich erkrankten Patienten - diese Dosierung nicht akzeptiert werden.

 


FAZIT


Fünf Jahre nach der Einführung von Ofloxacin (TARIVID) in Form von Tabletten steht nun auch eine parenterale Zubereitungsform dieses Fluorchinolons zur Behandlung schwerer bakterieller Infektionen zur Verfügung. Bei kritischer Würdigung der pharmakokinetischen und mikrobiologischen Daten sollten eher 2 x 300 mg bis 400 mg als die vom Hersteller angegebenen 2 x 200 mg als Regeldosis bei schweren bakteriellen Infektionen angesehen werden.

 


Eigenrecherche

 

 


Aktuelle Ergänzungen (November 2000)


Seit seiner Einführung hat sich Ofloxacin in Klinik und Praxis bewährt. Neben Ciprofloxacin gehörte es in den vergangenen Jahren zu den am häufigsten angewandten Fluorchinolonen. Nach einer Einteilung der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG) wird Ofloxacin in die Gruppe II der Chinolone eingeordnet (Naber et al., Classification of fluoroquinolones. Int. J. Antimicrob. Agents 1998; 10:255-257).

Da Ofloxacin ein Razemat darstellt, das nur zur Hälfte aus wirksamer Substanz besteht, war die Entwicklung und Einführung von Levofloxacin, dem wirksamen Bestandteil des Ofloxacin (L-Enantiomer), sinnvoll. Aufgrund der besseren Pneumokokken-Wirksamkeit wird Levofloxacin in die Gruppe III nach PEG eingeordnet.
Levofloxacin sollte heute dem Razemat Ofloxacin vorgezogen werden.

 

 

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