Meropenem - ein neues ß-Lactam-Antibiotikum zur Behandlung schwerer Infektionen

Unveränderter Text aus Heft 5, 1995

Ergänzungen am Ende des Textes

 

 

Antibakterielle Aktivität

Carbapeneme besitzen bekanntlich ein breites antibakterielles Spektrum. So hemmt auch Meropenem Enterobacteriaceae bereits in niedrigen Konzentration: 0,008 bis 0,5 mg/l sind ausreichend, um über 90% aller klinischen Isolate zu hemmen. Das Antibiotikum ist damit in vitro wirksamer als Ceftazidim (FORTUM), Piperacillin (PIPRIL) oder Imipenem. Der MHK90-Wert (= minimale Hemmkonzentration, bei der mindestens 90% der Stämme gehemmt werden) für Pseudomonas aeruginosa war im allgemeinen kleiner als 4 mg/l.

Es ist charakteristisch für die Carbapeneme, daß sie auch im grampositiven Bereich eine deutliche antibakterielle Wirkung entfalten. Neben Staphylococcus aureus werden auch andere Staphylokokken erfaßt - allerdings ist die Aktivität von Meropenem bei diesen Erregern etwas geringer als die des Imipenems. Beiden gemeinsam ist schließlich jedoch ihre Wirkung auf anaerobe Bakterien, wie zum Beispiel Bacteroides fragilis.

Meropenem ist sehr stabil gegenüber klinisch relevanten ß-Laktamasen, doch entwickeln einige Isolate Resistenz gegen das Carbapenem-Antibiotikum durch andere Mechanismen. Veränderungen an den Penicillin-bindenden Proteinen sind zum Beispiel die Ursache für die Resistenzentwicklung bei einigen E. faecium-Stämmen oder bei den MRSA-Stämmem (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus- Stämme). Gramnegative Bakterien können durch veränderte Membranproteine resistent werden - dieser Mechanismus beeinflußt die Durchlässigkeit der Zellmembran und behindert die Anreicherung des Antibiotikums in ausreichender Konzentration am Wirkort. Solche Veränderungen bilden die Grundlage für die Resistenzentwicklung bei einigen Pseudomonas-Stämmen. Aus klinischer Sicht ist es bedeutsam, daß keine generelle Kreuzresistenz zu anderen Gruppen von ß-Lactam-Antibiotika (Penicilline, Cephalosporine, Monobactame) besteht. Dies dürfte damit zusammenhängen, daß Carbapeneme über andere Wege zum Wirkort gelangen als die übrigen ß-Laktamantibiotika.

Strukturformel Meropenem

Pharmakokinetische Eigenschaften

Nach 30-minütiger Infusion von 1 g Meropenem (übliche Einzeldosis) liegen die Spitzenkonzentrationen im Plasma bei etwa 50 bis 60 mg/l. Das Verteilungsvolumen beträgt ca. 0,25 l/kg Körpergewicht, was auf eine überwiegend extrazelluläre Verteilung hinweist. Die Konzentrationen im Liquor sind gering, jedoch bei entzündeten Meningen deutlich erhöht (ca. 1 mg/l nach Gabe einer Dosis von 20 mg/kg KG). In anderen Geweben werden höhere Konzentrationen gemessen. Meropenem wird ganz überwiegend unverändert renal mit einer Halbwertzeit von 1 Stunde eliminiert. Die Standarddosis soll daher dreimal täglich verabreicht werden.

Bei Neugeborenen und bei Patienten mit renaler Insuffizienz ist die Elimination verzögert. Bei reduzierter Kreatinin-Clearance soll zunächst das Dosierungsintervall von 8 auf 12 Stunden verlängert werden. Bei einer weiter fortgeschrittenen renalen Insuffizienz (Clearance 10 - 25 ml/min) soll zusätzlich die Dosis halbiert werden. Veränderungen der Leberfunktion hatten keinen erkennbaren Einfluß auf die Elimination von Meropenem.

Klinische Wirksamkeit und Verträglichkeit

Während der klinischen Prüfung ist Meropenem in zahlreichen klinischen Studien bei diversen Indikationen sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern untersucht worden. Dazu zählen intraabdominelle Infektionen, Infektionen der Harnwege oder der Atemwege, Sepsis, Meningitis, Hautinfektionen sowie Fieber bei neutropenischen Patienten. Diese Untersuchungen waren meist randomisierte Studien im Vergleich zu anderen Antibiotika (Mono- oder Kombinationstherapie), für die Meropenem am ehesten als Alternative in Frage kommt. Das Carbapenem erwies sich in der Regel als mindestens gleich gut wirksam wie die Vergleichspräparate und war gut verträglich. Übelkeit und Erbrechen bei ca. 3 - 4% der Patienten sowie Diarrhöen in einer ähnlichen Inzidenz waren die häufigsten unerwünschten Reaktionen. In sehr seltenen Fällen (< 0,2%) wurden Krampfanfälle unter der Gabe von Meropenem gesehen.

ZUSAMMENFASSUNG

Meropenem (MERONEM) ist ein neues Carbapenem mit ähnlichen Grundeigenschaften und Indikationen wie Imipenem/Cilastatin (ZIENAM). Aufgrund verbesserter Stabilität muß Meropenem jedoch nicht mit einem Dihydropeptidase-Inhibitor (Cilastatin) kombiniert werden. Darüber hinaus ist die Verträglichkeit - insbesondere hinsichtlich des ZNS - günstiger als bei Imipenem und die Substanz kann als i.v.-Bolusinjektion appliziert werden. Während die Aktivität im gramnegativen Bereich zum Teil deutlich höher ist als bei Imipenem, wirkt die neue Substanz gegen grampositive Bakterien etwas schwächer. Klinisch erwies sich das neue ß-Lactam-Antibiotikum als gleich gut wirksam und verträglich wie zahlreiche Vergleichsantibiotika. Bei einem vergrößerten Angebot sehr wirksamer ß-Lactam-Antibiotika werden nicht zuletzt ökonomische Aspekte mit entscheiden, welchen Stellenwert Meropenem zur Therapie schwerer Infektionen im Krankenhaus einnehmen wird. Unter Berücksichtigung aller Eigenschaften wird ihm jedoch sicher eine wichtige Rolle als eine Alternative unter den Reserveantibiotika bei schweren Infektionen zukommen.

1. WISEMAN LR, WAGSTAFF AJ et al. Meropenem. A review of its antibacterial activity, pharmacokinetic properties and clinical efficacy. Drugs. 1995 Jul;50(1):73-101.

Ergänzungen (Oktober 2000)

 

Seit der Erstellung und Veröffentlichung dieses Artikels in der Zeitschrift für Chemotherapie (Heft 5, 1995) sind zahlreiche weitere Arbeiten über Meropenem publiziert worden. Insbesondere soll an dieser Stelle auf die folgenden Arbeiten hingewiesen werden:

 

1. CUNHA BA. Meropenem in elderly and renally impaired patients. Int J Antimicrob Agents. 1998 May;10(2):107-17.

2. FISH DN, SINGLETARY TJ. Meropenem, a new carbapenem antibiotic. Pharmacotherapy. 1997 Jul-Aug;17(4):644-69.

3. BRADLEY JS. Meropenem: a new, extremely broad spectrum beta-lactam antibiotic for serious infections in pediatrics. Pediatr Infect Dis J. 1997 Mar;16(3):263-8.

4. CRAIG WA. The pharmacology of meropenem, a new carbapenem antibiotic. Clin Infect Dis. 1997 Feb;24 Suppl 2:S266-75.

Ergänzungen (Mai 2008)

 

Seit der Erstellung und Veröffentlichung dieses Artikels in der Zeitschrift für Chemotherapie (Heft 5, 1995) sind zahlreiche weitere Arbeiten über Meropenem publiziert worden. Insbesondere soll an dieser Stelle auf die folgende Arbeit hingewiesen werden:

 

BALDWIN CM, LYSENG-WILLIAMSON KA et al. Meropenem : a review of its use in the treatment of serious bacterial infections. Drugs. 2008;68(6):803-38.

 

Ergänzungen (September 2017)

 

VabomereTM – eine neue Kombination aus Meropenem plus ß-Laktamaseinhibitor

 

In den USA wurde Ende August eine Kombination aus Meropenem plus Vaborbactam (Handelsname VabomereTM) zur Behandlung von komplizierten Harnwegsinfektionen, inklusive Pyelonephritis, zugelassen. Es soll angewandt werden, wenn die Infektion durch Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae oder Enterobacter cloacae verursacht wird [1].

 

Während Meropenem bereits seit mehr als 20 Jahren verwendet wird, wurde der ß-Laktamaseinhibitor neu entwickelt. Er besitzt keine ß-Laktamstruktur, sondern es handelt sich um ein Boronsäurederivat - eine zyklische bororganische Verbindung [2].

 

Die Hemmung von ß-Laktamasen durch Borverbindungen wurde bereits in den 1970er Jahren beschrieben. Vaborbactam ist das Resultat einer gezielten Suche nach Hemmstoffen der KPC-Enzyme (KPC = Klebsiella pneumoniae Carbapenemasen). Daten zur In-vitro-Aktivität von Vaborbactam wurden aktuell publiziert [3].

 

 

1. FDA News Release, FDA approves new antibacterial drug.

 

2. Kiener PA, Waley SG. Reversible inhibitors of penicillinases. Biochem J. 1978;169:197-204 (FREE FULL TEXT)

 

3. Lomovskaya O et al. Vaborbactam: Spectrum of Beta-Lactamase Inhibition and Impact of Resistance Mechanisms on Activity in Enterobacteriaceae. Antimicrob Agents Chemother. 2017 Aug 28. [Epub ahead of print] (FREE FULL TEXT)

 

Ergänzung (2019)

 

Meropenem (MERONEM u.a.) in Kombination mit dem Inhibitor Vaborbactam ist nun auch in Europa unter dem Namen VABOMERE verfügbar. (siehe Beitrag Meropenem / Vaborbactam in der Rubrik Neueinführungen aus Heft 2, 2019).

 

 

Ergänzung (2019)

 

Leitlinie der PEG

Auf die ausführliche PEG S2k Leitlinie (AWMF-Registernummer 082-006) der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.v.  (PEG) Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – update 2018 (2. aktualisierte Version; 25. Juli 2019) sei an dieser Stelle hingewiesen.

 

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