Levofloxacin zur Inhalation bei Mukoviszidose-Patienten

Unveränderter Text aus Heft 5, 2016

Die Lebenserwartung von Patienten mit einer zystischen Fibrose-Erkrankung (cystic fibrosis [CF], Mukoviszidose) hat in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen und liegt heute im Median bei etwa 37 Jahren. Pulmonale Komplikationen sind mit mehr als 90% die führende Todesursache der Betroffenen. Mit zunehmendem Lebensalter und Dauer der Erkrankung steigt der Anteil von Pseudomonas aeruginosa als Bestandteil der kolonisierenden Erreger und als Verursacher der pulmonalen Infektionen. Seit den 1980er Jahren werden Zubereitungen von Pseudomonas-wirksamen Antibiotika zur inhalativen Verabreichung entwickelt, um die Exazerbationsrate von Infektionen bei Mukoviszidose-Patienten zu reduzieren.1 Zurzeit stehen die folgenden Antibiotika aus drei unterschiedlichen Wirkstoffgruppen für diese Indikation zur Verfügung: Tobramycin (TOBI u.a.), Aztreonam-Lysin (CAYSTON u.a.) und Colistin (COLISTINEB u.a.). Auch die beiden Fluorchinolone Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) und Levofloxacin (TAVANIC u.a.), die ausreichende Pseudomonas-Wirksamkeit aufweisen, wurden klinisch entsprechend geprüft. Unter dem Handelsnamen QUINSAIR ist seit einigen Monaten eine Lösung mit 240 mg Levofloxacin pro Flasche für einen Vernebler im Handel. (Eine ausführliche Beschreibung der Eigenschaften des Wirkstoffs Levofloxacin finden Sie unter www.infektio.de, > Antiinfektiva, > Neueinführungen oder im Archiv, Heft 2, 1998; NN 1998;19:10-11)

 

Das Präparat ist zur Behandlung von chronischen Infektionen der Lunge durch Pseudomonas aeruginosa bei erwachsenen Patienten mit zystischer Fibrose angezeigt. Es darf nur mit dem in der Packung enthaltenen Zirela-Vernebler verwendet werden. Die Anwendung erfolgt in Zyklen, wobei auf 28 Behandlungstage eine Behandlungspause von 28 Tagen folgt. Zwischen den einzelnen Anwendungen sollte ein Abstand von 12 Stunden liegen.2

 

Pharmakokinetik

 

Auch nach inhalativer Verabreichung erfolgt ein Übergang des Chinolons in den Blutkreislauf. Die Plasmakonzentrationen nach Verabreichung mehrerer Dosen von 240 mg zweimal täglich mittels Inhalation erreichten etwa 50% der Werte nach oraler Gabe. Als Spitzenkonzentrationen wurden 2,4 ± 1,0 mg/l (Inhalation) und 5,7 ± 1,4 mg/l (500 mg oral) gemessen. Verteilung und Elimination entsprechen dem Verhalten der Substanz nach oraler oder intravenöser Verabreichung. Die Halbwertzeit von Levofloxacin nach Inhalation beträgt etwa fünf bis sieben Stunden. Die Elimination erfolgt vorwiegend renal (> 85 % der oral oder intravenös verabreichten Dosis). Die Anwendung der Inhalationslösung bei Patienten mit ausgeprägter Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance
˂ 20 ml/min) wird nicht empfohlen.2

 

Wirksamkeit in klinischen Studien

 

Zwei doppelblinde, placebokontrollierte klinische Einzel-Zyklus-Studien mit CF-Patienten, die eine chronische Infektion mit P. aeruginosa aufwiesen, wurden durchgeführt. In der umfangreicheren Studie an insgesamt 330 Patienten lag der FEV1-Wert zu Beginn bei 56% in beiden Gruppen. Am Ende des Behandlungszyklus (Tag 28) wurde eine relative Zunahme gegenüber Studienbeginn von 1,24% (Placebo) und 3,66% (Verum) ermittelt. Der Behandlungsunterschied fiel mit 2,42 recht gering aus, war jedoch statistisch signifikant. In der zweiten Studie lag der Unterschied bei 9,57, allerdings umfasste die Studie nur 76 Patienten.2,3

 

Eine weitere (unverblindete) Studie liegt vor im Vergleich zu einer inhalativen Behandlung mit Tobramycin. Jeder Behandlungszyklus umfasste 28 Behandlungstage mit Levofloxacin 240 mg zweimal täglich oder Tobramycin 300 mg zweimal täglich gefolgt von 28 Tagen ohne inhalative Antibiotika. Im Median vergingen 90 bzw. 131 Tage bis zur pulmonalen Exazerbation (p=0,15). Die mediane Zeit bis zur Verabreichung einer systemischen Therapie gegen Pseudomonas unterschied sich signifikant in den beiden Gruppen (p=0,04); sie lag bei 110 (Tobramycin) und 141 Tagen (Levofloxacin).2,4

 

Unerwünschte Wirkungen

 

Angesichts der guten Distribution im Organismus nach inhalativer Verabreichung muss mit einem ähnlichen Spektrum an unerwünschten Wirkungen gerechnet werden, wie es nach Gabe von Levofloxacin per os oder parenteral beobachtet wurde. Zusätzlich kann es im Zusammenhang mit der Inhalation zu einem Bronchospasmus kommen. Husten trat nach Behandlung häufiger auf als in der Placebogruppe. Als häufigste unerwünschte Wirkung wurden Veränderungen des Geschmacks (Dysgeusie) bei etwa jedem dritten Patienten  registriert.

 

Levofloxacin ist kontraindiziert bei Patienten mit bekannter Epilepsie. Erhöhte Risiken für Krampfanfälle bestehen bei gleichzeitiger Behandlung mit Wirkstoffen, die die zerebrale Krampfschwelle herabsetzen, wie beispielsweise Theophyllin (diverse Generika). Zurückhaltung ist ferner angebracht bei Patienten, die bekannte Risikofaktoren für eine Verlängerung des QT-Intervalls aufweisen. Das Auftreten einer Tendinitis bei CF-Patienten, die Levofloxacin zur Inhalation erhielten, wurde in klinischen Studien als gelegentliche Nebenwirkung berichtet. Die Erfahrungen mit Levofloxacin seit der Markteinführung Ende der 1990er Jahre zeigen, dass einige unerwünschte Wirkungen nicht nur mit der Höhe der Dosierung sondern auch mit der Zeitdauer der Anwendung zunehmen. In neueren Publikationen werden die Wirkungen bei Patienten nach längerer Behandlung beschrieben.5 Da es sich aber nur um drei zusätzliche Zyklen handelt, reichen die klinischen Daten noch nicht aus, um ein abschließendes Urteil zur Verträglichkeit bei längerer Therapiedauer zu fällen.

 

Unter der Behandlung mit Fluorchinolonen, einschließlich Levofloxacin, sind bei Patienten sensorische oder sensomotorische periphere Neuropathien berichtet worden, die schnell einsetzen können. Wenn Patienten Symptome einer Neuropathie entwickeln, sollte Levofloxacin abgesetzt werden, um der Entwicklung eines irreversiblen Schadens vorzubeugen.2

 

ZUSAMMENFASSUNG:

 

Mit Levofloxacin (QUINSAIR) steht ein weiteres Pseudomonas-wirksames Antibiotikum zur inhalativen Behandlung von Mukoviszidose-Patienten zur Verfügung. Die klinischen Studien belegen den therapeutischen Nutzen im Vergleich zu Placebo oder Tobramycin (TOBI u.a.) bei insgesamt guter Verträglichkeit. Erst bei langfristiger Anwendung wird eine Beurteilung seltener unerwünschter Wirkungen möglich sein. Von großem Interesse ist auch die Frage der möglichen Resistenzentwicklung der Erreger bei langandauernder Inhalation.

 

1. Fiel SB. Aerosolized antibiotics in cystic fibrosis: an update. Expert Rev Respir Med. 2014 Jun;8(3):305-14

 

2. Quinsair, Summary of Product Characteristics. (EMA)

 

3. Flume PA et al. A phase 3, multi-center, multinational, randomized, double-blind, placebo-controlled study to evaluate the efficacy and safety of levofloxacin inhalation solution (APT-1026) in stable cystic fibrosis patients. J Cyst Fibros. 2016 Jul;15(4):495-502

 

4. Elborn JS et al. A phase 3, open-label, randomized trial to evaluate the safety and efficacy of levofloxacin inhalation solution (APT-1026) versus tobramycin inhalation solution in stable cystic fibrosis patients. J Cyst Fibros. 2015 Jul;14(4):507-14

 

5. Elborn JS et al.  Safety and efficacy of prolonged levofloxacin inhalation solution (APT-1026) treatment for cystic fibrosis and chronic Pseudomonas aeruginosa airway infection. J Cyst Fibros. 2016; 15:634-640

 

Jetzt für den INFEKTIO letter anmelden und regelmäßig per E-Mail Wissenswertes aus Mikrobiologie, Arznei-mittelforschung,Therapie uvm. erhalten.

Informationen für Ärzte und Apotheker zur rationalen Infektionstherapie

Die Zeitschrift für Infektionstherapie (bis 2015: "Zeitschrift für Chemotherapie") erscheint im Jahr 2024 im 45. Jahrgang. Herausgeber und Redaktion sind bemüht, Sie kontinuierlich und aktuell über wichtige Entwicklungen im Bereich der Infektionstherapie zu informieren.

Druckversion | Sitemap
© mhp Verlag GmbH 2023