Halofantrin

ein neues Chemotherapeutikum gegen Malaria

Unveränderter Text aus ZCT Heft 5, 1991

Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes

Mehrere hundert Millionen Menschen erkranken weltweit jährlich an Malaria. Diese Infektionskrankheit stellt damit eines der größten zur Zeit bestehenden Gesundheitsprobleme dar. Durch den ständig steigenden Ferntourismus in Malaria-Endemiegebiete wurden auch nach Deutschland in den vergangenen Jahren etwa 1000 Fälle dieser Tropenerkrankung jährlich eingeschleppt. Die Resistenzentwicklung der Erreger gegen lang bekannte Malariamittel wie Chloroquin (RESOCHIN) bereitet zunehmend Sorge. Damit besteht nach wie vor Bedarf an alternativen Substanzen zur Prophylaxe und Therapie der Malaria. Halofantrin (HALFAN) ist der Name für eine Substanz, die zwar schon seit einiger Zeit untersucht wird, aber erst in diesem Jahr vom Bundesgesundheitsamt zur Therapie der Malaria zugelassen worden ist.

 


Struktur und Wirkung


Die chemische Formel von Halofantrin zeigt keine Ähnlichkeit mit denen anderer Substanzen, die bei Malaria angewandt werden.

Der Wirkungsmechanismus ist nicht im einzelnen geklärt, doch scheint die Wirkung auf die Erreger in ähnlicher Weise wie bei Chinin (diverse Warenzeichen) oder Chloroquin abzulaufen: Es werden Komplexe mit Ferriprotoporphyrin IX gebildet, welches während des Abbaus des Hämoglobins durch die Plasmodien gebildet wird. Dieser Komplex beschädigt die Zellmembran des Schizonten und führt zum Tod des Erregers.

Halofantrin wirkt als Blutschizontozid auf das erythrozytäre Stadium der Erreger. Die in vitro-Untersuchungen zeigten eine ausgeprägte Aktivität gegen Plasmodium falciparum-Stämme; sowohl chloroquinempfindliche als auch chloroquinresistente Stämme werden erfaßt. Die Substanz war wirksamer als Chinin, Chloroquin oder
Mefloquin (LARIAM). Eine Kreuzresistenz zwischen Halofantrin und den anderen Mitteln wurde nicht beobachtet. Auch gegen andere Plasmodienarten ist das neue Medikament wirksam.

 


Pharmakokinetik, Metabolismus


Der Arzneistoff wird nach oraler Gabe nur langsam aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert. Erst nach 6 - 15 Stunden werden maximale Serumspiegel gemessen. Die Bioverfügbarkeit ist verbessert, wenn die Einnahme zwei Stunden nach einer fettreichen Mahlzeit erfolgt. Nach der Einnahme von 3-mal 500 mg an einem Tag (dies entspricht der empfohlenen Dosis) liegen die maximalen Serumspiegel bei etwa 6 µmol/l. Der wichtigste Metabolit (N-Desbutyl-Halofantrin), der ebenfalls antiparasitäre Wirkung besitzt, liegt in geringeren Konzentrationen vor. Die Elimination erfolgt überwiegend mit den Faeces. Die mittlere Halbwertzeit wird mit 38 Stunden angegeben, doch schwanken die Werte in einem weiten Bereich: es wurden Zeiten zwischen 14 und 80 Stunden ermittelt. Die Ausscheidung des Metaboliten erfolgt langsamer (mittlere Halbwertzeit: 103 Stunden). Daten zur Plasmaproteinbindung beim Menschen liegen nicht vor.

 


Anwendung


In klinischen Studien an etwa 2500 Patienten erwies sich Halofantrin als sehr wirksam und gut verträglich. Die günstigsten Heilungsraten mit meist 100% zeigten sich nach Gabe von 3-mal 500 mg. In einer Vergleichsstudie wurde der therapeutische Erfolg mit dem Resultat einer Behandlung mit Mefloquin verglichen. Dabei erwies sich Halofantrin in der genannten Dosierung als ebenso wirksam, wie die Gabe von 1000 mg Mefloquin. Auch bei nichtimmunen Patienten, die erstmals an Malaria erkrankt waren, führte die Behandlung mit Halofantrin zu Heilungsraten von über 90% Bei diesen Patienten soll jedoch ein zweiter Behandlungszyklus mit 3-mal 500 mg eine Woche später durchgeführt werden. Insgesamt erwies sich das Medikament als gut verträglich. Die Substanz-bedingten unerwünschten Wirkungen lassen sich nur schwer von den Symptomen der Infektion unterscheiden; die Inzidenz der beobachteten Symptome, wie Kopfschmerzen oder gastrointestinale Beschwerden, ging jedoch nach der Behandlung deutlich zurück. Die Inzidenz von Pruritus und Rötung lag bei etwa 1 - 3%. Seltene allergische Reaktionen sind bekanntlich ein bedeutsames Problem im Zusammenhang mit der Anwendung von Malariamitteln. Erst nach einer längeren Anwendungsdauer des neuen Medikamentes werden Aussagen auch zu diesem Punkt möglich sein.

 


"Stand-by-Therapie"


In den letzten Empfehlungen der WHO zur Malariaprophylaxe und -therapie wurde eine neue Strategie empfohlen, wobei die sogenannte "Stand-by-Behandlung" mit einbezogen wurde. Dies bedeutet, daß beim Auftreten von Symptomen, die auf eine Malariainfektion hinweisen (z.B. Fieberanfälle, Schüttelfrost, Gelenkbeschwerden), der Patient selbst die Behandlung beginnen kann, wenn ärztliche Hilfe nicht verfügbar ist. Nach der Selbstbehandlung sollte zur Diagnosesicherung und Weiterbehandlung ein Arzt im Reiseland aufgesucht werden. Die Behandlung ist nicht vor dem 8. Tag nach der Einreise in ein Endemiegebiet angezeigt, da die Inkubationszeit für Malaria mindestens sieben Tage beträgt.

Neben anderen Präparaten (z.B. Mefloquin) wird Halofantrin von der WHO zur Stand-by-Behandlung für die Zonen B und C empfohlen (B = z.B. Indien; C = Gebiete in Südostasien, Afrika und Südamerika). Dieses Konzept verlangt von dem Reisenden hinsichtlich seines eigenen Schutzes mehr Verantwortung. Jeder Tourist sollte vor allem intensiv über die Möglichkeiten der nicht-medikamentösen Prophylaxe gegen Malaria (Repellentien, Moskitonetz, langärmelige Kleidung) informiert werden.

 


ZUSAMMENFASSUNG:

 

Halofantrin (HALFAN) ist ein neues Malariamittel. Da es oral verabreicht werden kann und die Ein-Tages-Therapie wirksam und gut verträglich ist, wurde es von der WHO zur sogenannten "Stand-by-Behandlung" empfohlen. Damit hat es einen ähnlichen Status wie Mefloquin (LARIAM). In den nächsten Jahren wird sich zeigen, wie die Nutzen/Risiko-Relation für diese Medikamente ausfällt; derzeit ist eine eindeutige Bewertung nicht möglich.

 


Aktuelle Ergänzungen (Oktober 2000)


Halofantrin besitzt eine chininartige arrhythmogene Wirkung und kann lebensbedrohliche ventrikuläre Rhythmusstörungen hervorrufen. Daher ist es KONTRAINDIZIERT bei Patienten mit angeborener oder erworbener QT-Zeitverlängerung.


Seit der Erstellung und Veröffentlichung dieses Artikels in der Zeitschrift für Chemotherapie (Heft 5, 1991) sind zahlreiche weitere Arbeiten über Halofantrin publiziert worden. Insbesondere soll an dieser Stelle auf die folgenden Arbeiten hingewiesen werden:

Touze, J.E. et al. Ann. Trop. Med. Parasito.l 1997; 91: 867-873
Karbwang, J., Na Bangchang, K. Clin. Pharmacokinet. 1994; 27: 104-119
Bryson, H.M., Goa, K.L. Drugs 1992; 43: 236-258

 

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