Unveränderter Text aus ZCT Heft 9, 1995
Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes
Die Einführung eines Fluoratoms in das Grundgerüst der Chinolone erwies sich als eine wichtige Modifikation einer lang bekannten Substanzklasse. Ofloxacin (TARIVID) oder Ciprofloxacin (CIPROBAY) sind heute die am häufigsten verwendeten
Fluorchinolone, die sich von den nicht-fluorierten Derivaten durch deutlich günstigere Eigenschaften unterscheiden. Seit einigen Monaten steht nun mit Fleroxacin (QUINODIS) ein neues
Chemotherapeutikum aus dieser Gruppe zur Verfügung. Es weist nicht nur ein, sondern drei Fluoratome im Molekül auf. Eine weitere deutliche Verbesserung der antibakteriellen Eigenschaften ist damit
jedoch nicht verbunden - das neue Arzneimittel unterscheidet sich eher geringfügig von den länger bekannten Derivaten.
Fleroxacin besitzt eine gute inhibitorische Wirkung gegenüber klinisch wichtigen gramnegativen
Bakterien. Dazu gehören zum Beispiel zahlreiche Enterobacteriaceae, wie Escherichia coli, Proteus mirabilis, Proteus vulgaris, Klebsiella pneumoniae und Yersinia enterocolitica. Die minimalen
Hemmkonzentrationen (MHK-Werte) entsprechen etwa denen von Ofloxacin. Gegen Pseudomonas aeruginosa ist Fleroxacin zwar wirksam, doch besitzt Ciprofloxacin eine deutlich höhere in vitro-Aktivität
(MHK90-Werte: 4,0 bzw. 0,5 mg/l). Gute Aktivität besitzt Fleroxacin gegenüber Haemophilus influenzae: alle Stämme werden in der Regel durch Konzentrationen von weniger als 0,1 mg/l gehemmt.
Relativ gering ist dagegen die Aktivität im grampositiven Bereich: so werden zum Beispiel Pneumokokken erst bei Konzentrationen von 8,0 mg/l gehemmt.
Insgesamt sind hinsichtlich der antimikrobiellen Eigenschaften (in vitro -Aktivität) keine Verbesserungen in Vergleich zu den heute überwiegend eingesetzten Fluorchinolonen vorhanden.
Die Bioverfügbarkeit von Fleroxacin nach oraler Einnahme ist exzellent: die Substanz wird praktisch
vollständig aus dem Magen-Darmtrakt resorbiert. Die mittlere Spitzenkonzentration nach Einnahme von 400 mg liegt bei etwa 4 bis 6 mg/l und die "Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve" wurde mit
70 mg/l x h berechnet. Die AUC ist damit um ein Mehrfaches höher, als die entsprechenden Werte von Ciprofloxacin oder Ofloxacin. Fleroxacin wird nur in geringem Ausmaß metabolisiert und mit einer
Eliminationshalbwertzeit von 9 bis 13 Stunden überwiegend renal eliminiert.
Die übliche therapeutische Dosis von Fleroxacin beträgt einmal 400 mg/Tag. Das Arzneimittel kann oral
oder intravenös gegeben werden. Bei eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance < 40 ml/min) soll die Dosis auf 200 mg reduziert werden.
Fleroxacin kommt zur Behandlung von komplizierten Infektionen der Harnwege und bei Prostatitis in Frage. Bei nosokomialen Pneumonien ist es vergleichend mit Ciprofloxacin untersucht worden. Zwischen
den beiden Gruppen waren keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der klinisch oder mikrobiologisch beurteilten Wirksamkeit erkennbar.
Während der klinischen Prüfung an über 4000 Patienten wurden in 21% der Fälle unerwünschte Reaktionen
bemerkt. Dabei wurde jedoch zunächst nicht unterschieden, ob ein Kausalzusammenhang mit der Einnahme des Medikamentes bestand oder nicht. Gastrointestinale Beschwerden sind mit 11% die häufigsten
unerwünschten Wirkungen, die unter der Einnahme von Fleroxacin auftraten. Am häufigsten kam es zu Übelkeit, relatv selten (< 1%) waren Diarrhöen. Zentralnervöse Störungen, wie Schlaflosigkeit,
Kopfschmerzen und Schwindel, traten bei 9% der Patienten auf. In direkten Vergleichsstudien mit anderen Fluorchinolonen war die Verträglichkeit von Fleroxacin gleich gut oder nur geringfügig
schlechter. In Dosierungen von > 400 mg war die Fleroxacin-Therapie mit einer unakzeptablen Rate an unerwünschten Wirkungen verbunden. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (ältere
Patienten!) sollte darauf geachtet werden, daß es nicht durch unbeabsichtigt hohe Plasmaspiegel zu Nebenwirkungen kommt.
Eine wichtige, klinisch relevante Interaktion der Fluorchinolone besteht bei gleichzeitiger Gabe von
mineralischen Antazida. Die Beeinflussung der Bioverfügbarkeit bei gleichzeitiger Gabe von Magnesium- und Aluminium-haltigen Antazida beeinflußte die Absorption von Fleroxacin zwar nur relativ
geringfügig (ca. 25%), doch sollte zwischen der Einnahme des Chinolons und der Gabe eines Antazidums, wie zum Beispiel MAALOX, eine Zeitspanne von etwa zwei Stunden liegen, um diese Interaktion zu
vermeiden. Im Gegensatz zu Enoxacin (GYRAMID) oder Ciprofloxacin führt Fleroxacin offenbar nicht zu Interaktionen mit Coffein oder Theophyllin.
Fleroxacin (QUINODIS) ist ein neues Fluorchinolon, das sich durch eine vollständige Bioverfügbarkeit
und relativ lange Halbwertzeit, bei niedrigerer Metabolisierungsrate, auszeichnet. Hinsichtlich der antibakteriellen Aktivität ist es den bisher bekannten Derivaten dieser Gruppe nicht überlegen. Es
kommt insbesondere bei bakteriellen Infektionen des Urogenitaltraktes zum Einsatz. Von Vorteil ist die lange Eliminationshalbwertzeit, die eine 1-mal tägliche Dosierung möglich macht.
Seit der Einführung von Fleroxacin sind einige weitere Fluorchinolone entwickelt worden. Die Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG) hat im Jahre
1998 für diese Arzneimittelgruppe eine Einteilung in vier Gruppen vorgeschlagen, danach gehört Fleroxacin in die Gruppe II.
1. Cullmann, W. et al. Int. J. Antimicrob. Agents 1993; 2: 203-230
2. BALFOUR JA, TODD PA et al. Fleroxacin. A review of its pharmacology and therapeutic
efficacy in
various infections. Drugs. 1995 May;49(5):794-850.
Fleroxacin (QUINODIS) ist in Deutschland nicht mehr im Handel.