Unveränderter Text aus Heft 5, 2017
Der Proteaseinhibitor Darunavir (PREZISTA) hat sich seit seiner Einführung im Jahr 2007 als ein wirksames und gut verträgliches Arzneimittel zur antiretroviralen Behandlung bewährt (vgl. Heft 2/2007). Ursprünglich lautete die Standarddosierung zweimal täglich 600 mg zusammen mit niedrig dosiertem Ritonavir (NORVIR u.a.) zur Verbesserung der pharmakokinetischen Eigen-schaften. In höherer Dosierung von 800 mg kann es jedoch auch einmal täglich gegeben werden. In der Artemis-Studie wurden nach 48 Wochen Therapie mit Darunavir/r bei 84% der Patienten HIV-RNA-Kopien von < 50 / ml gemessen, in der Vergleichsgruppe mit Lopinavir/r (KALETRA) wurde dieses Ziel bei 78% erreicht. Noch überzeugender war der Unterschied bei Patienten mit einer hohen Viruslast von ≥100.000 Kopien / ml zu Beginn der Behandlung. Hier zeigte sich ein signifikanter Unterschied bei dem Endpunkt „RNA-Kopien <50 / ml“ von 79% vs. 67%. Sämtliche Patienten in beiden Gruppen erhielten zusätzlich Emtricitabin und Tenofovir-Disoproxil (TRUVADA). Diarrhöen waren unter Darunavir/r seltener, 3% der Patienten brachen die Behandlung wegen unerwünschter Wirkungen ab (Vergleichsgruppe mit Lopinavir/r: 7%).1
Darunavir kann auch mit Cobicistat (TYBOST) als „booster“ verwendet werden. Das Kombinationspräparat mit beiden Wirkstoffen (REZOLSTA) ist in der EU zugelassen, wird aber in Deutschland nicht vermarktet. Die Entscheidung über eine Anwendung des Arzneimittels sollte auf Basis der Daten einer Genotypisierung getroffen werden. Bei antiretroviral vorbehandelten Patienten sollte es nicht angewendet werden, wenn eine oder mehrere Darunavir-Resistenz-assoziierte Mutationen (DRV-RAMs), wie zum Beispiel V11I, V32I oder L33F vorliegen oder ≥ 100.000 HIV-1-RNA-Kopien/ml festgestellt werden oder weniger als 100 x 106 CD4+-Zellen/l vorhanden sind.
Erstes Eintabletten-Präparat mit einem Protease-inhibitor
Derzeit sind sechs verschiedene Kombinationspräparate zur einmal täglichen antiretroviralen Therapie mit einer Tablette im Handel. Es handelt sich um Kombinationen aus zwei nukleosidischen Hemmstoffen der reversen Transkriptase [meist Emtricitabin plus Tenofovir-Alafenamid (DESCOVY)] mit einem nicht-nukleosidischen Hemmstoff des Enzyms [Efavirenz (SUSTIVA) oder Rilpivirin (EDURANT)] oder einem Integraseinhibitor [Elvitegravir (in: STRIBILD) oder Dolutegravir (TIVICAY)].
Erstmals wurde jetzt eine Eintabletten-Kombination mit einem Proteaseinhibitor zugelassen. In dem Präparat SYMTUZA wird Darunavir mit Emtricitabin und Tenofovir-Alafenamid kombiniert. Der Zusatz von Cobicistat erhöht die systemische Exposition mit Darunavir.2 Alle Bestandteile der Viererkombination sind bereits als Monopräparate oder Zweierkombinationen zur freien Kombination mit anderen antiretroviralen Wirkstoffen im Handel (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1
Darunavir-haltige Arzneimittel
Wirkstoffe, Dosierung (Erwachsene)
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Handels-name |
Datum der Zulassung (EMA) |
Indikation* (EMA)
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2 x täglich
600 mg Darunavir (in Kombi-nation mit 2 x täglich 100 mg Ritonavir) |
PREZISTA
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Februar 2007 |
in Kombination mit anderen Wirkstoffen zur antiretroviralen Therapie bei erwachsenen und pädiatrischen Patienten ab 3 Jahren |
1 x täglich
800 mg Darunavir 150 mg Cobicistat |
REZOLSTA
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November 2014**
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in Kombination mit anderen Wirkstoffen zur antiretroviralen Therapie bei Erwachsenen |
1 x täglich
800 mg Darunavir 150 mg Cobicistat 200 mg Emtricitabin 10 mg Tenofovir-Alafenamid
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SYMTUZA
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Zulassungs-empfehlung des CHMP vom 20. Juli 2017 |
zur antiretroviralen Therapie bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren |
*Die Anwendung Darunavir-haltiger Arzneimittel soll auf Basis der Daten einer Genotypisierung erfolgen (vgl. Text)
** in Deutschland nicht im Handel
Der Einfluss eines fettreichen Frühstücks auf das pharmakokinetische Verhalten der vier Inhaltsstoffe von SYMTUZA wurde in einer crossover-Studie bei 24 gesunden Probanden ausführlich untersucht.4 Bei einer Einnahme des Arzneimittels auf nüchternen Magen waren die Konzentrationen von Darunavir 30 bis 45% und die von Cobistat um 16 bis 30% niedriger. Es wird daher empfohlen, die Tablette zusammen mit einer Mahlzeit einzunehmen.
Die Wirksamkeit und Verträglichkeit des Kombinationspräparates werden derzeit in zwei Phase-3-Studien untersucht, die mit den Akronymen EMERALD und AMBER bezeichnet werden. Erste Daten der EMERALD-Studie liegen seit Juli 2017 vor.3 An dieser Studie nahmen mehr als 1.000 Patienten teil, die bereits seit mindestens zwei Monaten mit einem Proteaseinhibitor in Kombination mit Emtricitabin und Tenofovir-Disoproxil erfolgreich therapiert wurden. In einer 2:1 Randomisierung wurden sie entweder mit dem neuen Arzneimittel behandelt oder ihre Therapie wurde zum Vergleich unverändert fortgesetzt. In der Zwischenauswertung nach 24 Wochen konnte eine Virussuppression (<50 Kopien / ml Blut) bei 96,3% und 95,5% (Vergleichsgruppe) der Teilnehmer festgestellt werden. Die Verträglichkeit war in den Gruppen sehr ähnlich mit jeweils 2,9% Therapieabbrüchen in den beiden Regimen.
Die Angaben zur Häufigkeit von Hautausschlägen bei einer Behandlung mit Darunavir variieren in den bisher publizierten Studien erheblich zwischen 1,2 und 12%. Die Unterschiede sind sicherlich zum Teil auch methodisch bedingt. Da es sich bei Darunavir um ein Sulfonamid-Derivat handelt, sollte bei Patienten mit bekannter Allergie gegen Sulfonamide die Behandlung mit dem Wirkstoff besonders kritisch abgewogen werden. In drei Studien lag die Rate allergischer Reaktionen bei Patienten mit bekannter Allergie gegen Cotrimoxazol (diverse Generika) recht einheitlich bei etwa 5 bis 8%.5
ZUSAMMENFASSUNG:
Erstmals steht mit SYMTUZA ein Proteaseinhibitor-basiertes Eintabletten-Präparat zur einmal täglichen Behandlung der HIV-Infektion zur Verfügung. Es handelt sich um eine fixe Kombination der drei antiretroviral wirksamen Stoffe Darunavir (PREZISTA), sowie Emtricitabin und Tenofovir-Alafenamid (zusammen in DESCOVY). Zusätzlich ist in den Tabletten Cobicistat (TYBOST) zur Verbesserung der Pharmakokinetik von Darunavir enthalten. Erste Zwischenauswertungen der klinischen Studien belegen eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit. Da Darunavir ein Sulfonamidderivat ist, sollte bei Patienten mit bekannter Sulfonamidallergie die Verordnung besonders kritisch abgewogen werden.
2. EMA, Summary of Opinion SYMTUZA www.ema.europa.eu