Chloroquin und Hydroxychloroquin - zwei Arzneimittel mit antiviralen Wirkungen

Text online veröffentlicht am 26. März 2020

 

Ergänzungen am Ende des Textes

Auf der Suche nach neuen Malariamitteln wurde Chloroquin bereits 1934 synthetisiert. Die chemische Struktur des 4-Aminochinolins lässt die Verwandtschaft mit Chinin erkennen. Später wurde das Derivat Hydroxychloroquin entwickelt, das seit 1955 therapeutisch verwendet wird. Zur Prophylaxe und Therapie der Malaria werden die beiden Wirkstoffe heute selten angewandt, da der wichtigste Malariaerreger, Plasmodium falciparum, sehr häufig resistent ist. Beide Substanzen besitzen Bedeutung bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen, wie rheumatoider Arthritis und Lupus erythematodes (Schrenzenmeier & Dörner, 2020).

Chemische Strukturformeln

Chloroquin und Hydroxychloroquin

 

Chloroquin und sein Hydroxyderivat hemmen in Zellkulturen die Replikation von HIV, Influenza-, Corona- und anderen Viren (Savarino et al., 2003). Auch das SARS-CoV-2, der Erreger von COVID-19, wird in vitro im niedrigen mikromolaren Bereich gehemmt (Liu et al., 2020). Im Zusammenhang mit möglichen Therapien von COVID-19 rücken diese Arzneimittel daher in den Mittelpunkt des Interesses.

 

Pharmakodynamik

 

Antiparasitäre Wirkung: Chloroquin und ähnliche Wirkstoffe zerstören die Blut-Schizonten aller vier Erregerarten der Malaria. Die erythrozytären Formen der Plasmodien bauen Hämoglobin ab, dabei wird Häm freigesetzt. Das Stoffwechselprodukt wird durch die Hämpolymerase zu Hämozoin, dem schlecht löslichen „Malariapigment“, polymerisiert und in der Nahrungsvakuole der Erreger abgelagert. Das basische Chloroquin reichert sich im sauren Milieu der Nahrungsvakuole der Plasmodien an, hemmt die Hämpolymerase und in der Folge nimmt die Konzentration des membranschädigenden Häms zu. Die heute häufig resistenten Plasmodien können die Wirkstoffe durch Efflux rasch eliminieren, sodass keine wirksamen Konzentrationen erreicht werden.

 

Immunmodulierende Wirkung: Lysosomen enthalten hydrolytische Enzyme. Sie kooperieren mit anderen Zellorganellen beim Abbau von Proteinen und anderem Material, das aus dem extrazellulären Milieu per Endozytose in die Zelle gelangt. Auch Substrate aus dem zellulären Stoffwechsel werden abgebaut (Autophagie). Immunologisch bedeutsam ist ihre Funktion bei der Prozessierung von Antigenen und der MHC-II-Präsentation für CD4+-Zellen.

 

Der saure pH-Wert in Lysosomen ist für die Aktivität hydrolytischer Enzyme optimal. Durch Erhöhung des pH-Wertes hemmen Chloroquin / Hydroxychloroquin die Reifung der Lysosomen und Autophagosomen und stören damit die Antigenpräsentation über den lysosomalen Weg. Daneben werden die Signaltransduktion über toll like-Rezeptoren (TLR) beeinflusst und die Ausschüttung von Zytokinen (IL-1, IL-6, TNF und IFN-gamma) reduziert. Die 4-Aminochinoline beeinflussen damit die immunologische Aktivierung auf verschiedenen Wegen. Im Unterschied zu anderen häufig in der Rheumatologie angewandten Immunsuppressiva, wie zum Beispiel Methotrexat, verursachen die Substanzen offenbar kein erhöhtes Risiko für infektiöse Komplikationen (Schrenzenmeier & Dörner, 2020).

 

Antivirale Wirkung: Auch die antivirale Wirkung hängt mit der Anreicherung von Chloroquin in subzellulären Kompartimenten zusammen. Für das SARS-CoV-2 lassen sich die Vorgänge der Replikation folgendermaßen zusammenfassen:

 

Nach der Bindung des Virus an ACE2 kommt es zu Änderungen in der Konformation des S-(spike)-Proteins und zu einer Spaltung des Proteins durch die transmembranäre Protease TMPRSS2. Das Virus wird durch Endozytose aufgenommen und in den Endosomen in die Zelle transportiert. Aus den frühen Endosomen (pH 6 - 6,5) werden Lysosomen mit saurem Inhalt (pH 4,5 - 5,0). Bei niedrigen pH-Werten spaltet die Wirtsprotease Cathepsin L das virale S-Protein und die Virushülle fusioniert mit der Phospholipidmembran der Lysosomen. Die virale Positivstrang(+)-RNA wird ins Zytoplasma entlassen und in einen Negativstrang transkribiert. Dieser dient als Vorlage für die Synthese der viralen mRNA. Infizierte Zellen enthalten etwa 10 bis 100 mal mehr (+)RNA als (-)RNA. Die von zellulären Ribosomen synthetisierten viralen Proteine gelangen über das endoplasmatische Retikulum in den Golgi-Apparat. Neue Virionen werden aus Proteinen und (+)-RNA zusammengesetzt und werden in Vesikeln an die Zellmembran transportiert und durch Exozytose freigesetzt.

 

Zwei wichtige Angriffspunkte werden für Chloroquin und Hydroxychloroquin bei diesen Vorgängen postuliert: (1) sie stören die terminale Glykosylierung des ACE2-Proteins und hemmen dadurch die Bindung des Virus an die Zellen; (2) der saure pH-Wert der Endosomen wird durch die basischen Arzneistoffe erhöht; da Cathepsin L ein saures Milieu zur Spaltung des viralen S-Proteins benötigt, wird seine Aktivität reduziert. Weitere Möglichkeiten bestehen in einer Reduktion der MAK-Kinase-Aktivierung oder einem Einfluss auf die Reifung des viralen M-Proteins. Nicht zuletzt könnte eine Aktivierung von gegen das Virus gerichteten CD8+-Zellen erfolgen und die Bildung proinflammatorischer Zytokine abnehmen (Devaux et al. 2020).

Replikation des Virus SARS-CoV-2 und Angriffspunkte von Chloroquin / Hydroxychloroquin
SARS CoV-2 Replikation Wirkstoffe 26März[...]
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Chinesische Wissenschaftler von der Peking University fanden in Zellkulturexperimenten mit dem Erreger SARS-CoV-2 niedrige inhibitorische Konzentrationen von 0,72 µM für das Hydroxyderivat im direkten Vergleich zu Chloroquin (5,47 µM). Beide Angaben sind EC50–Werte, also Konzentrationen, die eine halbmaximale Hemmung der Virusreplikation bewirken. Sie berechneten, dass bei einer Initialdosis von zweimal 400 mg und anschließender Dosierung von zweimal 200 mg Hydroxychloroquinsulfat täglich deutlich höhere Konzentrationen im Lungengewebe vorhanden sein sollten, als in vitro für eine Inhibition notwendig ist. Gemessen wurden die Konzentrationen allerdings nicht und klinische Studien, die einen möglichen Nutzen einer solchen Behandlung überprüfen, liegen auch noch nicht vor (Yao et al., 2020).

 

Eine andere Gruppe chinesischer Virologen publizierte leicht abweichende EC50-Werte für die Hemmung der viralen Replikation in vitro durch Chloroquin und Hydroxychloroquin (3,8 µM und 4,1 µM bei 0,02 MOI = multiplicities of infection). Da die Ergebnisse von der Art der Zellkultur, den verwendeten Zellen, der Menge der zur Infektion eingesetzten Viren, dem Zeitpunkt der Auswertung und anderen Faktoren abhängig sind, ist dies nicht überraschend (Wang et al., 2020; Liu et al., 2020).

 

Dosierung

 

Zur Malariaprophylaxe wird Chloroquinphosphat oder das Hydroxyderivat einmal pro Woche genommen (Dosierung, siehe Tabelle 1). Die Prophylaxe soll ein bis zwei Wochen vor dem Aufenthalt in Malariagebieten begonnen werden und noch vier Wochen nach der Rückkehr weitergeführt werden. Zur Therapie oder Prophylaxe von Influenza-, HI- oder anderen Virusinfektionen sind unterschiedliche Dosierungen vorgeschlagen worden. Die Arzneimittel sind bei Virusinfektionen nicht zugelassen.

 

Tabelle 1: Dosierung von Chloroquin oder Hydroxychloroquin bei verschiedenen Indikationen

 

 

 

Indikation

 

 

Chloroquin

 

Hydroxy-

chloroquin

Malariaprophylaxe

(bei empfindlichen Plasmodien)

500 mg Chloroquinphosphat (= 300 mg Base)

einmal pro Woche

400 mg Hydroxychloroquinsulfat (= 310 mg Base)

einmal pro Woche

Malariatherapie

(bei empfindlichen Plasmodien)

1000 mg Chloroquinphosphat

(= 600 mg Base), sowie je 500 mg 6, 24 und 48 Stunden später (gesamt 2500 mg)

800 mg Hydroxychloroquin-sulfat (= 620 mg Base), sowie 400 mg 6, 24 und 48 Stunden später (gesamt 2000 mg)

Rheumatoide Arthritis,

Lupus erythematodes

1 x tgl. 250 mg Chloroquinphosphat

Anfangsdosis: 400 bis 600 mg, anschließend 200 bis 400 mg pro Tag

Vorgeschlagene Dosierung von Hydroxychloroquin bei COVID-19

(Yao et al., 2020)

 

Tag 1:

2 x 400 mg

 

Tag 2 bis 5:

2 x 200 mg

Dosierung von Hydroxychloroquin bei COVID-19 Patienten*

 

 

 

Tag 1 bis 10:

3 x tgl. 200 mg

 

*Dosierung bei 20 Patienten in einer Pilotstudie aus Marseille (Gautret et al., 2020)

 

Pharmakokinetische Eigenschaften

 

Nach oraler Gabe wird Chloroquin gut resorbiert. Nach drei bis fünf Stunden werden maximale Serumspiegel erreicht, im Vollblut ist es größtenteils an zelluläre Elemente gebunden. Für die Malariaprophylaxe sind Plasmaspiegel oberhalb von etwa 15 bis 30 μg/l, erforderlich, für die Malariatherapie werden Plasmaspiegel von ca. 100 bis 200 μg/l benötigt (Fachinfo Resochina).

 

In der Leber, Milz, Niere, Lunge und anderen Organen findet eine Anreicherung statt. In parenchymatösen Zellen wird das 100- bis 500fache und in pigmentierten Zellen bis zum 1000fachen der Chloroquin-Plasmakonzentration gefunden. Es wird zu etwa 55 % an Plasmaproteine gebunden. Das scheinbare Verteilungsvolumen ist sehr hoch, es liegt bei etwa 800 l/kg Körpergewicht. Je nach Versuchsdesign wurden unterschiedliche Werte ermittelt und publiziert. Neben der analytischen Methode ist auch das Dosisregime eine Ursache für solche Divergenzen. Durch oxidativen Abbau über Cytochrom P450-abhängige Monooxygenasen, wie CYP2C8, CYP3A4, CYP2D6 und CYP1A1, in der Leber entstehen unter anderem einfach oder zweifach desethylierte Metaboliten. Etwa 50% einer Dosis wird unverändert renal eliminiert, 25% in Form des Monodesethylchloroquin. Durch Ansäuerung des Urins kann die Elimination im Urin erhöht werden. Die Ausscheidung aus den tiefen Kompartimenten erfolgt nur langsam: die Eliminationshalbwertzeit liegt zunächst im Bereich weniger Tage, mit abfallenden Spiegeln jedoch bei 30 bis 60 Tagen. Spuren des Wirkstoffs können noch viele Monate nach einer Therapie mit Chloroquin nachgewiesen werden. Hydroxychloroquin verhält sich pharmakokinetisch ähnlich wie Chloroquin (Fachinfo Quensyl, Rainsford et al., 2015). In der Tabelle 2 wurden die wichtigsten pharmakokinetischen Kenngrößen im Vergleich zusammengestellt.

 

Tabelle 2. Pharmakokinetische Kenngrößen von Chloroquin und Hydroxychloroquin (mod. nach Rainsford et al., 2015, Schrenzenmeier & Dörner, 2020, Fachinfos u.a.)

 

 

Kenngröße

 

Chloroquin

 

 

Hydroxy-

Chloroquin

Bioverfügbarkeit

70 - 80%

70 - 80%

 

Tmax

3,6 h

3,2 h

 

Cmax

28 µg/l

46 µg/l

 

Plasmaprotein-bindung

55%

45%

 

Terminale Halbwertzeit

45 ± 15 Tage

41 ± 11 Tage

 

Verteilungs-volumen (ss)

65.000 l

47.257 l

 

Renale Clearance

51%

21%

 

 

 

Klinische Studien mit Hydroxychloroquin bei COVID-19

 

Mehrere klinische Studien mit Hydroxychloroquin wurden bei www.clinicaltrials.gov registriert. Eine Überprüfung der Anwendbarkeit der Wirkstoffe bei COVID-19 in randomisierten Studien ist zwingend notwendig, auch Placebo-kontrollierte Studien sind bei dem derzeitigen Wissensstand unumgänglich (Kalil, 2020; Stahlmann & Lode, 2020).

 

Derzeit liegen keine fundierten Ergebnisse von klinischen Studien vor, in denen die Wirksamkeit von Chloroquin oder Hydroxychloroquin bei COVID-19 untersucht wurde. In einer Mitteilung aus Marseille wird über die Behandlung von COVID-19 mit Hydroxychloroquin berichtet. Bei einer kleinen Gruppe von 20 Patienten wurde unter der Behandlung mit Hydroxychloroquin eine deutliche Reduktion der Virusausscheidung beobachtet, der Effekt war noch ausgeprägter bei gleichzeitiger Gabe von Azithromycin. Die Studie war nicht randomisiert und weist andere methodische Mängel auf, die Ergebnisse sollten daher zurückhaltend interpretiert werden, deuten aber auf eine mögliche Wirksamkeit des Arzneistoffes hin (Gautret et al., 2020).

 

Unerwünschte Wirkungen

 

Art und Häufigkeit der unerwünschten Wirkungen sind von der Höhe der Dosis, Art der Verabreichung (oral oder parenteral) und Dauer der Therapie abhängig. Die Nebenwirkungen manifestieren sich vorwiegend an den folgenden Organsystemen: Magendarmtrakt, Nervensystem, Haut, blutbildendes System und Auge (Jorge et al.2018; Stokkermans & Trichonas. 2020).

 

Gastrointestinale Störungen sind relativ häufig (z.B. Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle), auch neurotoxische Reaktionen (Schwindel, Kopfschmerzen, Benommenheit, Parästhesien, Unruhe, Psychosen, Krampfanfälle) können auftreten. Die Haut kann mit Exanthemen, Juckreiz und Pigmentverschiebungen reagieren. Seltene Nebenwirkungen sind Tinnitus, Hörschäden, Verminderung des Skelettmuskeltonus und Absenkung der T-Welle im EKG. Eine genaue Risikoabschätzung der kardiologischen Nebenwirkungen ist nicht möglich, weil randomisierte Studien fehlen (Chatre et al., 2018). Hydroxychloroquin wird heute überwiegend bei Patienten mit entzündlichen rheumatologischen Erkrankungen angewandt, bei denen bereits durch die Erkrankung ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen besteht. In diesem Zusammenhang werden auch protektive Wirkungen des Hydroxychloroquin bei langfristiger Therapie diskutiert (Schrenzenmeier & Dörner, 2020).

 

Durch Einlagerung des Stoffes in die Hornhaut und Retina (dosisabhängig, auch irreversibel) können gravierende Augenschäden auftreten (Hornhauttrübungen, irreversible Retinaläsionen). Erste Zeichen von Schädigungen am Auge sind Doppeltsehen, Flimmerskotome und Akkommodationsstörungen. Gesichtsfeld-einschränkungen sind Zeichen einer beginnenden Retinopathie. Das Risiko für Retinopathien ist erst bei mehrjähriger Einnahme der Medikamente deutlich erhöht. Genaue, vergleichende Daten zu ophthalmologischen Nebenwirkungen von Chloroquin und Hydroxychloroquin fehlen. Zwar wird von einem geringeren Risiko nach Hydroxychloroquin ausgegangen, doch wurden in den vergangenen Jahren die Dosisempfehlungen auch für dieses Derivat bei langfristiger Therapie reduziert (Jorge et al.2018).

 

Interaktionen

 

Einige Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sind bekannt. Antazida können zum Beispiel die Absorption beeinträchtigen. Chloroquin kann zu einer Erhöhung der Digoxin-Plasmakonzentration mit Glykosidintoxikation bei langfristiger Komedikation führen. Der Abbau von Metoprolol über CYP2D6 wird gehemmt. Chloroquin sollte möglichst nicht zusammen mit Arzneimitteln gegeben werden, die das QT-Intervall verlängern, wie z. B. Antiarrhythmika, trizyklische Antidepressiva, Antipsychotika sowie einige Antiinfektiva, da ein erhöhtes Risiko für ventrikuläre Arrhythmien besteht.

 

Kontraindikationen

 

Chloroquin und Hydroxychloroquin sind kontraindiziert bei Retinopathie und Gesichtsfeldeinschränkungen, Erkrankungen des blutbildenden Systems, Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel, Myasthenia gravis und Überempfindlichkeit gegen 4-Aminochinoline. Eine relative Kontraindikation besteht bei Psoriasis, Porphyrie und Epilepsie sowie bei schweren Nieren- und Lebererkrankungen.

 

Zusammenfassung:

 

Chloroquin und Hydroxychloroquin sind lang bekannte Arzneistoffe, die zur Prophylaxe und Therapie der Malaria und zur Therapie von Autoimmunkrankheiten, wie rheumatoider Arthritis oder Lupus erythematodes, verwendet werden. Da sie auch antiviral wirken, werden die Substanzen aktuell hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Verträglichkeit bei COVID-19 untersucht. In vitro wird SARS-CoV-2 im niedrigen mikromolaren Bereich gehemmt. Die beiden 4-Aminochinoline reichern sich aufgrund ihrer Basizität in hohem Maße in subzellulären Strukturen mit niedrigem pH-Wert (Lysosomen) an. Die Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe liegt bei ca. 75%, die Elimination erfolgt sehr langsam mit Halbwertzeiten im Bereich von etwa 45 Tagen. Die unerwünschten Wirkungen sind aus der Jahrzehnte langen Erfahrung mit diesen Arzneimitteln bei anderen Indikationen auch bei langfristiger Anwendung gut bekannt. Eine dosislimitierende schwerwiegende Nebenwirkung ist die potenziell irreversible Retinopathie mit Visusverlust. Ein deutlich erhöhtes Risiko für Netzhautschäden besteht bei einer Therapie von mehr als fünf Jahren. Ansonsten können Störungen von Seiten des Magendarmtrakts, des Nervensystems und der Haut auftreten. Einige Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln müssen beachtet werden. Ob eine Therapie mit Chloroquin oder Hydroxychloroquin den Verlauf einer COVID-19 beeinflussen kann, wird in randomisierten klinischen Studien zurzeit untersucht.

 

Literatur

 

Chatre C, Roubille F, Vernhet H, Jorgensen C, Pers YM. Cardiac Complications Attributed to Chloroquine and Hydroxychloroquine: A Systematic Review of the Literature. Drug Saf. 2018 Oct;41(10):919-931 PubMed Abstract

 

Devaux CA, Rolain JM, Colson P, Raoult D. New insights on the antiviral effects of chloroquine against coronavirus: what to expect for COVID-19? Int J Antimicrob Agents. 2020 Mar 11:105938 [Epub ahead of print] FREE FULL TEXT

 

Fachinfo Resochina Tabletten

 

Fachinfo Quensyl Sanofi

 

Gautret et al. Hydroxychloroquine and azithromycin as a treatment of COVID19: results of an openlabel nonrandomized clinical trial. Int J Antimicrob Agents 2020 (in Press, 17 March) FREE FULL TEXT

 

Jorge A, Ung C, Young LH, Melles RB, Choi HK. Hydroxychloroquine retinopathy -implications of research advances for rheumatology care. Nat Rev Rheumatol. 2018;14:693-703 Review FREE FULL TEXT

 

Kalil AC. Treating COVID-19 – off-label drug use, compassionate use, and randomised clinical trials during pandemics. JAMA 2020 (March 24; ahead of print)

 

Liu J et al. Hydroxychloroquine, a less toxic derivative of chloroquine, is effective in inhibiting SARS-CoV-2 infection in vitro. Cell Discov 2020 Mar 18;6:16. doi: 10.1038/s41421-020-0156-0  FREE FULL TEXT

 

Rainsford KD, Parke AL, Clifford-Rashotte M, Kean WF. Therapy and pharmacological properties of hydroxychloroquine and chloroquine in treatment of systemic lupus erythematosus, rheumatoid arthritis and related diseases. Inflammopharmacology. 2015 Oct;23(5):231-69 Review. PubMed abstract

 

Savarino A et al. Effects of chloroquine on viral infections: an old drug against today’s diseases? Lancet Inf Dis 2003; 3:722-727 FREE FULL TEXT

 

Schrezenmeier E, Dörner T. Mechanisms of action of hydroxychloroquine and chloroquine: implications for rheumatology. Nat Rev Rheumatol. 2020 Mar;16(3):155-166  Review. FREE FULL TEXT

 

Stahlmann R, Lode H. Therapie der COVID-19 – erste klinische Studien mit verschiedenen Wirkstoffen. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 213-9 FREE FULL TEXT

 

Stokkermans TJ, Trichonas G. Chloroquine And Hydroxychloroquine Toxicity. StatPearls 2020 FREE FULL TEXT

 

Wang M et al. Remdesivir and chloroquine effectively inhibit the recently emerged novel coronavirus (2019-nCoV) in vitro. Cell Research 2020 (ahead of print, February 4, 2020) FREE FULL TEXT

 

Yao X et al. In Vitro Antiviral Activity and Projection of Optimized Dosing Design of Hydroxychloroquine for the Treatment of Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 (SARS-CoV-2). Clin Infect Dis. 2020 Mar 9. [Epub ahead of print] FREE FULL TEXT

 

Ergänzung (Juni 2020)

 

FDA widerruft die Notfallzulassung für (Hydroxy)-Chloroquin

Die FDA hat die Notfallzulassung von (Hydroxy)-Chloroquin für die Therapie von COVID-19 Patienten widerrufen. Es sei „unwahrscheinlich, dass diese Arzneimittel bei der SARS-CoV-2-Infektion wirksam sind“. Anhaltende Berichte über schwerwiegende kardiale Nebenwirkungen der Medikamente weisen darüber hinaus auf Risiken hin, die mit den Malariamitteln verbunden seien. Die aktuelle Bewertung ergebe keinen Nutzen, der größer sei als die möglichen Risiken.

 

FDA, US Food and Drug Administration. HCQ and CQ revocation letter. June 15, 2020 (PDF-Datei)

 

Ergänzung (Juli 2020)

 

Warum ist Hydroxychloroquin bei COVID-19 nicht wirksam?

In Zellkulturexperimenten mit SARS-CoV-2 zeigte Hydroxychloroquin (HCQ) eine ähnlich hohe in vitro Aktivität gegen das Virus wie Remdesivir. Trotzdem verliefen alle klinischen Studien enttäuschend. Es wurde zunächst berechnet, dass deutlich höhere Konzentrationen im Lungengewebe erzielt werden können, als in vitro für eine Inhibition notwendig ist.1 Dies stellen klinische Pharmakologen der FDA in einer aktuellen Publikation in Frage. Sie verweisen darauf, dass auch in-vitro eine erhebliche intrazelluläre Anreicherung stattfindet. Wenn zur Berechnung die Konzentration benutzt wird, die der Zellkultur zugegeben wird – also die extrazelluläre – muss auch bei den Konzentrationen in der Lunge die extrazelluläre Konzentration eingesetzt werden. Sie gehen davon aus, dass dies der Plasmakonzentration entspricht und berechneten die Quotienten neu. Die Ergebnisse zeigen, dass keine ausreichenden Konzentrationen erwartet werden können.2 Bei Patienten aus der RECOVERY-Studie wurden Serumkonzentrationen von HCQ im Bereich von 0,4 bis 0,6 mg/l bestimmt - Konzentrationen, die kaum höher sind als die EC50 (ca. 0,2 mg/l) in Zellkulturen.3 Da sich die Dosierung aus toxikologischen Gründen nicht weiter erhöhen lässt, sind die „Malariamittel“ trotz ihrer antiviralen und antiinflammatorischen Wirkungen offensichtlich ungeeignet zur Prophylaxe oder Therapie der COVID-19.

 

1. Yao X et al. In Vitro Antiviral Activity and Projection of  optimized Dosing Design of Hydroxychloroquine for the Treatment of Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 (SARS-CoV-2). Clin Infect Dis. 2020 Mar 9:ciaa237. Epub ahead of print.

 

2. Fan J et al. Connecting hydroxychloroquine in vitro antiviral activity to in vivo concentration for prediction of antiviral effect: a critical step in treating COVID-19 patients. Clin Infect Dis. 2020 May 21:ciaa623. doi: 10.1093/cid/ciaa623. Epub ahead of print. PMID: 32435791; PMCID: PMC7314136.

 

3. MacGowan A et al. Hydroxychloroquine serum concentration in non-critical care patients infected with SARS-CoV-2. (June 23, 2020, medRxiv preprint)

 

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