Ceftolozan - ein neues Cephalosporin in Kombination mit Tazobactam

Unveränderter Text aus Heft 1, 2016

Ergänzungen am Ende des Textes

 

Ceftolozan ist ein neues ß-Laktamantibiotikum mit hoher Pseudomonas-Aktivität, das als erstes Cephalosporin in fixer Kombination mit einem ß-Laktamase-Inhibitor in den Handel kommt. Unter dem Namen ZERBAXA ist es seit einigen Monaten zur intravenösen Infusion verfügbar. Das Arzneimittel enthält neben 1,0 g Ceftolozan auch 0,5 g Tazobactam.1 Tazobactam war bisher nur als Kombinationspartner von Piperacillin unter dem Handelsnamen TAZOBAC verfügbar (vgl. Heft 1 / 1994, Archiv). Vor dem Hintergrund der zunehmenden bakteriellen Resistenz durch ß-Laktamasen ist es mittlerweile sinnvoll, nicht nur Penicilline sondern auch Cephalosporine mit einem Schutz vor diesen inaktivierenden Enzymen auszustatten.2

 

In kaum einer anderen Antibiotikagruppe sind so viele Derivate synthetisiert und untersucht worden wie bei den Cephalosporinen. Struktur-Wirkungsbeziehungen sind daher recht gut bekannt und die Erkenntnisse über die strukturellen Voraussetzungen eines neuen Cephalosporins mit optimierten Eigenschaften nehmen mit jeder Entwicklung zu. Die Synthese des Ceftolozans verlief mit dem Ziel, erstens ein Derivat mit hoher Pseudomonas-Aktivität zu synthetisieren und zweitens ein ß-Laktam mit niedrigem neurotoxischen Potenzial herzustellen.3 Beide Ziele konnten erreicht werden. Die Seitenkette mit einer Dimethylessigsäure-Substitution ist auch im Ceftazidim vorhanden (Abbildung). Der Thiadiazol-Ring ist dem Thiazol-Ring ähnlich, der in den meisten Cephalosporinen die ausgeprägte Aktivität gegen gramnegative Erreger begünstigt. Ähnlich wie bei den beiden anderen Cephalosporinen mit Pseudomonas-Wirksamkeit, Ceftazidim (FORTUM u.a.) und Cefepim (MAXIPIME u.a.), weist der Substituent in Position 3 eine positive Ladung auf.

Strukturformel Ceftolozan als Sulfat (FR264205; MM 765). Charakteristisch ist der Rest in 3-Position (blau): der positiv geladene, substituierte 2-Methylpyrazol-Ring bewirkt eine optimale Balance zwischen hoher Pseudomonas-Aktivität und niedrigem neurotoxischen Potenzial.3

Antibakterielle Wirkung

 

Ceftolozan ist in vitro gegen Pseudomonas aeruginosa etwa achtfach aktiver als Ceftazidim.4,5 Die Hemmkonzentrationen lagen bei 1 und 8 mg/l (MHK50) bzw. 8 und 128 mg/l (MHK90). Wie aus der Tabelle 1 ersichtlich, führt der Zusatz von Tazobactam nicht zu einer höheren Aktivität gegen Pseudomonas, sondern erweitert das Spektrum des Präparates auf die ESBL-bildenden Bakterien. P. aeruginosa verfügt über mehrere Mechanismen, um Resistenz gegenüber ß-Laktamantibiotika zu entwickeln. Dazu gehören unter anderem die vermehrte Expression von Efflux-Pumpen, sowie die Abnahme der Porine in der äußeren Membran des Erregers. ß-Laktamasebildung spielt nur eine untergeordnete Rolle für die Resistenz dieses Bakteriums. Ceftolozan ist stabil gegenüber vielen ß-Laktamasen, jedoch nicht gegenüber ESBL. Durch Kombination mit Tazobactam werden auch die ESBL-bildenden Erreger erfasst. Bei ESBL-bildenden Escherichia coli verändert sich dadurch zum Beispiel der MHK90-Wert von >64 mg/l auf 4 mg/l. Die Kombination ist nicht wirksam bei Erregern, die Carbapenemasen bilden. Auch die Wirkung gegen grampositive Bakterien ist schwach und therapeutisch nicht bedeutsam.

Tabelle 1: Minimale Hemmkonzentrationen (MHK) von ß-Laktamantibiotika gegen Pseudomonas aeruginosa (n= 449 Isolate)6

 

 

ß-Laktamantibiotikum

 

MHK50

(mg/l)

 

MHK90

(mg/l)

Ceftolozan

1

8

Ceftolozan + Tazobactam

1

8

Ceftazidim

16

128

Cefepim

8

>16

Imipenem

>8

>8

Piperacillin + Tazobactam

32

>64

Pharmakokinetische Eigenschaften

 

Die Pharmakokinetik von Ceftolozan ist sowohl nach alleiniger Gabe, als auch nach Infusion des Kombinationspräparates bei gesunden Probanden untersucht worden. In der Tabelle wurden die Daten nach der ersten Infusion und nach Verabreichung von jeweils drei Infusionen täglich über 10 Tage zusammengestellt, die sich kaum voneinander unterscheiden. Wie bei den meisten anderen Cephalosporinen ist das Verteilungsvolumen eher gering und die Elimination erfolgt rasch, ganz überwiegend in unveränderter Form über die Niere.

 

Tabelle 2: Pharmakokinetische Daten von Ceftolozan nach Gabe von 1,0 g in Kombination mit 0,5 g Tazobactam (MW ± SD)7

 

 

 

1. Tag
 

 

10. Tag

Cmax (mg/l)

  69,1 ± 7,8

  74,4 ± 10,1

AUC (mg x h /l)

172 ± 24

197 ± 33

Cl (l/h)

    5,86 ± 0,80

    5,58 ± 0,70

Vss (l)

 14,6 ± 2,3

14,2 ± 2,4

t½ (h)

   2,77 ± 0,83

   3,12 ± 0,68

 

Bei Patienten mit mäßig bis stark eingeschränkter Nierenfunktion muss die Dosierung reduziert werden. Patienten mit einer geschätzten Kreatinin-Clearance zwischen 30 und 50 ml/min erhalten die Hälfte der üblichen Dosis, bei Werten zwischen 15 und 29 ml/min wird nur ein Viertel verabreicht; das Dosierungsintervall von acht Stunden bleibt in jedem Fall unverändert. Der für die Wirksamkeit entscheidende pharmakologische Index ist die Zeitdauer oberhalb der minimalen Hemmkonzentration des Erregers.8

 

Wirksamkeit

 

Das Kombinationspräparat ist zur Behandlung von komplizierten intraabdominellen Infektionen, komplizierten Harnwegsinfektionen und akuter Pyelonephritis bei Erwachsenen zugelassen. Die Wirksamkeit des ß-Laktamantibiotikums bei etwa tausend Patienten mit komplizierten Harnwegsinfektionen wurde in einer Doppelblindstudie im Vergleich zu Levofloxacin (TAVANIC u.a.) untersucht. Die überwiegend an einer Pyelonephritis erkrankten Patienten erhielten entweder dreimal täglich eine einstündige Infusion mit 1,0 g Ceftolozan / 0,5 g Tazobactam oder einmal täglich 750 mg Levofloxacin intravenös. Der mit Abstand am häufigsten isolierte Erreger war E. coli (78,6%), P. aeruginosa wurde nur bei weniger als 3% der Patienten nachgewiesen. Nur knapp 3% der Erreger waren resistent gegen Ceftolozan / Tazobactam, etwa jeder vierte isolierte Erreger war jedoch resistent gegen Levofloxacin (26,7%). Das Studienprotokoll sah für diese Patienten die Möglichkeit der Therapieanpassung vor. Als primärer Endpunkt war die klinische Heilung nach fünf bis neun Tagen bei Eradikation des Erregers definiert worden. Bei etwa 15% der 800 Patienten der mMITT-Population (microbiological modified intent-to-treat) war die Infektion durch ESBL-produzierende Bakterien verursacht. Ein Heilungserfolg wurde in der ß-Laktamgruppe bei 76,9% und in der Chinolongruppe bei 68,4% erzielt. Das Kombinationspräparat war damit signifikant überlegen. Der klinische Erfolg in der Analyse der per protocol Behandelten, etwa 700 Patienten, zeigte einen relativ geringen Unterschied zwischen den Gruppen (95,9% vs. 93,2%).9

 

In einer ähnlich umfangreichen Doppelblindstudie wurde das neue Antibiotikum in Kombination mit Metronidazol (diverse Handelsnamen) bei Patienten mit komplizierten intraabdominellen Infektionen im Vergleich zu Meropenem (MERONEM u.a.) untersucht. Auch hier erwies es sich als nicht unterlegen und ähnlich gut verträglich.10

 

Verträglichkeit

 

Das Kombinationspräparat war gut verträglich. Die häufigsten Nebenwirkungen bei den mit Ceftolozan / Tazobactam behandelten Patienten waren Übelkeit, Kopfschmerzen, Obstipation, Diarrhö und Fieber. Im direkten Vergleich mit Levofloxacin oder Meropenem zeigten sich keine signifikanten Unterschiede.

 

ZUSAMMENFASSUNG:

 

Ceftolozan ist ein neues, Pseudomonas-wirksames Cephalosporin, das in Kombination mit dem ß-Laktamase-Inhibitor Tazobactam unter dem Namen ZERBAXA verfügbar ist. In einer Dosierung von 1,0 / 0,5 g wird das Präparat dreimal täglich per Infusion verabreicht. Beide Bestandteile werden relativ rasch unverändert renal eliminiert, bei Nierenfunktions-einschränkung (ClCr < 50 ml / min) muss die Dosierung reduziert werden. Es ist bei komplizierten Harnwegsinfektionen und komplizierten intraabdo-minellen Infektionen zugelassen. In den klinischen Studien wurden die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit belegt. Das neue Antibiotikum stellt eine interessante Alternative zu den Fluorchinolonen und Carbapenemen dar, bei Erregern mit Carbapenemase-Bildung ist es jedoch nicht wirksam. Weitere Erfahrungen sind notwendig, um den genauen Stellenwert des Arzneimittels zu definieren.

 

1. ZERBAXA,  Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, EMA (www.ema.europa.eu)

 

2. Bush K. A resurgence of β-lactamase inhibitor combinations effective against multidrug-resistant Gram-negative pathogens. Int J Antimicrob Agents. 2015 Sep 25. [Epub ahead of print] Review.

 

3. Toda A, Ohki H, Yamanaka T, Murano K, Okuda S, Kawabata K, Hatano K, Matsuda K, Misumi K, Itoh K, Satoh K, Inoue S. Synthesis and SAR of novel parenteral anti-pseudomonal cephalosporins: discovery of FR264205. Bioorg Med Chem Lett. 2008 Sep 1;18(17):4849-52

 

4. Sucher AJ, Chahine EB, Cogan P, Fete M. Ceftolozane/Tazobactam: A New Cephalosporin and β-Lactamase Inhibitor Combination. Ann Pharmacother. 2015 Sep;49(9):1046-56

 

5. Zhanel GG, Chung P, Adam H, Zelenitsky S, Denisuik A, Schweizer F, Lagacé-Wiens PR, Rubinstein E, Gin AS, Walkty A, Hoban DJ, Lynch JP 3rd, Karlowsky JA. Ceftolozane/tazobactam: a novel cephalosporin/β-lactamase inhibitor combination with activity against multidrug-resistant gram-negative bacilli. Drugs. 2014 Jan;74(1):31-51

 

6. Sader HS, Rhomberg PR, Farrell DJ, Jones RN. Antimicrobial activity of CXA-101, a novel cephalosporin tested in combination with tazobactam against Enterobacteriaceae, Pseudomonas aeruginosa, and Bacteroides fragilis strains having various resistance phenotypes. Antimicrob Agents Chemother. 2011 May;55(5):2390-4

 

7. Miller B, Hershberger E, Benziger D, Trinh M, Friedland I. Pharmacokinetics and safety of intravenous ceftolozane-tazobactam in healthy adult subjects following single and multiple ascending doses. Antimicrob Agents Chemother. 2012 Jun;56(6):3086-91

 

8. Wooley M, Miller B, Krishna G, Hershberger E, Chandorkar G. Impact of renal function on the pharmacokinetics and safety of ceftolozane-tazobactam. Antimicrob Agents Chemother. 2014;58(4):2249-55

 

9. Wagenlehner FM, Umeh O, Steenbergen J, Yuan G, Darouiche RO. Ceftolozane-tazobactam compared with levofloxacin in the treatment of complicated urinary-tract infections, including pyelonephritis: a randomised, double-blind, phase 3 trial (ASPECT-cUTI). Lancet. 2015 May 16;385(9981):1949-56

 

10. Solomkin J, Hershberger E, Miller B, Popejoy M, Friedland I, Steenbergen J, Yoon M, Collins S, Yuan G, Barie PS, Eckmann C. Ceftolozane/Tazobactam Plus Metronidazole for Complicated Intra-abdominal Infections in an Era of Multidrug Resistance: Results From a Randomized, Double-Blind, Phase 3 Trial (ASPECT-cIAI). Clin Infect Dis. 2015 May 15;60(10):1462-71

 

Ergänzung (2019)

 

Eine Zulassungserweiterung von Ceftolozan / Tazobactam (ZERBAXA) wurde vom CHMP - dem zuständigen Komitee bei der EMA - empfohlen. Als weitere Indikation ist nun die nosokomiale Pneumonie (HAP), einschließlich der beatmungsassoziierten Pneumonie (VAP) hinzuge-kommen.

 

EMA / CHMP Summary of Opinion

 

 

Ergänzung (2019)

 

Leitlinie zur Therapie mit parenteralen Antibiotika

Auf die ausführliche PEG S2k Leitlinie (AWMF-Registernummer 082-006) der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.v.  (PEG) Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – update 2018 (2. aktualisierte Version; 25. Juli 2019) sei an dieser Stelle hingewiesen.

 

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