Unveränderter Text aus ZCT Heft 2, 1984
Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes
Mit Ceftazidim (FORTUM) kann ein neues Antibiotikum in die lange Liste der Cephalosporine eingereiht werden. Im Vergleich zu manchen anderen in der letzten
Zeit neu eingeführten Substanzen besitzt Ceftazidim einen wichtigen Vorteil auf mikrobiologischem Gebiet: es zeichnet sich durch eine ausgeprägte Aktivität gegen P. aeruginosa aus. Damit wurde unter
Beibehaltung einer breiten Wirkung vorwiegend im gramnegativen Bereich eine traditionelle Lücke im antibakteriellen Spektrum der Cephalosporine geschlossen.
Ceftazidim ist hochwirksam gegen fast alle Enterobakterien. Die in vitro gemessenen Hemmkonzentrationen liegen im Vergleich zu den erreichbaren Serumkonzentrationen mit durchschnittlich 0,06-0,25 mg/l äußerst niedrig und sind mit denen von Cefotaxim (CLAFORAN) und Latamoxef (MOXALACTAM) vergleichbar. Hatten diese genannten Antibiotika bereits eine mäßige Wirkung gegen P. aeruginosa, so besitzt Ceftazidim auch gegen diesen Erreger eine bisher nicht erreichte Aktivität, die auf Gewichtsbasis mit der der Aminoglykoside vergleichbar ist. Auch im Vergleich zu dem Pseudomonas-wirksamen Cephalosporin Cefsulodin (PSEUDOCEF) und den Pseudomonas-wirksamen Penicillinen wie Azlocillin (SECUROPEN), Ticarcillin (AERUGIPEN), Apalcillin (LUMOTA) und Piperacillin (PIPRIL) ist Ceftazidim in vitro günstiger zu bewerten. Neben der "Enterokokkenlücke" besteht auch eine Schwäche von Ceftazidim im grampositiven Bereich. Streptokokken und Pneumokokken sind mäßig sensibel, die Wirksamkeit gegen St. aureus muß als schwach eingestuft werden, während Stämme von St. epidermidis häufig resistent sind. Ebenfalls ungünstig ist die schwache Wirkung gegen Anaerobier, die die Anwendung bei Mischinfektionen, besonders im abdominellen Bereich, einschränken dürfte.
Ceftazidim ist gegen Hydrolyse durch bakterielle ß-Laktamasen hochresistent; eine Ausnahme bilden Typ IV Enzyme von B. fragilis, die die Substanzen
abbauen.
Nach i.v. Gabe von 2 g Ceftazidim liegen die Serumkonzentrationen über einen Zeitraum von 12 Stunden nach Applikation über den minimalen Hemmkonzentrationen der meisten gramnegativen Erreger. Die Substanz wird mit einer Halbwertzeit von durchschnittlich 1,6 Stunden aus dem Serum eliminiert. Die Ausscheidung erfolgt fast ausschließlich renal, 70-90% der Dosis lassen sich in den ersten 24 Stunden nach Applikation im Urin nachweisen. Probenecid (BENEMID) ist ohne Einfluß auf die Pharmakokinetik, woraus man schließen kann, daß eine tubuläre Sekretion keine Rolle spielt. Bei gestörter Nierenfunktion ist die Halbwertzeit deutlich verlängert. Bei terminaler Niereninsuffizienz wurden 26,7 Stunden gemessen. Bei Hämodialyse-Patienten beträgt die adäquate Dosis 0,5 g alle 24-48 Stunden, die wegen guter Dialysierbarkeit im Anschluß an die Dialyse verabreicht werden sollte. Neugeborene haben ebenso wie ältere Patienten eine eingeschränkte Clearance für Ceftazidim, aus der eine mäßig verlängerte Halbwertzeit resultiert. Das Verteilungsvolumen entspricht dem Extrazellulärraum. Die Serumproteinbindung wurde konzentrationsunabhängig zwischen 10 und 20% bestimmt. Die biliäre Ausscheidung liegt unter 1% der Dosis; in der Choledochusgalle und in der Gallenblasenwand ließen sich therapeutische Konzentrationen nachweisen. Ein Metabolismus von Ceftazidim ist nicht bekannt. Die Penetration in den Liquor cerebrospinalis ist vom Entzündungsgrad der Meningen abhängig. Während bei nicht entzündeten Meningen Liquorkonzentrationen unter 1 mg/l gemessen wurden, lagen bei Meningitis überwiegend höhere Konzentrationen vor. Therapeutisch wirksame Konzentrationen fanden sich auch in den meisten anderen Geweben und Körperflüssigkeiten.
Während der klinischen Prüfung wurden therapeutische Erfahrungen mit Ceftazidim bei mehreren tausend Patienten gewonnen. Es handelte sich dabei überwiegend um Infektionen der Atemwege, Harnwege, um Sepsis sowie chirurgische Infektionen. Die Therapieerfolge entsprachen mit ca. 80% denen, die mit einem modernen Antibiotikum erwartet werden können. Von 541 P. aeruginosa-Infektionen konnten 60% erfolgreich behandelt werden. In Einzelfällen muß mit Resistenzentwicklung unter der Therapie gerechnet werden. Trotz der nur mäßigen in vitro-Aktivität konnte die Mehrzahl der St. aureus-Infektionen erfolgreich behandelt werden, doch muß auf Therapieversager bei schweren Infektionen mit diesem Erreger hingewiesen werden. Vergleichsuntersuchungen mit Aminoglykosiden bei Harnwegsinfektionen und mit Kombinationen von Cefazolin (ELZOGRAM, GRAMAXIN) und Tobramycin (GERNEBCIN) bei respiratorischen Infektionen ergaben keine wesentlichen therapeutischen Unterschiede. Die meisten Infektionen wurden mit Tagesdosen zwischen 1 und 6 g behandelt, besonders bei Harnwegsinfektionen ließen sich mit höheren Dosen im Vergleich zu 0,25 und 0,5 g zweimal täglich keine besseren Behandlungsergebnisse erzielen.
Vorläufige Resultate bei immunkomprimierten Patienten zeigten eine vergleichbare Wirksamkeit von Ceftazidim mit den heute allgemein angewandten
Kombinationen von ß-Laktam-Antibiotika und Aminoglykosiden auch bei neutropenischen Patienten. Therapieversager bei Staphylokokkeninfektionen sowie Superinfektionen mit Enterokokken und
Clostridienlegen jedoch die gleichzeitige Gabe eines gegen grampositive Erreger wirksamen Antibiotikums nahe. Nach vergleichenden Untersuchungen der Serumbakterizidie gegen P. aeruginosa und K.
pneumoniae zeigte sich keine Aktivitätssteigerung gegenüber Ceftazidim als Monotherapie. Der Stellenwert von Ceftazidim allein und in Kombination mit einem Aminoglykosid in der Infektionstherapie
neutropenischer Patienten wird zur Zeit multizentrisch untersucht.
Die Verträglichkeit von Ceftazidim muß als überwiegend gut bezeichnet werden. Die üblichen Unverträglichkeits-reaktionen von ß-Laktam-Antibiotika wie gastrointestinale Störungen (2,4%) und
Hypersensitivitätsreaktionen (2,7%) wurden registriert. Ein Anstieg der Leberfermente wurde bei 7% der Patienten beobachtet und liegt damit in der gleichen Größenordnung wie bei anderen
ß-Laktam-Antibiotika. Alkoholunverträglichkeit und Blutungskomplikationen sind bisher nicht bekannt und lassen sich aufgrund der chemischen Struktur, der renalen Ausscheidung und der fehlenden
Beeinflussung der fäkalen anaeroben Flora auch nicht erwarten.
Ceftazidim (FORTUM) besitzt eine hohe Aktivität gegen gramnegative Enterobakterien und eine bisher für ein Cephalosporin nicht erreichte Pseudomonas-Wirksamkeit. Als nachteilig muß die schwache Aktivität im grampositiven Bereich (besonders Staphylokokken) sowie gegen Anaerobier gewertet werden. Die Ausscheidung erfolgt renal, die Halbwertzeit liegt bei 1,6 Stunden. Bei Niereninsuffizienz ist Dosisanpassung erforderlich. Den bisher vorliegenden guten Behandlungsergebnissen kann eine unproblematische Verträglichkeit zur Seite gestellt werden. Nach den durchgeführten pharmakokinetischen, mikrobiologischen und klinischen Untersuchungen kann eine Tagesdosis von 1-2 g 2-mal täglich empfohlen werden, bei immunkomprimierten und vital bedrohten Patienten sollte die Dosis auf 3-mal 2 g erhöht werden. Hauptanwendungsgebiete sind schwere gramnegative Infektionen.
Ceftazidim zählt zu den häufig angewandten parenteralen Cephalosporinen der sogenannten "3. Generation"
oder "Gruppe 3b" nach einer Einteilung der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (NN, Cephalosporine zur parenteralen Applikation. Chemother. J. 1994; 3:101-115)
Seit der Erstellung und Veröffentlichung dieses Artikels in der Zeitschrift für Chemotherapie (Heft 2, 1984) sind zahlreiche weitere Arbeiten über Ceftazidim publiziert worden. Insbesondere soll an
dieser Stelle auf die folgenden Publikationen hingewiesen werden:
Rains CP, Bryson HM, Peters DH. Ceftazidime. An update of its antibacterial activity, pharmacokinetic properties and therapeutic efficacy. Drugs. 1995;49:577-617
Richards DM, Brogden RN. Ceftazidime. A review of its antibacterial activity, pharmacokinetic properties and therapeutic use. Drugs. 1985;29:105-161
Vogel, F. und eine Expertengruppe der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. Parenterale Antibiotika bei Erwachsenen. PEG-Empfehlungen. Chemother. J. 1999; 8:3-49
Seit 2016 steht Ceftazidim auch in Kombination mit dem ß-Laktamase-Inhibitor Avibactam unter dem Handelsnamen ZAVICEFTA zur Verfügung. Das Kombinationspräparat ist bei komplizierten Harnwegsinfektionen und bei nosokomialen Pneumonien zugelassen. Bei intraabdominellen Infektionen wird es in Kombination mit Metronidazol (diverse Handelsnamen) gegeben (Zeitschrift für Infektionstherapie, Heft 4, 2016).