Cefotaxim - ein neues parenterales Cephalosporin-Derivat mit verbesserter antibakterieller Aktivität

Unveränderter Text aus ZCT Heft 1, 1980

Ergänzungen am Ende des Textes

Die modernen Cephalosporine der 4. Generation, zu denen Cefamandol (MANDOKEF), Cefuroxim (ZINACEF) und Cefoxitin (MEFOXITIN) gerechnet werden, weisen nur geringe Unterschiede in der klinischen Wirksamkeit auf.
Eine deutlich verbesserte Aktivität im gramnegativen Bereich besitzt das jüngste Mitglied der "Cephalosporin-Familie", das Cefotaxim. Cefotaxim (CLAFORAN, Prüfbezeichnung HR 756) ist ein semisynthetisches Antibiotikum, dessen in vitro Aktivität von vielen Untersuchern als "bemerkenswert" und "überragend" bezeichnet wird. [1,2] Chemisch hat es Ähnlichkeit mit Cefuroxim. Beide Cephalosporine weisen in der C7-Seitenkette eine Methoximinogruppe auf. Diese Strukturkomponente dürfte für die hohe ß-Laktamasestabilität der Antibiotika verantwortlich sein. Im mikrobiologischen Versuch drückt sich diese Eigenschaft u.a. in niedrigen MHK-Werten aus. Eine hohe ß-Laktamasestabilität korreliert aber nicht zwangsläufig zu hoher mikrobiologischer Aktivität.


Mikrobiologie

Die ungewöhnlich hohe antibakterielle Wirksamkeit des neuen Pharmakons soll an einigen Beipielen belegt werden. E. coli Stämme zeigen eine mittlere minimale Hemmkonzentration (MHK) von 0,06 mg/l gegenüber Cefotaxim. [3] Die zum Vergleich herangezogenen Cepha-losporine der 3. und 4. Generation, also das Cefazolin (GRAMAXIN, ZOLICEF, ELZOGRAM) und die bereits eingangs erwähnten Derivate lieferten mittlere MHK-Werte zwischen 1,1 mg/l und 3,9 mg/l. Das klassische Vorbild der Präparategruppe, das Cephalothin (CEPHALOTHIN "LILLY"), ist gegen E. coli nochmals um den Faktor 10 schwächer wirksam (MHK 23 mg/l).

Die in vitro Ergebnisse bei anderen gramnegativen Erregern sind ähnlich beeindruckend. Gegen indolpositive Proteusarten besitzt von den bekannten Präparaten nur das Cefoxitin eine therapeutisch relevante Wirksamkeit (MHK 11 mg/l). Der entsprechende Wert für Cefotaxim lautet 1,1 mg/l. Die minimalen Hemmkonzentrationen der Neueinführung für Klebsiellen, Enterobacter und Serratia sind ebenfalls auffallend niedrig. Mit einem MHK Wert von 0,9 mg/l steht zum ersten Mal ein Cephalosporin-Antibiotikum gegen Infektionen durch Serratia marcescens zur Verfügung - ein seltener, jedoch zunehmend häufiger beobachteter Infektionserreger.

Zur Beschreibung der mikrobiologischen Eigenschaften des Cefotaxim gehört auch der Hinweis auf die Pseudomonaswirkung. Diese Eigenschaft stellt ein Novum in der "Cephalosporin-Geschichte" dar. Die Aktivität gegenüber dem als Problemkeim bekannten Bakterium ist etwa so groß wie die des Ticarcillin (AERUGIPEN), jedoch geringer als die des Azlocillin (SECUROPEN). [2]

Nur eine mäßige Aktivität besteht gegenüber Enterokokken, Bacteroides fragilis, Enterobacter cloacae and Acinetobacter.


Pharmakologie

Die pharmakologischen Daten des Cefotaxim gleichen den entsprechenden Parametern der verwandten Derivate. Mit einer Eliminationshalbwertzeit von 75 min hat es größere Ähnlichkeit mit Cefuroxim (etwa 65 min) als mit Cefoxitin (etwa 47 min)4, die Proteinbindung liegt bei 50%. Die Gesamt-Urinwiederfindungsrate an aktivem Arzneistoff liegt bei 65% und ist damit deutlich niedriger als bei den verwandten Antibiotika. Neben dem unveränderten Pharmakon werden etwa 20% als Desacetylmetabolit renal eliminiert. Dieses Stoffwechselprodukt ist antibakteriell deutlich schwächer wirksam als die Ausgangssubstanz und kumuliert bei Niereninsuffizienz.

Tierexperimente und die ersten Erfahrungen bei gesunden Probanden und Patienten lassen Cefotaxim als gut verträgliches Antibiotikum erscheinen. Nach Vergleichsuntersuchungen mit anderen Cephalosporinen kann insbesondere eine gute Nierenverträglichkeit erwartet werden [5].


Dosierung

Als Standarddosierung erhalten Erwachsene und Kinder über 12 Jahren 1,0 g CLAFORAN alle 12 Stunden intravenös. Bei schweren Infektionen mit weniger sensiblen Keimen muß die Dosis verdoppelt oder/und das Dosierungsintervall auf 6 bis 8 Stunden verkürzt werden (4-6 g/die). Bei eingeschränkter Nierenfunktion wird die Dosierung den Ausscheidungsverhältnissen angepaßt. Bei Serumkreatininwerten ab 4,8 mg% ist die Erhaltungsdosis auf die Hälfte zu reduzieren. [6]
Ungeklärt ist die Differenz zwischen sehr günstiger in vitro-Aktivität und therapeutisch notwendiger relativ hoher Dosierung.


Indikationen

 

Als Indikationen gelten Infektionen der Atemwege und der Harn- und Geschlechtsorgane mit sensiblen Erregern. Außerdem kann es bei Infektionen im Bereich des Kopfes, des Bauches, der Weichteile, der Haut, der Knochen und Gelenke sowie bei septischen Erkrankungen und der Gonorrhö des Mannes verwendet werden, soweit nicht gleich wirksam, aber preiswertere Alternativsubstanzen eingesetzt werden können.


ZUSAMMENFASSUNG

Cefotaxim (CLAFORAN) ist ein neues parenteral anwendbares Cephalosporin mit deutlich verbesserter antibakterieller Wirksamkeit. Die hohe Aktivität erlaubt unter Berücksichtigung der pharmakokinetischen Parameter eine 2-mal tägliche 1,0 bis 2,0 g Dosierung, bei schweren Infektionen bis 6,0 g täglich. Problematisch sind die Metabolisierung und die beträchtliche Differenz zwischen in vitro-Aktivität und therapeutisch notwendiger Dosierung. Das klinische Einsatzgebiet sollte auf schwerstkranke septische Patienten und nachgewiesene resistente Keime beschränkt bleiben.

 

1) HAMILTON MILLER, J.M.T. et al 

J. Antimicrob. Chemoth. 4: 437-444, 1978
 

2) NEU, H.C. et al. 

Antimicrob. Agents Chemother. 15: 273-281, 1979
 

3) NAUMANN, P. und ROSIN, H. 

Internist 19: 664-671, 1978
 

4) LÜTHY, R. et al. 

Antimicrob. Agents Chemother. 16: 127-133, 1979
 

5) SACK, K. et al. 

Med. Welt 29: 1233-1236, 1978
 

6) Einführungsbroschüre Fa. Hoechst, S. 73, 1980

 

 

Ergänzungen (Oktober 2000)

Cefotaxim zählt heute zu den häufig angewandten parenteralen Cephalosporinen der sogenannten "3. Generation" oder "Gruppe 3a" nach einer Einteilung der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (NN, Chemother. J. 1994; 3:101-115)

Seit der Erstellung und Veröffentlichung dieses Artikels in der Zeitschrift für Chemotherapie (Heft 1, 1980) sind zahlreiche weitere Arbeiten über Cefotaxim publiziert worden. Insbesondere soll an dieser Stelle auf die folgenden Publikationen hingewiesen werden:

 

 

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