Cefoperazon - Bereicherung oder weitere Verwirrung im Cephalosporin-Angebot?

Unveränderter Text aus ZCT Heft 1, 1981
Ergänzungen am Ende des Textes

Cefoperazon ist ein neues halbsynthetisches Derivat der 7-Amino-Cephalosporinsäure zur parenteralen Anwendung, das von der Pfizer GmbH unter dem Handelsnamen CEFOBIS seit Januar 1981 angeboten wird.

 

Mikrobiologie

 

Das neue Präparat besitzt ein sehr breites antibakterielles Spektrum1,2 und erweist sich in vitro gegenüber mehr als 90% der klinischen Isolate bei leicht erreichbaren Konzentrationen als wirksam. Pseudomonas aeruginosa und Enterokokken sind die Wirkungslücken auch der neueren Cephalosporine. Cefoperazon ist als Piperazin-Derivat in vitro eines der aktivsten Cephalosporine gegen Pseudomonas aeruginosa und wird nur von dem soeben eingeführten Cefsulodin (PSEUDOMONIL, PSEUDOCEF) übertroffen. Cefotaxim (CLAFORAN) dagegen ist die im Vergleich zu Cefoperazon in vitro wirksamere Substanz gegen die meisten Enterobakterien wie z.B. E. coli, Klebsiella spp., indolpositive und -negative Proteus spp. Anaerobe Keime zeigen eine gute Cefoperazon-Empfindlichkeit; gegen Bacteroides fragilis ist die Aktivität jedoch mäßig und mit der des Cefotaxim vergleichar. Nach wie vor sind Cefamycin-Derivate, Cefoxitin (MEFOXITIN) und das neu registrierte Lamoxactam (MOXALACTAM) die überlegenen Cephalosporin-Antibiotika gegen Bacteroides fragilis. Ein synergistischer Effekt ist in Kombination mit Aminoglykosid-Antibiotika gegen einen hohen Prozentsatz von Pseudomonas aeruginosa nachweisbar.

 

Pharmakokinetik

 

Nach i.v. Injektion oder Kurzinfusion erreicht Cefoperazon sehr hohe und relativ lang anhaltende Serumkonzentrationen. Die Halbwertzeit von ca. zwei Stunden ist mit der des Cefazolin (ELZOGRAM, GRAMAXIN u.a.) vergleichbar und länger als bei anderen Cephalosporinen. Die Serumproteinbindung wurde mit 87% bestimmt. Pharmakokinetisch nimmt Cefoperazon eine Sonderstellung aufgrund seiner überwiegend extrarenalen Ausscheidung ein. Nur 20-30% der verabreichten Menge werden im Urin wiedergefunden; der überwiegende Teil wird mit der Galle in den Darm ausgeschieden. Die Gallekonzentrationen liegen außerordentlich hoch. Bei Nierenfunktionsstörungen verlängert sich die Halbwertzeit von Cefoperazon aufgrund der hohen extrarenalen Clearance kaum, so daß sich eine Dosisanpassung selbst bei präterminaler Niereninsuffizienz bei einer Normaldosis bis zu 4,0 g/die erübrigt.3,4

 

Klinik

 

Cefoperazon wurde bei über 2000 Patienten im Rahmen einer klinischen Prüfung hauptsächlich bei Infektionen der Harn-, Atem- und Gallenwege sowie bei Sepsis, bei chirurgischen aber auch bei gynäkologischen Infektionen angewandt. Es erwies sich dabei als ein gut wirksames Antibiotikum auch bei schweren Infektionen. Die übliche Tagesdosis beträgt 2-mal 2,0 g und kann bei schweren Infektionen bis auf 9,0 g erhöht werden. Für Kinder werden 50-100 mg/kg als Tagesdosis empfohlen.


Gesicherte Nebenwirkungen wurden bei 3,2-13% der behandelten Patienten registriert. Weiche Stühle und Diarrhöen lagen dabei an erster Stelle (7%), gefolgt von Hautreaktionen (3%). Eine selten beobachtete, wichtige Nebenwirkung ist eine Antabus-ähnliche Reaktion nach Alkoholgenuß mit Flush, Konjunktivitis, Tachykardie, Bronchospasmus sowie Übelkeit und Erbrechen. Gleiche Alkoholunverträglichkeiten wurden auch für Cefamandol (MANDOKEF) und Lamoxactam (MOXALACTAM) berichtet.

 

Bei terminaler Niereninsuffizienz kann es wegen der hohen Galle-Ausscheidung von Cefoperazon in den Darm in seltenen Fällen zu einer Störung der Vitamin K-abhängigen Blutgerinnung kommen. Auch diese Störung ist nicht spezifisch für Cefoperazon, sondern wurde auch im Zusammenhang mit anderen Antibiotika wie Cefmandol, die in hohen Konzentrationen über die Galle ausgeschieden werden, berichtet.

 

ZUSAMMENFASSUNG

 

Cefoperazon (CEFOBIS) ist ein neues Cephalosporin mit sehr breitem antibakteriellem Spektrum. Es eignet sich deshalb besonders für die Anfangstherapie schwerer Infektionen ohne Erregernachweis.
Klinisch hat sich das neue Präparat als gut wirksames Antibiotikum besonders bei Harnwegsinfektionen sowie respiratorischen und biliären Infektionen erwiesen.
Wegen der guten Aktivität gegen Pseudomonas aeruginosa stellt es eine Alternative zu Pseudomonas-Penicillinen und Aminoglykosiden bei Penicillin-Allergie oder Resistenz gegen diese Antibiotika dar.
Auf der Basis der hohen Serumspiegel und der langen terminalen Halbwertzeit von über zwei Stunden ist die zweimal tägliche Gabe von 2,0 g therapeutisch ausreichend.
Ein Vorteil bei Patienten mit gestörter Nierenfunktion ist die überwiegend biliäre Ausscheidung, die eine Dosisanpassung bis zur präterminalen Niereninsuffizienz unnötig macht. Unverträglichkeiten sind vermehrt Diarrhöen; vor gleichzeitigem Alkoholgenuß muß wegen Antabus-ähnlichen Reaktionen gewarnt werden.


1. KAYSER, F.H. Clin. Ther. 3, Special Issue: 24-33, 1980

2. JONES, R.N. et al. Clin. Ther. 3, Special Issue: 14-23, 1980

3. LODE, H. et al. Clin. Ther. 3, Special Issue: 80-88, 1980

4.
NEU, H.C. 15. Intern. Internisten Kongress, Hamburg, Aug. 1980

5. GORDON, A.J. et al. 15. Intern. Internisten Kongress, Hamburg, Aug. 1980


Ergänzungen (Oktober 2000)

 

Cefoperazon hat sich als entbehrlich erwiesen; andere Cephalosporine, wie Cefotaxim oder Ceftriaxon, werden stattdessen eingesetzt. Aufgrund einer relativ hohen Rate an unerwünschten Wirkungen (z. B. Diarrhöen) und wegen spezieller Risiken durch die N-Methylthiotetrazol-(NMTT)-Seitenkette (Alkoholunverträglichkeit, Blutungen!) wurde Cefoperazon zunehmend selten angewandt.

 

Es ist in Deutschland heute nicht mehr im Handel.

 

 

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