Cefetametpivoxil - ein neues ß-Lactam-Antibiotikum zur oralen Therapie

Unveränderter Text aus ZCT Heft 1, 1995


Es gibt zahlreiche Beispiele für Arzneimittel, die chemisch gesehen Esterverbindungen darstellen und die während oder nach der Resorption aus dem Magen-Darmtrakt rasch in ihre Alkohol- und Säurekomponente gespalten werden. Der eigentliche Arzneistoff taucht dann im Blut und Gewebe ohne den "Einschleusrest" auf. In den letzten Jahren sind mehrere Antibiotika aus der Gruppe der Oralcephalosporine auf den Markt gekommen, die solche Einschleusester darstellen und die sich durch gewöhnungsbedürftige, schwer zu artikulierende "Doppelnamen" zu erkennen geben. Nach Cefuroxim-Axetil (ZINNAT, ELOBACT; s. "ZCT" 10: 27-29, 1989) und Cefpodoxim-Proxetil (PODOMOXEF, ORELOX; s. "ZCT" 13: 4-5, 1992) steht jetzt mit Cefetametpivoxil (GLOBOCEF) ein weiteres Oralcephalosporin zur Behandlung bakterieller Infektionen zur Verfügung. Eine Übersicht über die Eigenschaften der neuen Oralcephalosporine im Vergleich zu den Charakteristiken der älteren Präparate erschien vor einiger Zeit in dieser Zeitschrift ("ZCT" 13: 25-27, 1992).l


Antibakterielle Eigenschaften

 

Cefetamet besitzt eine gute inhibitorische Wirkung gegenüber klinisch wichtigen gramnegativen Bakterien. Dazu gehören zum Beispiel zahlreiche Enterobacteriaceae, wie Proteus mirabilis, Proteus vulgaris, Klebsiella pneumoniae und Yersinia enterocolitica. Unter den E. coli-Stämmen und Indol-positiven Proteus-Arten kommen einige resistente Isolate vor, doch besitzt die Substanz aufgrund ihrer ausgeprägten ß-Laktamasefestigkeit auch gegenüber chromosomal kodierten Cephalosporinasen in diesem Bereich des Spektrums ihre höchste Aktivität. Ausgezeichnete Wirksamkeit besteht auch gegenüber Haemophilus influenzae: Die Stämme werden in der Regel durch Konzentrationen von weniger als 1 mg/l gehemmt. Neisseria gonorrhoeae-Isolate - einschließlich der ß-Laktamase-bildenden Stämme - werden ebenfalls durch Cefetamet gehemmt.

Im grampositiven Bereich des Spektrums ist vor allem die Aktivität der Substanz gegen Pneumokokken und andere Streptokokken von Bedeutung. Bekanntlich sind Pneumokokken zusammen mit H. influenzae die häufigsten Erreger bakterieller Atemwegsinfektionen. Staphylokokken sind jedoch resistent gegenüber Cefetamet. Damit besteht ein wichtiger Unterschied zu den älteren Oralcephalosporinen, die gegen Staphylokokken eine ausreichende Wirkung aufweisen.

 

Pharmakokinetische Eigenschaften

 

Die Bioverfügbarkeit von Cefetametpivoxil wird mit etwa 60% angegeben. Die Spitzenkonzentration nach Einnahme von 500 mg liegt bei 4 mg/l und die "Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve" wurde mit 24,6 mg x h/l berechnet. Die Elimi-nationshalbwertzeit beträgt 2,5 Stunden, das Verteilungs-volumen wird mit 0,3 l/kg angegeben, die Proteinbindung ist mit 22% niedrig.

Nur bei Patienten mit ausgeprägter Niereninsuffizienz muß die Dosierung reduziert werden. Bis zu einer Kreatinin-Clearance von 40 ml/min kann die Normaldosis (2-mal 500 mg täglich) verordnet werden; nur bei stärkerer Einschränkung muß die Dosis reduziert werden (2-mal täglich 125 mg), da die Eliminationshalbwertzeit bei diesen Patienten auf etwa 11 Stunden verlängert ist.


Interaktionen

 

Die Filmtabletten sollen zusammen mit einer Mahlzeit eingenommen werden, da die Bioverfügbarkeit bei nüchterner Einnahme geringer ist. Nahrung hatte dagegen keinen signifikanten Einfluß auf die Bioverfügbarkeit der Substanz aus der Suspensionszubereitung, die hauptsächlich für pädiatrische Indikationen eingesetzt wird. Die gleichzeitige Gabe von Antazida oder H2-Antagonisten bewirkte keine Verminderung der Bioverfügbarkeit des Antibiotikums. In dieser Hinsicht besteht ein Unterschied zu anderen Oralcephalosporinen dieser Gruppe, bei denen eine reduzierte Bioverfügbarkeit bei gleichzeitiger Gabe mit Magentherapeutika gezeigt worden ist.

Bei der Hydrolyse von Cefetametpivoxil entsteht Pivalinsäure, die mit Carnitin verestert wird und dann vollständig eliminiert wird. Dadurch sinkt der Carnitinspiegel im Blut auf weniger als die Hälfte des Normwertes, klinische Symptome eines Carnitinmangels wurden jedoch selbst bei höherer Dosierung nicht beobachtet. Es wird empfohlen, Cefetametpivoxil nicht zusammen mit anderen Medikamenten zu verabreichen, die ebenfalls den Carnitinspiegel im Blut senken können. Dazu gehören andere Pivalinsäure-haltige Arzneimittel und das Antiepileptikum Valproinsäure (ERGENYL u.a.).


Therapeutische Wirksamkeit

 

Cefetametpivoxil kommt zur Behandlung von Infektionen der Atemwege und der Harnwege in Frage. Bei Pharyngitis, Tonsillitis, Otitis media, purulenter Bronchitis und Pneumonie ist Cefetametpivoxil gut wirksam. Aufgrund der guten antibakteriellen Aktivität gegenüber gramnegativen Erregern und der ausgeprägten ß-Laktamasestabilität der Substanz eignet sich Cefetametpivoxil auch zur Behandlung von komplizierten Harnwegsinfektionen. Das neue Antibiotikum stellt auch eine weitere Alternative zur Behandlung der Gonorrrhö dar.

Die Standarddosierung von Cefetametpivoxil für Kinder über 12 Jahre und für Erwachsene beträgt 2-mal täglich 500 mg. Bei Harnwegsinfektionen kann die Tagesdosis auch auf 1-mal verabreicht werden. Bei der gonorrhoischen Urethritis ist die einmalige Gabe von 1500 mg Cefetamet ausreichend zur Beseitigung der Erreger. Die Dauer der Anwendung beträgt in den meisten Fällen sieben Tage, mindestens drei Tage über die Entfieberung hinaus, bei Streptokokken-Infektionen soll das Antibiotikum zehn Tage lang eingenommen werden.


Unerwünschte Wirkungen

 

Gastrointestinale Beschwerden sind die häufigsten unerwünschten Wirkungen, die während der klinischen Erprobung von Cefetametpivoxil registriert wurden (ca. 5% der Patienten). Bei 0,8% der Behandelten kam es zu Hautreaktionen. Ein abschließendes Urteil zur Verträglichkeit des Cefetametpivoxil kann - wie bei jedem Arzneimittel zum Zeitpunkt der Einführung - derzeit noch nicht erfolgen. Die bisherigen Daten deuten auf eine ähnlich gute Verträglichkeit hin, wie sie von anderen ß-Laktamantibiotika bekannt ist.



ZUSAMMENFASSUNG:

 

Cefetametpivoxil (GLOBOCEF) ist ein neues ß-Lactam-Antibiotikum, das sich durch eine gute Aktivität gegenüber Pneumokokken und anderen Erregern von Atemwegsinfektionen auszeichnet und darüber hinaus die wichtigsten gramnegativen Bakterien zuverlässig erfaßt. Charakteristisch für die Substanz ist ihre ausgeprägte ß-Laktamasestabilität. Ähnlich wie andere neuere Oralcephalosporine ist Cefetametpivoxil gegenüber Staphylokokken nicht ausreichend wirksam. Bei bakteriellen Infektionen der Atemwege - einschließlich HNO-Infektionen - und bei Infektionen des Urogenitaltraktes erwies es sich als zuverlässig wirksam.

Literatur:

1) BRYSON, H.M. und BROGDEN, R.N. Drugs 45: 589-621, 1993

 

 

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