Aztreonam-Lysin zur Inhalation bei Patienten mit Mukoviszidose

Unveränderter Text aus ZCT Heft 3, 2010

Die Mukoviszidose oder „zystische Fibrose“ ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die mit einer Beeinträchtigung der mukoziliären Clearance der Lunge einhergeht. Als Folge der Dysfunktion der submukösen Drüsen ist die Immunabwehr gestört und es entwickelt sich eine chronische Infektion der Atemwege, die schließlich zu einer irreversiblen Schädigung der Lunge führt. Bei bis zu 80% der Patienten lässt sich Pseudomonas aeruginosa in den pulmonalen Sekreten nachweisen. Die Kolonisation der Atemwege mit diesem Erreger resultiert in einer verstärkten entzündlichen Reaktion, einer beschleunigten Reduktion der Lungenfunktion und einer früheren Sterblichkeit. Eine antibiotische Therapie führt bei den meisten Patienten zu einer Beseitigung bzw. deutlichen Reduktion des Erregers. Um eine systemische Behandlung zu vermeiden, wurden verschiedene Antibiotika in den vergangenen Jahren auch inhalativ verabreicht. Dies erfolgt mit den meisten Substanzen im Sinne eines „off label“-Gebrauchs; das Aminoglykosid Tobramycin (TOBI) ist die bisher einzige Substanz, die für diese Anwendung zugelassen ist.[1]

 

Es ist daher zu begrüßen, dass mit Aztreonam-Lysin (CAYSTON) ein zweites Antibiotikum aus einer anderen Wirkstoffklasse bei dieser Indikation klinisch geprüft wurde und seit einigen Monaten im Handel ist. Aztreonam (AZACTAM) ist als einziges Monobactam-Antibiotikum seit etwa 25 Jahren zur intravenösen Behandlung erhältlich. In dieser Zubereitung ist Arginin enthalten, das bei inhalativer Anwendung zu inflammatorischen Reaktionen führen kann, daher musste eine neue Formulierung mit der Aminosäure Lysin entwickelt werden, die lokal besser verträglich ist. Die dreimal täglich inhalativ verabreichte Dosis ist mit 75 mg deutlich niedriger als die übliche intravenös verabreichte Dosierung von 500 mg.[2]

Strukturformel Azetronam Lysin

 

Antibakterielle Wirkung

Aztreonam wirkt wie andere ß-Laktamantibiotika durch Hemmung der bakteriellen Zellwandsynthese bakterizid. Zum Spektrum gehören gramnegative aerobe Bakterien, einschließlich P. aeruginosa. Die im Rahmen der klinischen Prüfung vorgenommenen mikrobiologischen Untersuchungen zeigten sehr variable minimale Hemmkonzentrationen von Aztreonam gegen P. aeruginosa (<1 µg/ml bis > 2048 µg/ml) mit einer MHK90 von 32 - 64 µg/ml in den beiden Patientengruppen. Ähnliche Ergebnisse wurden bei der Testung der Tobramycin-Aktivität erhalten (MHK90: 32 bis 256 µg/ml).[3]

Klinische Prüfung

Das Präparat wurde in zwei Placebo-kontrollierten Doppelblindstudien bei überwiegend erwachsenen Mukoviszidose-Patienten klinisch geprüft.3,4 Die erste Studie wurde an insgesamt 56 spezialisierten Zentren in den USA durchgeführt. Im Anschluss an eine vierwöchige inhalative Behandlung mit Tobramycin wurde den Patienten über 28 Tage entweder eine Placebozubereitung verabreicht oder sie erhielten Aztreonam zwei- oder dreimal täglich. Die Dauermedikation wurde beibehalten. Die Mehrheit der Patienten wurde zum Beispiel mit ß-Sympathomimetika zur Bronchodilatation, sowie mit Glukokortikoiden inhalativ und Azithromycin (ZITHROMAX u.a.) oral behandelt. Da die Wirkung nicht davon abhängig war, ob das Antibiotikum zwei- oder dreimal täglich gegeben wurde, kamen die zusammengefassten Daten aus beiden Gruppen von insgesamt 135 Teilnehmern zur Auswertung. Im Vergleich zu den 76 Patienten der Placebogruppe zeigte sich dabei eine statistisch signifikante Besserung der Lungenfunktion in der Verumgruppe. Die Zeitdauer bis zu einer notwendigen erneuten Antibiotikabehandlung war von 71 Tagen auf 92 Tage verlängert.[3]

In der zweiten Studie wurde das Antibiotikum dreimal täglich für 28 Tage an 80 Patienten verabreicht, 84 Patienten erhielten Placebo.4 Im Gegensatz zu der ersten Studie erhielt keiner dieser Patienten Azithromycin, nur 15 Patienten (9,1%) waren zwischen 6 und 12 Jahre alt. Alle Teilnehmer wurden nach Abschluss der Behandlung noch zwei Wochen beobachtet. Die MHK90-Werte von Aztreonam gegen P. aeruginosa lagen in den beiden Gruppen zu Beginn der Therapie bei 64 µg/ml (Placebo) und 128 µg/ml (Aztreonam). Die Konzentrationen von Aztreonam im Sputum wurden während der Studie mehrfach, jeweils zehn Minuten nach Abschluss der Inhalation, gemessen. Die Konzentrationen waren sehr variabel, die Medianwerte lagen zwischen 451 und 677 µg/g Sputum. Im Plasma waren eine Stunde nach der Behandlung dagegen nur sehr geringe Konzentrationen von etwa 0,6 µg/ml messbar. Die klinische Wirksamkeit wurde anhand einer Punkteskala (CFQ-R= cystic fibrosis questionaire-revised respiratory symptom scale) beurteilt. Dabei zeigte sich eine signifikant bessere Wirksamkeit des Antibiotikums im Vergleich zu Placebo, die durch die Unterschiede in den FEV1-Werten und die mikrobiologische Untersuchung bestätigt wurde. Allerdings waren die Verbesserungen innerhalb der zweiwöchigen Nachbeobachtung fast vollständig reversibel. In der Placebogruppe wurden 14% der Teilnehmer im Verlauf der Studie zur Behandlung in ein Krankenhaus eingewiesen, im Vergleich zu 5% der Patienten, die das ß-Laktamantibiotikum inhalativ erhalten hatten. Der Unterschied war jedoch nach üblichen Kriterien nicht statistisch signifikant (p = 0,06). Ein „produktiver Husten“ wurde von zehn Patienten in der Verumgruppe angegeben, in der Placebogruppe waren es mit 21 Patienten etwa doppelt so viele. Die Verträglichkeit des Medikamentes war in beiden Studien gut.

ZUSAMMENFASSUNG:

Mit Aztreonam-Lysin (CAYSTON) steht eine neu entwickelte Zubereitungsform des Monobactamantibiotikums zur Inhalation zur Verfügung, das bei Patienten mit Mukoviszidose angewandt werden kann. Neben Tobramycin (TOBI) ist damit eine Substanz aus einer anderen Wirkstoffklasse verfügbar. In zwei Placebo-kontrollierten Doppelblindstudien konnte eine Überlegenheit des Antibiotikums gezeigt werden, die allerdings nur zu einer zeitlich begrenzten Besserung führte. Mehrere Aspekte bedürfen einer weiteren Abklärung in klinischen Studien. So ist die Frage nach dem Nutzen bei Kindern nicht geklärt, da bisher die Mehrzahl der Behandelten über 18 Jahre alt war. Ebenso offen sind die Fragen nach Wirksamkeit und Verträglichkeit bei längerfristiger Therapie, sowie ein direkter Vergleich der beiden Antibiotika Tobramycin und Aztreonam, die für diese Indikation zugelassen sind.

1. MOGAYZEL, P.J. und FLUME, P.A.
Update in cystic fibrosis 2009. Am J Respir Crit Care Med 2010; 181: 539 - 544

 

2. O`SULLIVAN, B.P. et al.
Inhaled aztreonam. Nature Rev Drug Disc 2010; 9: 357 - 358

 

3. McCOY, K.S. et al.
Inhaled aztreonam lysine for chronic airway Pseudomonas aeruginosa in cystic fibrosis.
Am J Respir Crit Care Med 2008; 178: 921 - 928

 

4. RETSCH-BOGART, G.Z. et al.
Efficacy and safety of inhaled aztreonam lysine for airway pseudomonas in cystic fibrosis. Chest 2009; 135: 1223 - 1232

 

Aztreonam zur intravenösen Therapie


Eine ausführliche Beschreibung des Monobactams Aztreonam (AZACTAM) zur intravenösen Therapie unter der Rubrik ”Neueinführungen” zur Verfügung. Die Eigenschaften von Pseudomonas aeruginosa können unter „Wichtige Erreger in Klinik und Praxis“ abgerufen werden.

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