Azithromycin zur intravenösen Verabreichung

Unveränderter Text aus ZCT Heft 6, 2004
ZCT-6-04.pdf
PDF-Dokument [141.1 KB]

Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes

Azithromycin (ZITHROMAX) ist der erste und bisher einzige Vertreter der Azalide - einer Gruppe von Antibiotika, die durch partialsynthetische Modifikation der Makrolide hergestellt werden. Azalide weisen einige Gemeinsamkeiten mit Makroliden auf; andererseits bestehen aber aufgrund des zusätzlichen Stickstoffatoms im Molekül auch wesentliche Unterschiede, die so bedeutsam sind, dass sie sinnvollerweise von den Makroliden abgegrenzt werden sollten. Zur oralen Behandlung von bakteriellen Infektionen ist Azithromycin seit mehr als 10 Jahren im Handel und hat sich zur oralen Kurzzeittherapie bewährt. Die therapeutischen Möglichkeiten mit der Substanz werden ab Januar 2005 durch die neu entwickelte Zubereitungsform zur parenteralen Gabe erweitert.

Strukturformel Azithromycin

 

Antibakterielle Eigenschaften

Azithromycin erfasst eine Vielzahl aerober und anaerober grampositiver und gramnegativer Erreger. Im grampositiven Bereich werden zum Beispiel Pneumokokken ohne Makrolid-Resistenz zuverlässig erfasst. Im Vergleich zu Erythromycin besteht eine höhere Aktivität im gramnegativen Bereich, z. B. gegenüber Salmonellen, Shigellen, Yersinien, Neisseria gonorrhoeae und Moraxella catarrhalis. Unter therapeutischen Gesichtspunkten ist die wesentlich höhere In-vitro-Aktivität gegenüber Haemophilus influenzae am bedeutsamsten. Zu den weiteren, therapeutisch relevanten Erregern, die gegenüber Azithromycin empfindlich sind, gehören Campylobacter Spezies, Borrelia burgdorferi, Mycobacterium avium intracellulare und Ureaplasma urealyticum. Durch die im Vergleich zu Erythromycin wesentlich höheren intrazellulären Konzentrationen des Azithromycins ist von einer verbesserten Wirksamkeit gegenüber zellwandlosen und intrazellulär gelagerten Erregern wie Mykoplasmen, Legionellen und Chlamydien auszugehen.1,2

 

Pharmakokinetische Eigenschaften

 

Im Vergleich zur oralen Formulierung lassen sich mit intravenös verabreichtem Azithromycin deutlich höhere Konzentrationen erzielen. Im direkten „Cross-over“-Vergleich wurden bei Probanden nach einer Einzeldosis von 500 mg AUC-Werte (0 bis 72 Stunden) von 3,39 mg/l x h nach oraler Gabe und 9,08 mg/l x h nach intravenöser Gabe errechnet. Bei mehrmaliger i.v.-Applikation war nach der fünften Dosis die Spitzenkonzentration im Serum mit etwa 1,1 mg/l praktisch unverändert geblieben, umso deutlicher zeigte sich eine Vergrößerung der AUC um etwa 60%. Die Eliminationshalbwertzeit von Azithromycin hängt vom Bestimmungszeitpunkt ab. Im Intervall von 8 - 24 Stunden nach i.v.-Verabreichung einer 500 mg-Dosis beträgt sie 11 ‑ 14 Stunden und verlängert sich im Bestimmungszeitraum von 24 - 72 Stunden nach der Infusion auf 35 - 40 Stunden. Azithromycin wird vorwiegend durch biliäre Exkretion eliminiert. Nach oraler Gabe finden sich 6% der Substanz unverändert im Urin. Nach i.v.-Gabe konnte ein erhöhter Anteil von bis zu 14% im Urin nachgewiesen werden.1,3,4 Die pharmakokinetischen Parameter von intravenös gegebenem Azithromycin (500 mg/Tag) wurden nicht beeinflusst von der gleichzeitigen Gabe von Ceftriaxon (1,0 g/Tag intravenös)5.

Azithromycin unterscheidet sich von allen anderen Antibiotika durch seine hohe Gewebeaffinität, die durch das zusätzliche basische Stickstoffatom im Molekül zu erklären ist. Für die klinische Wirksamkeitsvorhersage sind daher nicht die Serumkonzentrationen, sondern die Gewebekonzentrationen relevant, die durch intrazelluläre Anreicherung und Phagozytentransport an den Infektionsort erreicht werden.6 Durch die pharmakokinetischen Besonderheiten werden bei dreitägiger Gabe von Azithromycin Gewebekonzentrationen erreicht, die 7 - 10 Tage lang oberhalb der minimalen Hemmkonzentrationen der klinisch relevanten Erreger bestehen bleiben.

Indikationen, Dosierung

 

Mit der intravenösen Zubereitung des Azithromycins können vor allem schwere ambulant erworbene Pneumonien behandelt werden. Auch bei der Adnexitis ("pelvic inflammatory disease") kann eine initiale intravenöse Therapie angezeigt sein. Der intravenösen Therapie sollte immer eine orale Azithromycin-Gabe folgen. Die Dosis von Azithromycin i.v. beträgt 500 mg über mindestens ein bis zwei Tage, gefolgt von täglichen oralen Dosen von 250 oder 500 mg zur Vervollständigung einer sieben- bis zehntägigen Behandlungsperiode. Die empfohlene Konzentration der Infusionslösung und die Infusionsdauer betragen 1 mg/ml über drei Stunden.

Unerwünschte Wirkungen

 

Die häufigste unerwünschte Wirkung von Makroliden und verwandten Antibiotika sind gastrointestinale Störungen. In höherem Maße als Erythromycin selbst verursacht ein Abbauprodukt von Erythromycin („Hemiketal“) eine Stimulierung der Motilin-Rezeptoren. Die gastrointestinale Intoleranz kann sehr ausgeprägt und Therapie-limitierend sein. Die langjährige Erfahrung mit den säurestabilen Derivaten Clarithromycin (KLACID u.a.), Roxithromycin (RULID u.a.) oder Azithromycin zeigt, dass gastrointestinale Nebenwirkungen seltener auftreten als nach Erythromycin; dies gilt auch für die intravenösen Zubereitungen. Neben der gastrointestinalen Verträglichkeit wurde auch die lokale Verträglichkeit von infundiertem Azithromycin, Clarithromycin und Erythromycin im direkten Vergleich überprüft.7 Die häufigste lokale Reaktion war ein „Irritationssyndrom“, gefolgt von Schmerzen, Inflammation und Phlebitis. Phlebitis wurde ausschließlich nach Infusion der Clarithromycin-Zubereitung beobachtet (bei 6 von 12 Probanden). Schmerzen an der Infusionsstelle wurden von allen 12 Studienteilnehmern nach Clarithromycin, von 7 von 12 Teilnehmern (58%) nach Azithromycin und 3 von 12 Teilnehmern (25%) nach Erythromycin angegeben. Nur von einem Studienteilnehmer, der Placebo-Lösung erhielt, wurden Schmerzen angegeben.

Im Gegensatz zu den Makroliden / Ketoliden führt Azithromycin nicht zu einer Hemmung der Cytochrom-P450-abhängigen Monooxygenasen. Das Risiko für
Interaktionen mit gleichzeitig verabreichten Arzneimitteln ist daher gering. Dies wurde in zahlreichen, direkt vergleichenden klinischen Studien belegt.

ZUSAMMENFASSUNG

 

Azithromycin (ZITHROMAX) wird zur oralen antibiotischen Therapie seit etwa 10 Jahren angewandt. Das einfache Dosierungsregime ist patientenfreundlich und bedingt eine hohe Compliance. Die neu verfügbare Zubereitung zur intravenösen Verabreichung erweitert die therapeutischen Möglichkeiten mit diesem Antibiotikum. Sicherlich wird sich die intravenöse Therapie mit dem Azalid in den kommenden Jahren auch in Europa als Standardtherapie etablieren, so wie es in den USA bereits seit längerem der Fall ist.

 

1. NN, 2002, Full Prescribing Information for Zithromax IV, Pfizer 

2. PETERS DH, FRIEDEL HA et al. Azithromycin. A review of its antimicrobial activity, pharmacokinetic properties and clinical efficacy. Drugs. 1992 Nov;44(5):750-99.

3. FOULDS G, SHEPARD RM et al. The pharmacokinetics of azithromycin in human serum and tissues. J Antimicrob Chemother. 1990 Jan;25 Suppl A:73-82.

4. LUKE DR, FOULDS G et al. Safety, toleration, and pharmacokinetics of intravenous azithromycin. Antimicrob Agents Chemother. 1996 Nov;40(11):2577-81.

5. CHIU LM, MENHINICK AM et al. Pharmacokinetics of intravenous azithromycin and ceftriaxone when administered alone and concurrently to healthy volunteers. J Antimicrob Chemother. 2002 Dec;50(6):1075-9.

6. RODVOLD KA, DANZIGER LH et al. Steady-state plasma and bronchopulmonary concentrations of intravenous levofloxacin and azithromycin in healthy adults. Antimicrob Agents Chemother. 2003 Aug;47(8):2450-7.

 

Ergänzung (Dezember 2006)

 

Seit der Erstellung und Veröffentlichung dieses Artikels in der Zeitschrift für Chemotherapie (Heft 6, 2004) sind zahlreiche weitere Arbeiten über Azithromycin i.v. publiziert worden. Insbesondere soll an dieser Stelle auf die folgende Arbeit hingewiesen werden:

 

BERINGER P, HUYNH KM et al. Absolute bioavailability and intracellular pharmacokinetics of azithromycin in patients with cystic fibrosis. Antimicrob Agents Chemother. 2005 Dec;49(12):5013-7.

 

Ergänzung (2019)

 

Leitlinie der PEG

Auf die ausführliche PEG S2k Leitlinie (AWMF-Registernummer 082-006) der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.v.  (PEG) Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – update 2018 (2. aktualisierte Version; 25. Juli 2019) sei an dieser Stelle hingewiesen.

 

Link zum download der PDF-Datei

 

Jetzt für den INFEKTIO letter anmelden und regelmäßig per E-Mail Wissenswertes aus Mikrobiologie, Arznei-mittelforschung,Therapie uvm. erhalten.

Informationen für Ärzte und Apotheker zur rationalen Infektionstherapie

Die Zeitschrift für Infektionstherapie (bis 2015: "Zeitschrift für Chemotherapie") erscheint im Jahr 2024 im 45. Jahrgang. Herausgeber und Redaktion sind bemüht, Sie kontinuierlich und aktuell über wichtige Entwicklungen im Bereich der Infektionstherapie zu informieren.

Druckversion | Sitemap
© mhp Verlag GmbH 2023