Artemether / Lumefantrin - neue Möglichkeiten zur Malariatherapie

Unveränderter Text aus ZCT Heft 2, 2002
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Ergänzungen am Ende des Textes

Die Malaria stellt nach wie vor eine der bedeutendsten Infektionskrankheiten dar. Jährlich erkranken mehrere hundert Millionen Menschen, vor allem in Afrika, Lateinamerika, Südamerika, im Südwestpazifik und in Asien. Unter den in europäischen Ländern erfassten reiseassoziierten Erkrankungen hat die Malaria aufgrund ihres vergleichsweise häufigen Auftretens und des oftmals schweren Verlaufs einen besonderen Stellenwert. Im Jahr 2000 wurden zum Beispiel in Deutschland im Rahmen der Meldepflicht mehr als 800 Erkrankungen registriert. Der weitaus größte Teil der Erkrankungen wird aus Afrika importiert (> 80%), es handelte sich ganz überwiegend um Infektionen durch P. falciparum. Aufgrund der zunehmenden Resistenzproblematik ist die Entwicklung von weiteren Arzneimitteln zur Malariatherapie sinnvoll. Ein neues Kombinationspräparat steht seit einigen Monaten unter dem Handelsnamen RIAMET zur Behandlung der akuten, unkomplizierten Infektion mit P. falciparum zur Verfügung. Es handelt sich um ein fixes Kombinationspräparat aus den Wirkstoffen Artemether und Lumefantrin im Verhältnis 1 : 6 (20 mg und 120 mg). [1]

Strukturformel von Artemether
Strukturformel von Lumefantrin

Antiparasitäre Aktivität
 

Artemether leitet sich von der natürlich vorkommenden Substanz Artemisinin ab. Es ist ein Inhaltsstoff der Pflanze Artemisia annua, die in China traditionell gegen Malaria eingesetzt wird. Lumefantrin weist strukturelle Ähnlichkeiten zu anderen Malariamitteln, wie Halofantrin (HALFAN) oder Mefloquin (LARIAM) auf. Beide Substanzen wirken synergistisch auf die Nahrungsvakuole der Parasiten. Wahrscheinlich greifen sie dort in die Umwandlung von Häm (einem toxischen Stoffwechselprodukt des Hämaglobin-Abbaus) in das nicht toxische Malaria-Pigment Hämozoin ein. Lumefantrin beeinflusst die Polymerisation, Artemether bildet mit dem Häm-Eisen reaktive Metabolite.

 

Pharmakokinetische Eigenschaften
 

Die Resorption der Substanzen aus dem Magendarmtrakt ist im nüchternen Zustand nicht optimal. Das Medikament soll daher zusammen mit fetthaltiger Nahrung eingenommen werden, was bei Patienten mit akuter Malaria schwierig sein kann. Falls Nahrung nicht toleriert wird, muss mit einer deutlich reduzierten Resorption – vor allem von Lumefantrin – gerechnet werden. Beide Substanzen binden zu mehr als 95% an Serumproteine (Artemether: 95,4%, Lumefantrin: 99,9%). Sie werden in der Leber über Cytochrom P450-abhängige Enzyme (z.B. CYP3A) metabolisiert. Die Eliminationshalbwertzeit von Artemether liegt bei etwa zwei Stunden; Lumefantrin besitzt bei Malaria-Patienten eine terminale Halbwertzeit von drei (bis zu sechs) Tagen. [2]


Dosierung, Klinische Wirksamkeit

 

Bei Erwachsenen und Kindern über 12 Jahre werden jeweils vier Tabletten insgesamt sechsmal gegeben. Nach der Initialdosis wird die Gabe nach 8, 24, 36, 48 und 60 Stunden wiederholt.
Die Bedeutung des neuen Präparates liegt vor allem in der Tatsache, dass eine gute Wirksamkeit auch in Gebieten mit Resistenz der Erreger gegen Chloroquin (RESOCHIN) oder bei Multiresistenz besteht. In Vergleichsstudien wurden Parasiten und Fieber bei den meisten Patienten innerhalb von 30 bis 72 Stunden beseitigt, innerhalb von vier Wochen wurden z.B. in Thailand Heilungsraten von bis zu 98% berichtet. [3,4]

 

Unerwünschte Wirkungen
 

Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen, die während der Behandlung von Malaria-Patienten beobachtet wurden, zählen Reaktionen des Zentralnervensystems (Kopfschmerzen, Schwindel) und des Gastrointestinaltraktes (Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen); weitere häufige Nebenwirkungen waren Exantheme, Pruritus sowie Arthralgien und Myalgien. Insgesamt wurde das Präparat besser vertragen als die Kombination aus Artesunat (in Deutschland nicht im Handel) mit Mefloquin. [4]

 

Interaktionen
 

Beide Wirkstoffe werden durch CYP3A4 metabolisiert, scheinen das Enzym aber in therapeutischen Konzentrationen nicht zu hemmen. Wegen des Fehlens klinischer Daten gilt die gleichzeitige Gabe von anderen Wirkstoffen, die Einfluss auf hepatische Monooxygenasen haben, als kontraindiziert. Vorsicht ist geboten, wenn das Arzneimittel bei Patienten angewandt wird, die andere Medikamente einnehmen, von denen bekannt ist, dass sie das QTc-Intervall verlängern (z.B. einige Antiarrhythmika, Neuroleptika, Makrolide, Antimykotika etc.).
 

ZUSAMMENFASSUNG
 

Die Kombination von Artemether und Lumefantrin (RIAMET) kann zur oralen Therapie der Malaria angewandt werden. Die synergistisch wirkenden Substanzen erfassen auch resistente Plasmodien. Die Bedeutung des Medikamentes hängt damit wesentlich von der Frage ab, ob die Erkrankung in einem Gebiet akquiriert wurde, in der resistente Erreger vorkommen.

 

1. Fachinformation (SPC) Riamet Tabletten, Novartis Pharma, Nürnberg, 2001

2. GIAO PT, DE VRIES PJ. Pharmacokinetic interactions of antimalarial agents. Clin Pharmacokinet. 2001; 40: 343-73.

3. VAN VUGT M, LOOAREESUWAN S et al. Artemether-lumefantrine for the treatment of multidrug-resistant falciparum malaria. Trans R Soc Trop Med Hyg. 2000 Sep-Oct;94(5):545-8.

4. LEFEVRE G, LOOAREESUWAN S et al. A clinical and pharmacokinetic trial of six doses of artemether-lumefantrine for multidrug-resistant Plasmodium falciparum malaria in Thailand.  Am J Trop Med Hyg. 2001;64:247-56.

 

Ergänzungen (September 2018)

 

Hinweis: Aktuelle Informationen von der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin über geeignete Arzneimittel, Behandlungsrichtlinien, aktuelle klinische Studien und andere Aspekte der Malaria-Therapie finden Sie unter

https://www.dtg.org/empfehlungen-und-leitlinien/empfehlungen/malaria.html

 

 

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