Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes
Adefovir (HEPSERA) ist ein azyklisches Nukleotidphosphonat-Analogon; das Molekül besitzt strukturelle Gemeinsamkeiten mit dem physiologischen Nukleotid
Adenosinmonophosphat. Neben Cidofovir (VISTIDE)
zur Therapie von Infektionen durch Cytomegalie-Viren und Tenofovir (VIREAD) zur antiretroviralen Therapie ist Adefovir das dritte therapeutisch verfügbare Virustatikum, das zu den Nukleotid-Analoga gehört. Es ist zur Behandlung der
chronischen Hepatitis B zugelassen und erweitert damit die bisherigen Möglichkeiten, die vor allem in der Therapie mit Lamivudin (EFFIX) oder Interferon alpha (INTRON, ROFERON) bestehen.1
Strukturformel Adefovir. Das azyklische Nukleotid-phosphonat-Analogon besitzt strukturelle Gemeinsamkeiten mit dem physiologsichen Nukleotid Adenosinmonophosphat.
Antivirale Aktivität
Adefovir ist in vitro aktiv gegen Hepadnaviren (= Hepatitis assoziierte DNA-Viren), einschließlich Lamivudin-resistenter Hepatitis-B-Viren. In Säugetierzellen wird es durch Wirtsenzyme zunächst zweifach phosphoryliert und entspricht dann dem biologisch aktiven Desoxyadenosintriphosphat. In dieser Form hemmt es die viralen Polymerasen durch Bindungskonkurrenz mit dem natürlichen Substrat und verursacht nach Einbau in die Virus-DNA einen Kettenabbruch. Die intrazelluläre Halbwertzeit von Adefovirdiphosphat beträgt in Lymphozyten 12 bis 36 Stunden.2
Pharmakokinetische Eigenschaften
Adefovir liegt als Ester-Prodrug (Adefovirdipivoxil) vor, aus dem bei oraler Gabe der Wirkstoff freigesetzt wird. Nach Gabe von 10 mg Adefovirdipivoxil liegt die Bioverfügbarkeit von Adefovir bei etwa 60%. Die maximale Serumkonzentration schwankt zwischen Werten von etwa 10 und 30 ng/ml. Die Resorption wird durch Nahrung nicht wesentlich beeinflusst. Adefovir wird über die Niere mit einer Halbwertzeit von etwa sieben Stunden durch glomeruläre Filtration und tubuläre Sekretion ausgeschieden.2
Therapeutische Wirksamkeit
In zwei Doppelblindstudien wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit
von Adefovir in zwei Dosierungen (10 oder 30 mg täglich) im Vergleich zu Placebo bei HbeAg-positiven oder HbeAg-negativen Patienten mit chronischer Hepatitis B und kompensierter Lebererkrankung
untersucht.3,4 Nach etwa einem Jahr war eine histologisch nachgewiesene Besserung im Vergleich zum Ausgangswert bei fast doppelt so vielen Patienten unter Adefovir (bis zu 64%) wie unter
Placebo zu beobachten. Ein deutlicher Vorteil der Therapie war auch anhand der Laborparameter HBV-DNA, HbeAg-Verlust und Transaminasen-Normalisierung feststellbar. Günstige Ergebnisse zeigten sich
unter der Therapie mit Adefovir auch bei Patienten, die mit Lamivudin – resistenten Hepatitis-B-Viren infiziert waren.3,4
Unerwünschte Wirkungen
Nephrotoxische Reaktionen waren bereits während der toxikologischen Untersuchung der Substanz beobachtet worden. Auch beim Menschen kann die Behandlung mit Adefovir zu einer Beeinträchtigung der
Nierenfunktion führen. Bei Patienten mit bestehender Nierenfunktionsstörung oder bei gleichzeitiger Behandlung mit anderen potentiell nephrotoxischen Arzneimitteln, muss dieses Risiko besonders
berücksichtigt werden. Da bei Gabe der höheren Dosierung (30 mg) während der klinischen Prüfung vermehrt Unverträglichkeitsreaktionen auftraten, dürfen mehr als 10 mg Adefovir pro Tag nicht
eingenommen werden. Unter diesen Bedingungen war die Therapie mit Adefovir gut verträglich, ein leichter Anstieg des Serumkreatinins wurde nur selten registriert. Die häufigsten
Unverträglichkeitsreaktionen waren gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Diarrhö) und Kopfschmerzen.
ZUSAMMENFASSUNG
Adefovir (HEPSERA) eignet sich zur Therapie der chronischen Hepatitis B. Auch bei Patienten, deren Erreger gegen Lamivudin (EFFIX) resistent waren, wurden günstige Therapieresultate erzielt. In der empfohlenen niedrigen Dosierung war die Verträglichkeit von Adefovir während der klinischen Prüfung gut. Weitere Erfahrungen mit dem Medikament sind notwendig, um die Therapie der Hepatitis B – zum Beispiel durch den Einsatz geeigneter Kombinationstherapien – weiter zu optimieren.
Literatur
1.
KARAYIANNIS P.
Hepatitis B virus: old, new and future approaches to antiviral treatment.
J Antimicrob Chemother. 2003 Apr;51(4):761-85.
2. Fachinfo (SPC) Hepsera, Gilead, Cambridge (UK), März 2003
3.
MARCELLIN P, CHANG TT et al.
Adefovir dipivoxil for the treatment of hepatitis B e antigen-positive chronic
hepatitis B. N Engl J Med. 2003 Feb 27;348(9):808-16.
4.
HADZIYANNIS SJ, TASSOPOULOS NC et al.
Adefovir dipivoxil for the treatment of hepatitis B
antigen-negative chronic hepatitis B. N Engl J Med. 2003;348:800-7.
Ergänzung
Adefovir hat sich nicht als optimal bei der Hepatitis B erwiesen und gehört nicht zu den primär empfohlenen Arzneimitteln.
Ergänzung
Ein Übersichtsartikel zur Therapie der chronischen Hepatitis B erschien im Heft 1, 2019 dieser Zeitschrift (Archiv).
Zwei Wirkstoffe sind heute die Mittel der Wahl zur Behandlung der chronischen Hepatitis B: das Nukleosid Entecavir (BARACLUDE u.a.) und das Nukleotid Tenofovir, welches in Form von zwei Prodrugs erhältlich ist: dem Tenofovir-Disoproxil (VIREAD u.a.) und dem Tenofovir-Alafenamid (VEMLIDY). Mit den drei Virustatika können wichtige therapeutische Ziele erreicht werden, vor allem wird das Risiko für eine Zirrhose und für ein Leberkarzinom wesentlich reduziert. Eine Eradikation des Virus und damit Heilung der Infektion ist mit keinem Wirkstoff möglich, da die virale DNA in Form der cccDNA in das Wirtsgenom integriert wird.
Literatur