Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes
Ketolide sind neue Antibiotika, die Ähnlichkeiten mit den Makroliden besitzen, aber teilweise deutlich verbesserte Eigenschaften aufweisen. Telithromycin (KETEK) ist das erste Ketolid, das zur antibakteriellen Therapie angeboten wird; weitere Derivate sind in der klinischen Entwicklung.[1]
Telithromycin unterscheidet sich von Erythromycin (ERYTHROCIN u.a.) unter anderem dadurch, dass es an Position 3 des Lactonrings nicht den Zucker Cladinose enthält, sondern eine Keto-Gruppe. Diese Gruppe verleiht dem Molekül eine hohe Säurestabilität, trägt zur verbesserten antibakteriellen Wirkung bei und stand auch Pate bei der Namensgebung für die neue Arzneimittelklasse.
Ähnlich wie die Makrolide, Lincosamide und Streptogramin Typ B (Abkürzung: MLSB) hemmen die Ketolide die bakterielle Proteinsynthese infolge der Bindung an die 50S-Untereinheit der Ribosomen.
Ketolide interferieren mit der 23S-RNA dieser Untereinheit durch Bindung an zwei Stellen: den Domänen II und V. Darüber hinaus besteht eine direkte Wirkung auf die Bildung der 50S- und
30S-Untereinheiten der Ribosomen. Es ist von therapeutischer Bedeutung, dass Ketolide auch gegen Makrolid-resistente Stämme mit einer induzierbaren MLSB-Resistenz wirken. Außerdem sind sie gegen
Stämme wirksam, die durch einen Effluxmechanismus resistent geworden sind.
Telithromycin wirkt konzentrationsabhängig bakterizid gegen Pneumokokken. Ein postantibiotischer Effekt ist nachweisbar. Im Vergleich zu den Makroliden zeigt das Ketolid insbesondere gegen
grampositive Erreger (S. pyogenes, S. pneumoniae) eine verbesserte Wirkung. Telithromycin ist auch gegen Erythromycin- und Penicillin-resistente Pneumokokken-Stämme gut wirksam. Es wirkt schließlich
auch gegen Staphylokokken, die eine induzierbare MLSB-Resistenz aufweisen, nicht jedoch gegen Staphylokokken mit konstitutiver MLSB-Resistenz.(1,2)
Unter den gramnegativen Erregern ist vor allem die Aktivität von Telithromycin gegen Haemophilus influenzae von Interesse: sie entspricht der von Azithromycin, Telithromycin ist damit deutlich
wirksamer als Clarithromycin (KLACID u.a.) oder Erythromycin gegen Hämophilus. Gegen einen weiteren gramnegativen Erreger von Atemwegsinfektionen, M. catarrhalis, weisen Ketolide und Makrolide eine
vergleichbare Aktivität auf. Auch Chlamydien, Mykoplasmen und Legionellen werden erfasst.(1,3)
Pharmakokinetik
Nach oraler Gabe einer Dosis von 800 mg Telithromycin werden maximale Plasmakonzentrationen von etwa 2 bis 3,5 mg/l erreicht. Die Bioverfügbarkeit wird mit 57 % angegeben, die Resorption ist
unabhängig von der Nahrungsaufnahme. Die terminale Plasmahalbwertzeit beträgt 10 bis 14 h. Zwischen jungen und älteren Probanden wurden geringe Unterschiede im pharmakokinetischen Verhalten der
Substanz gesehen – die Spitzenkonzentrationen im Plasma waren bei älteren Patienten (mittleres Alter 74 Jahre) höher und die Halbwertzeit länger als bei jungen Probanden. Telithromycin wird zu
mehreren Metaboliten abgebaut, die in erster Linie mit den Fäzes eliminiert werden. Im Urin wurden weniger als 20% der Substanz wiedergefunden.(1)
Das Antibiotikum reichert sich in der Bronchialschleimhaut, im Alveolarfilm der Lunge ("epithelial lining fluid"; ELF) sowie in Alveolarmakrophagen an - damit ist auch eine wichtige Voraussetzung für
die Wirkung gegen intrazellulär lokalisierte Erreger gegeben.(4)
Klinische Wirksamkeit
Nach den bisherigen Ergebnissen der Studien, in denen die Wirksamkeit von Telithromycin nach mikrobiologischen und klinischen Kriterien ausgewertet wurde, kommt das Ketolid vor allem für die Therapie
von leichten bis mittelschweren Atemwegsinfektionen in Frage. Bei akuter Exazerbation einer chronischen Bronchitis, akuter Sinusitis sowie der Tonsillitis/Pharyngitis ist eine Therapie über 5 Tage,
bei ambulant erworbener Pneumonie über 7 - 10 Tage ausreichend. Zum Vergleich wurden Standardantibiotika, wie Clarithromycin oder Amoxicillin (CLAMOXYL u.a.), eingesetzt. In allen Studien zeigte sich
eine gleich gute oder geringfügig bessere Wirksamkeit.
So wurde zum Beispiel in einer Doppelblindstudie die Wirksamkeit von Telithromycin (1 x 800 mg) mit der von Amoxicillin (3 x täglich 1000 mg) bei 404 Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie
verglichen. Die nach klinischen Kriterien beurteilte Erfolgsrate war mit 95% in der Telithromycin-Gruppe tendenziell besser als in der Amoxicillin-Gruppe mit 90%, bei einer Nachuntersuchung nach etwa
5 Wochen unterschieden sich die Erfolgsraten signifikant (81,4% vs 72,7%).
Unerwünschte Wirkungen, Interaktionen
Telithromycin erwies sich in den klinischen Studien als insgesamt gut verträglich. Die Nebenwirkungen betrafen überwiegend den Gastrointestinaltrakt, dabei waren Diarrhöen und Übelkeit am häufigsten.
Die Abbruchrate in den Zulassungsstudien lag bei 3,7%.
Telithromycin ist ein Hemmstoff der Cytochrom-abhängigen Monooxygenasen CYP3A4 und CYP2D6. Die Substanz darf daher nicht gleichzeitig mit anderen Arzneimitteln angewandt werden, die über diese Enzyme
verstoffwechselt werden. Die Spiegel von Simvastatin (ZOCOR u.a.) steigen zum Beispiel um ein Vielfaches an, wenn Telithromycin gleichzeitig gegeben wird. Während der Behandlung mit Telithromycin
müssen daher die Statine vorübergehend abgesetzt werden. Ähnliche Interaktionen können mit Benzodiazepinen oder Immunsuppressiva, wie Ciclosporin (SANDIMMUN u.a.), auftreten. Auch die Plasmaspiegel
von Digoxin (LANICOR u.a.) waren bei gleichzeitiger Gabe erhöht. Ähnliches gilt für Levonorgestrel; die Wirksamkeit von oralen Kontrazeptiva wird jedoch nicht beeinträchtigt. Klinisch relevante
Interaktionen mit Theophyllin in retardierter Form (BRONCHORETARD u.a.) wurden nicht beobachtet.
ZUSAMMENFASSUNG
Telithromycin (KETEK) ist die erste Substanz aus der neuen Antibiotikaklasse der Ketolide. Das Antibiotikum wirkt gegen die wichtigsten bakteriellen Erreger von Infektionen der Atemwege. Von
klinischer Bedeutung ist die Tatsache, dass auch solche Pneumokokken-Stämme erfasst werden, die gegen Makrolide und ß-Laktamantibiotika resistent sind. Telithromycin wird unabhängig von der
Nahrungsaufnahme resorbiert und penetriert gut in die relevanten Gewebe. Die Halbwertzeit von ca. 10 Stunden erlaubt eine einmal tägliche Gabe. Die Daten der klinischen Studien lassen auf eine gute
Wirksamkeit bei bakteriellen Atemwegsinfektionen schließen. Die Verträglichkeit war insgesamt gut, am häufigsten traten Reaktionen des Gastrointestinaltraktes auf. Bei einer Verordnung des Präparates
muss beachtet werden, dass es mit anderen Arzneimitteln, die über hepatische Monooxygenasen verstoffwechselt werden, zu Interaktionen kommt.
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4. KHAIR
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Telithromycin ist in Deutschland nicht mehr im Handel.
Literaturhinweise:
Seit der Erstellung und Veröffentlichung dieses Artikels in der Zeitschrift für Chemotherapie (Heft 6, 2001) sind zahlreiche weitere Arbeiten über Telithromycin publiziert worden. Insbesondere soll an dieser Stelle auf die folgenden Arbeiten hingewiesen werden:
Hinweise und Empfehlungen zum rationalen Einsatz oraler Antibiotika bei Erwachsenen und Schulkindern (Lebensalter 6 Jahre) einer Expertenkommission der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. siehe http://www.wissenschaftliche-verlagsgesellschaft.de/CTJ/CTJEMPF.HTM |
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