Piperacillin ist ein neues, halbsynthetisches Penicillin-Derivat, das in Kürze unter dem Namen PIPRIL in den Handel kommt.
Die antibakterielle in vitro-Aktivität dieses Breitspektrum-Penicillins umfaßt die Familie der Enterobacteriaceae einschließlich der Mehrzahl der gegen viele Antibiotika oft resistenten sogenannten Problemkeime wie Klebsiellen, Enterobacter- und Serratia-Spezies sowie indolpositive Proteus-Stämme. Seine Wirkung gegen diese Keime, die besonders auf Abteilungen mit großem Verbrauch an Antibiotika und hohem Selektionsdruck eine Rolle spielen, entspricht etwa der des Mezlocillin (BAYPEN). Gegen Pseudomonas aeruginosa ist Piperacillin ein gut wirksames Antibiotikum; die Hemmwerte (MIC) sind mit denen des Azlocillin (SECUROPEN) vergleichbar.
Wie Ampicillin (AMPI-TABLINEN, BINOTAL u.a.) und Azlocillin besitzt Piperacillin eine gute Aktivität gegen Enterokokken, die bei Harnwegsinfektionen,
Endokarditis und abdominellen sowie gynaekologischen Infektionen eine Rolle spielen können. Auch anaerobe Bakterien einschließlich Bacteroides fragilis werden von Piperacillin ebenso wie von
Mezlocillin zu einem hohen Prozentsatz (Bacteroides fragilis 80-90% bei 16 mg/l) erfaßt. Die Wirkung gegenüber Gonokokken und Meningokokken ist mit der des Ampicillin und Penicillin G vergleichbar.
Bei Streptokokken der Gruppe A sind Penicillin G und Ampicillin überlegen. Die Hemmwerte gegen Haemophilus influenzae liegen drei bis vier Stufen günstiger als bei Ampicillin, doch sind
ß-Laktamase-produzierende Stämme (in Deutschland ca. 2-3%) wegen der ungenügenden Stabilität von Piperacillin gegenüber diesen Enzymen resistent. Aus dem gleichen Grund stellen auch
Staphylokokken-Infektionen keine Indikation für dieses Antibiotikum dar.
In Kombination mit Aminoglykosid-Antibiotika lassen sich gegen Enterobacteriaceae und besonders gegen Pseudomonas aeruginosa häufig additive und
synergistische Wirkungssteigerungen erzielen. Die wegen geringer Toxizität wünschenswerte Kombination von Piperacillin oder anderen Penicillin-Derivaten mit Cephalosporinen wird unterschiedlich
beurteilt. In Abhängigkeit vom Kombinationspartner und vom Erreger lassen sich Wirkungssteigerungen aber auch Antagonismus in vitro erzielen. Weitere Untersuchungen zur Klärung dieses Problems sind
dringend erforderlich.
Piperacillin muß parenteral appliziert werden, da nach oraler Gabe nur minimale Resorption erfolgt. Die Substanz wird mit einer Halbwertzeit von ca. 40 bis 60 Minuten aus dem Serum eliminiert. Die Ausscheidung erfolgt überwiegend renal (ca. 75% in 24 Stunden). Probenecid (BENEMID) hat durch Hemmung der tubulären Sekretion einen signifikanten Effekt auf die Ausscheidung. Da im Gegensatz zu den Acylureido-Penicillinen (Azlocillin, Mezlocillin) bei Niereninsuffizienz keine kompensatorisch erhöhte Ausscheidung über die Leber erfolgt, muß ab einer glomerulären Filtrationsrate von weniger als 50 ml/min die Dosierung an die verminderte Harnleistung angepaßt werden.
Wie mit anderen Breitspektrum-Antibiotika ließen sich mit Piperacillin in den bisher vorliegenden Therapiestudien bei Infektionen der Harnwege, Atemwege, bei gynaekologischen und abdominellen Infektionen überwiegend gute Behandlungsergebnisse erzielen. Die Applikation erfolgte in den meisten Fällen als i.v. Injektion oder Kurzinfusion in einer Tagesdosis von 3- bis 4-mal 2 bis 4 g; als Maximaldosis werden täglich 300 mg/kg KG empfohlen.
Unverträglichkeitsreaktionen werden in einer Häufigkeit von 9 bis 15% angegeben und sind in der gleichen Größenordnung wie bei anderen ß-Laktam-Antibiotika. An erster Stelle stehen allergische Reaktionen (wie Hautexanthem, Drug-Fieber) und Diarrhöen. Neurotoxische Reaktionen sind bisher nicht bekannt. Thrombopenien können in etwa 1% auftreten; Blutungskomplikationen ergaben sich in keinem Fall.
Piperacillin (PIPRIL) ist ein Breitspektrum-Penicillin mit guter Aktivität gegen viele Enterobakterien, Pseudomonas aeruginosa sowie gramnegative und
grampositive Kokken mit Ausnahme von Staphylokokken. Differential-Indikation gegenüber Cephalosporinen sind in erster Linie Enterokokken- und Pseudomonas-Infektionen. Die Dosierung muß der
Nierenfunktion angepaßt werden, die übliche Tagesdosierung liegt zwischen 6,0 und 16,0 g. Als Nebenwirkungen treten am häufigsten allergische Reaktionen und Diarrhöen auf. Noch ungeklärt ist die
Position dieses Penicillins im Vergleich zu Azlocillin (SECUROPEN); Mezlocillin (BAYPEN) und Ticarcillin (AERUGIPEN). Über den Erfolg dieses Präparates werden die empfohlene tägliche Dosierung (auch
unter Berücksichtigung möglicher Pseudomonas-Infektionen), der Preis und der Umfang der inzwischen in der Klinik aufgetretenen Penicillinresistenz entscheiden. Die Propagierung von Piperacillin
(PIPRIL) mit mikrobiologischen Ergebnissen aus Studien mit völlig unterschiedlich beschickten Testplättchen im Agardiffusionstest erscheint problematisch.
Literatur
BAIER, R. und PUPPEL, H.
Med. Klin. 74: 1923-1927, 1979
Antimicrob. Agents Chemother. 14: 78-87, 1978
Antimicrob.
Agents Chemother. 13: 358-367, 1978
PIPERACILLIN-SYMPOSIUM, München, April 1980
WINSTON, D.J. et al.
Antimicrob. Agents Chemother. 13: 944-950, 1978
Ergänzungen (Oktober 2000)
PIPRIL ist aus dem Handel, Piperacillin ist nur noch als Generikum (z.B. Piperacillin Hexal) erhältlich.
Heute wird zur kalkulierten Therapie lebensbedrohlicher Infektionen bevorzugt die Kombination von Piperacillin mit dem ß-Laktamaseinhibitor Tazobactam verwendet (vgl. Piperacillin / Tazobactam, ZCT 1
/ 1994).
Seit der Erstellung und Veröffentlichung dieses Artikels in der Zeitschrift für Chemotherapie (Heft 5, 1980) sind zahlreiche weitere Arbeiten über Piperacillin publiziert worden. Insbesondere soll an
dieser Stelle auf die folgenden Publikationen hingewiesen werden:
Holmes, B., Richards, D.M.,
Brogden, R.N., Heel, R.C. Piperacillin. A review of its
antibacterial activity, pharmacokinetic properties and therapeutic use. Drugs. 1984;28:375-425
Ergänzung (2018)
Leitlinie zur Therapie mit parenteralen Antibiotika
Hinweise zur parenteralen Initialtherapie bakterieller Erkrankungen gibt die S2k-Leitlinie der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG)
AWMF-Register-Nr. 082-006 (gültig bis 31.12.2021)