Telithromycin (KETEK) wird seit 2001 in Deutschland zur Therapie von bakteriellen Infektionen der Atemwege angeboten (vgl. ZCT 2001; 22:44-45). Es ist das erste verfügbare Ketolid und gehört damit zu einer neuen Substanzklasse, die sich von den
Makroliden ableitet. Im Gegensatz zu den Makroliden ist das Antibiotikum auch bei multiresistenten Pneumokokken wirksam und hat daher große Aufmerksamkeit gefunden. Bei der Therapie mit Telithromycin
muss beachtet werden, dass es – ähnlich wie mit Erythromycin (div. Handelsnamen) oder anderen Makroliden – zu bedeutsamen Arzneimittel-Interaktionen kommen kann.
Erhöhte Konzentrationen anderer Arzneistoffe
Telithromycin ist ein Hemmstoff der Cytochrome CYP3A4 und CYP2D6. Obwohl bei dieser relativ neuen Substanz die publizierten Daten noch spärlich sind, lassen sich doch aufgrund der vom Hersteller und
von den Zulassungsbehörden veröffentlichten Informationen einige Angaben zu Medikamenten machen, die nicht zusammen mit Telithromycin gegeben werden sollen oder sogar als kontraindiziert anzusehen
sind. Eine Kontraindikation besteht z. B. für die gleichzeitige Gabe von Pimozid (ORAP) oder Terfenadin (TELDANE u.a.), da aufgrund der möglichen QT-Verlängerung mit potentiell tödlich verlaufenden
Tachyarrhythmien gerechnet werden muss. Auch die gleichzeitige Gabe von Mutterkorn-Alkaloiden, wie z. B. Ergotamin (ERGO SANOL u.a.), ist kontraindiziert, da es in Analogie zu den Erfahrungen mit
Makroliden, zum Ergotismus (= ausgeprägte Vasokonstriktion und Nekrosen der Extremitäten) kommen könnte.
Unter den Statinen ist vor allem die gleichzeitige Gabe von Atorvastatin (SORTIS), Lovastatin (MEVINACOR) und Simvastatin (ZOCOR u.a.) zu vermeiden. Die Behandlung mit diesen Stoffen soll während der
Anwendung von Telithromycin unterbrochen werden, um Myopathien zu vermeiden. Immerhin muss bei gleichzeitiger Gabe mit einem Anstieg der Plasmaspiegel von Simvastatin um das fünffache gerechnet
werden; die Konzentration des wirksamen Metaboliten, Simvastatinsäure, steigt sogar um das 15fache an, wenn Telithromycin gegeben wird.
Bei gleichzeitiger oraler Gabe von Midazolam (DORMICUM u.a.) und Telithromycin erhöhten sich die AUC-Werte des Benzodiazepins um mehr als das sechsfache. Die gleichzeitige Anwendung muss daher
vermieden werden; ähnliche Empfehlungen gelten für die verwandten Präparate Triazolam (HALCION) und Alprazolam (TAFIL u.a.). Bei jenen Benzodiazepinen, die nicht durch CYP3A4 metabolisiert werden [z.
B. Lorazepam (TAVOR u.a.)], ist dagegen eine Interaktion mit Telithromycin unwahrscheinlich.
Es wurde gezeigt, dass Telithromycin die Plasmakonzentrationen von Digoxin (LANICOR u.a.) erhöht. Obwohl bisher keine toxischen Wirkungen als Folge einer derartigen Interaktion beobachtet wurden,
sollte eine Überwachung der Digoxin-Serumspiegel bei gleichzeitiger Anwendung der beiden Arzneimittel erwogen werden. Dies gilt besonders in Anbetracht der geringen therapeutischen Breite des
herzwirksamen Glykosids. Über einige weitere mögliche Interaktionen, die nachgewiesen wurden oder zumindest aufgrund des Hemmpotentials von CYP3A4 vermutet werden können, gibt die Tabelle
Auskunft.
Erniedrigte Konzentrationen von Telithromycin
Unter gleichzeitiger Anwendung von Rifampicin (RIFA u.a.) und Telithromycin waren die Spitzenkonzentration und die AUC-Werte des Ketolids um ca. 80% herabgesetzt. Angesichts der niedrigen Spiegel
muss mit Wirkungsverlust des Antibiotikums und Versagen der Ketolid-Therapie gerechnet werden. Ähnliche Überlegungen gelten laut Angaben des Herstellers auch für andere CYP3A4-Induktoren, wie
Phenytoin (ZENTROPIL u.a.), Carbamazepin (TEGRETAL u.a.), Phenobarbital (div. Handelsnamen) aber auch Johanniskraut-Präparate. Es wird empfohlen, während und bis zu zwei Wochen nach der Behandlung
mit CYP3A4-Induktoren Telithromycin nicht anzuwenden.
Klinisch relevante Interaktionen unwahrscheinlich
Die Kombination von Telithromycin mit Statinen, die nicht über CYP3A4 metabolisiert werden, wie z. B. Pravastatin (LIPREVIL u.a.), wird als unbedenklich angesehen. Ähnliches gilt für Theophyllin:
klinisch relevante Interaktionen mit Theophyllin in retardierter Form (div. Handelsnamen) wurden nicht beobachtet.
Arzneistoffe mit einer ausgeprägten Hemmwirkung auf CYP3A4, wie Itraconazol (SEMPERA u.a.) oder Ketoconazol (NIZORAL), führten zu erhöhten Plasmakonzentrationen von Telithromycin, was aber nach
bisherigen Kenntnissen ohne klinische Relevanz ist. H1-Antagonisten, wie Ranitidin (div. Handelsnamen) oder mineralische Antazida beeinflussen die Kinetik von Telithromycin nicht. Der Metabolismus
von Levonorgestrel wird durch Telithromycin gehemmt - mit einem Wirkungsverlust von oralen Kontrazeptiva muss daher nicht gerechnet werden.
ZUSAMMENFASSUNG
Das Ketolid Telithromycin (KETEK) hemmt das Arzneimittel-metabolisierende Enzym CYP3A4 und kann dadurch zu erhöhten Plasmaspiegeln anderer Substanzen führen. Induktoren der Cytochrom-Enzyme können
andererseits den Stoffwechsel von Telithromycin beschleunigen. Bei gleichzeitiger Gabe des Ketolids zusammen mit anderen Arzneimitteln muss an die Möglichkeit klinisch relevanter Interaktionen
gedacht werden.
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