Im Vergleich zu anderen Arzneimittelgruppen stellen die Aminoglykoside eine recht einheitliche Gruppe von Antibiotika dar: sowohl hinsichtlich der antibakteriellen Aktivität als auch der unerwünschten Wirkungen bestehen keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen Substanzen wie Gentamicin (REFOBACIN u.a.), Tobramycin (GERNEBCIN u.a.), Netilmicin (CERTROMYCIN u.a.) oder Amikacin (BIKLIN u.a.). Das nephro-, oto- und neurotoxische Potential der Aminoglykoside ist seit Jahrzehnten bekannt. Bei sorgfältiger Indikationsstellung, Dosierung nach Körpergewicht und Beachtung bekannter Risikofaktoren ist die Therapie mit Aminoglykosiden trotz toxischer Risiken jedoch akzeptabel. Zu den wichtigsten Risikofaktoren gehört die Zeitdauer der Behandlung: wenn die Therapie auf 3 bis 5 Tage beschränkt bleibt, kommt es kaum zu toxischen Komplikationen. Zudem hat sich in den vergangenen Jahren die "Einmal-täglich-Verabreichung" dieser Antibiotika durchgesetzt – auch dadurch ergibt sich eine günstigere Nutzen-Risiko-Relation, als wenn die notwendige Tagesdosis auf drei Einzeldosen verteilt wird. Allerdings muß bei einer Therapie mit Aminoglykosiden auch beachtet werden, dass es zu einer Verstärkung der Toxizität durch andere, gleichzeitig verabreichte Arzneimittel kommen kann. Dabei sind, je nach Medikament, sowohl additive als auch synergistische Effekte zu erwarten, wenn das andere Arzneimittel selbst über ein nephro-, oto- oder neurotoxisches Potential verfügt. Fallberichte zeigen immer wieder, dass mit schwerwiegenden Folgen gerechnet werden muß. Dies trifft zum Beispiel auf einen jugendlichen Mukoviszidose-Patienten zu, der bei gleichzeitiger Gabe von Ibuprofen (AKTREN u.a.) und Gentamicin ein Nierenversagen und ausgeprägte vestibuläre Störungen entwickelte. Eine nicht ausgeglichene Flüssigkeitsbilanz muß in diesem Fall als weiterer komplizierender Faktor angesehen werden.1 Die Tabelle (s. unten) gibt einen kleinen Überblick über die relevanten Substanzen, sie ist keinesfalls vollständig. Da Aminoglykoside zur intravenösen Behandlung häufig in Kombination mit ß-Laktamantibiotika angewandt werden, ist der Hinweis von Bedeutung, dass Aminoglykoside in vitro durch Penicilline und Cephalosporine inaktiviert werden - dies gilt vor allem, wenn die ß-Laktame in hoher Konzentration vorliegen. Offenbar bestehen hinsichtlich dieser Inaktivierungsgefahr auch Unterschiede zwischen den einzelnen ß-Laktamantibiotika. Grundsätzlich dürfen Antibiotika aus diesen Gruppen jedoch nicht zusammen in einer Infusionsflasche gemischt werden. Die Inaktivierung ist im Prinzip auch in vivo möglich, doch kann dies unter üblichen therapeutischen Bedingungen vernachlässigt werden. So konnte gezeigt werden, dass eine Inaktivierung des Aminoglykosids bei gleichzeitiger Infusion von Ampicillin (BINOTAL u.a.) und Gentamicin gering und therapeutisch nicht relevant ist – es gibt also bei lebensbedrohlichen Infektionen keinen Anlaß, den Beginn der Therapie mit dem Penicillin um einige Stunden zu verzögern.2 Auch bei der Kombinationstherapie aus Piperacillin / Tazobactam (TAZOBAC) plus Gentamicin wurde keine Inaktivierung des Aminoglykosids beobachtet, wenn die Substanzen getrennt infundiert wurden.3 Überwiegend werden Aminoglykoside parenteral zur systemischen Therapie eingesetzt. Zur Anwendung kommen jedoch auch Zubereitungen zur lokalen oder oralen Gabe. Dabei können sich Interaktionen ergeben, die wenig bekannt sind. So sind zum Beispiel Wechselwirkungen bei gleichzeitiger oraler Verabreichung von Neomycin und oralen Kontrazeptiva oder Digoxin (LANICOR u.a.) beschrieben worden. Diese Quelle potentieller Interaktionen sollte Anlaß sein, gerade mit der oralen Verabreichung dieser Arzneimittel sehr zurückhaltend zu sein. |
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1. SCOTT CS, RETSCH-BOGART GZ et al. Renal failure and vestibular toxicity in an adolescent with cystic fibrosis receiving gentamicin and standard-dose ibuprofen. Pediatr Pulmonol. 2001 Apr;31(4):314-6.
Tabelle Interaktionen mit Aminoglykosiden
mod. nach PAI, M.P., BERTINO, J.S. Tables of Anti-infective Agent Pharmacology in: Mandell, Douglas, and Bennett`s Principles and Practice of Infectious Diseases, Elsevier/Saunders, (Hrsg.: J.E. Bennett, R. Dolin, M.J. Blaser) 8th ed., 2015, S. 631ff
Übersichtsartikel Heft 5, 2011
Nephrotoxizität der Aminoglykoside - neue Daten zur Einmal-täglich-Dosierung
Die Therapie mit Aminoglykosiden ist sicher, wenn einige Prinzipien und Faktoren beachtet werden, die mit einem erhöhten nephrotoxischen Risiko assoziiert sind. Neben der einmal täglichen Verabreichung der gesamten Tagesdosis gehört dazu eine Überwachung der Plasmaspiegel, die Vermeidung einer Therapie mit anderen potenziell nephrotoxischen Arzneimitteln, und vor allem eine zeitlich begrenzte Behandlung.
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