Terbinafin

ein neues, systemisch anwendbares Antimykotikum zur Behandlung von Dermatomykosen

Unveränderter Text aus ZCT Heft 4, 1992

Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes


Die Behandlung von Dermatomykosen ist langwierig und die zur Zeit verfügbaren Antimykotika haben alle ihre Limitierungen. Die Zahl der systemisch anwendbaren Antimykotika ist gering, und eine Neueinführung ist deshalb von besonderem Interesse.

 

Struktur und Wirkung


Terbinafin (LAMISIL) und das lokal anwendbare Nafitifin (EXODERIL) gehören in die Gruppe der Allylamine. Ein wichtiges Strukturmerkmal des Terbinafinmoleküls ist die Dreifachbindung in der Seitenkette. Terbinafin beeinflußt die Biosynthese des Ergosterols, indem es die Squalenepoxidase inhibiert. Die Substanz greift damit früher in die Biosynthese dieses Zellmembranbestandteils ein, als die Azol-Antimykotika. Die Folge ist eine Verarmung der Zelle an Ergosterol und die Anhäufung des Vorläufers Squalen.

 

 

Antimykotisches Spektrum

 

Das Wirkungsspektrum umfaßt Dermatophyten wie Trichophyton mentagrophytes, T. rubrum, T. verrucosum, Epidermophyton floccosum, Microsporum canis, M. gypseum und M. persicolor. Auch gegen viele Aspergillus-Arten zeigt Terbinafin eine hohe Aktivität. Die Wirksamkeit gegen Hefen ist sehr variabel, so gibt es empfindliche Stämme von Cryptococcus neoformans und Candida parapsilosis, jedoch sind Candida albicans, C. glabrata und C. tropicalis resistent.

Die Wirksamkeit der Substanzen wurde nicht nur in vitro untersucht, sondern auch in verschiedenen Infektionsmodellen an Tieren erprobt. Hier war Terbinafin bei Infektionen durch Aspergillus-Arten, Candida albicans und durch viele verschiedene Dermatophyten wirksam.

 


Pharmakokinetik


Die pharmakokinetischen Eigenschaften ermöglichen eine orale Anwendung der Substanz: etwa 70 bis 80% einer Dosis werden aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert. Die gleichzeitige Einnahme mit Nahrungsmitteln beeinträchtigt die Resorption nur unerheblich. Zwei Stunden nach einer einmaligen Gabe von 250 mg Terbinafin werden maximale Plasmakonzentrationen von 0,9 mg/l bestimmt, eine Verdoppelung der Dosis führt auch annähernd zu verdoppelten Plasmakonzentrationen. Bei wiederholter, täglicher Gabe wurde die Steady-State-Konzentration nach 10 bis 14 Tagen erreicht.

Terbinafin ist sehr lipophil und hat ein hohes Verteilungsvolumen. Die Substanz wird in beträchtlichem Ausmaß an Plasmaproteine gebunden.

Der Arzneistoff diffundiert einerseits aus den Gefäßen durch die Epidermis und gelangt andererseits über das Sebum zum Haarfollikel und zur Hautoberfläche.

Terbinafin wird intensiv verstoffwechselt, die Ausscheidung der Metaboliten erfolgt zu etwa 80% über den Urin.

Die Elimination erfolgt biphasisch, die initiale Halbwertzeit beträgt 11 bis 15 Stunden, gefolgt von einer terminalen Halbwertzeit von etwa 90 bis 100 Stunden.

Bei älteren Patienten (Alter zwischen 67 und 73 Jahren) ergab sich kein relevanter Unterschied im Vergleich zur Pharmakokinetik bei jungen Probanden. Einschränkungen in der Leber- oder Nierenfunktion führen allerdings zur Verlangsamung der Elimination, so daß eine Dosisreduktion erforderlich werden kann.

 


Therapeutische Wirksamkeit


Das Arzneimittel ist zur Zeit für die Behandlung von schweren therapieresistenten Pilzinfektionen der Füße (Tinea pedis) und des Körpers (Tinea corporis und Tinea cruris), die durch Dermatophyten verursacht werden und durch eine äußerliche Therapie nicht ausreichend behandelbar sind, zugelassen. Es wird vom Hersteller ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die systemische Gabe von Terbinafin bei Erkrankungen durch Hefepilze nicht wirksam ist.

Die empfohlene Dosierung liegt bei einer Tablette (250 mg) täglich. Es wird eine mittlere Behandlungsdauer von 4-6 Wochen bei Tinea pedis angegeben.

Die klinische Wirksamkeit wurde in zahlreichen offenen Studien belegt, es liegen aber nur wenige vergleichende Studien vor, die eine genaue Beschreibung des therapeutischen Stellenwertes der Substanz erlauben würden. Im Vergleich mit einer täglichen Gabe von 200 mg Ketoconazol zeigte die Einnahme von 125 mg Terbinafin zweimal am Tag eine vergleichbare Wirksamkeit bei Tinea corporis.

 


Verträglichkeit


Bisher liegen Erfahrungen von 988 Patienten vor, die mit der empfohlenen Dosis von 250 mg täglich behandelt wurden. Von diesen Patienten zeigten 103 (10,4%) unerwünschte Wirkungen; die höhere Dosierung von 500 mg Terbinafin täglich ergab bei 400 Patienten eine Inzidenz an unerwünschten Wirkungen von 11,5%. Im Vordergrund standen milde bis moderate gastrointestinale Störungen (52/988). Weiterhin wurden Haut- (26/988) und ZNS-Reaktionen festgestellt. Die Überprüfung der Leberfunktionen von 1350 Terbinafin-behandelten Patienten gab keinen Hinweis auf eine hepatozelluläre Toxizität, es wurden jedoch gelegentlich vorübergehende Anstiege von "Leberenzymen" (Alanin- und Aspartataminotransferase und gamma-Glutamyltransferase) beobachtet.

Rifampicin induziert den Abbau von Terbinafin, Cimetidin wiederum kann - als Inhibitor der hepatischen Monooxygenasen - die Elimination von Terbinafin verlangsamen. Im Gegensatz zu den Azol-Antimykotika, die ebenfalls ein unterschiedlich stark ausgeprägtes inhibitorisches Potential gegenüber den Fremdstoff-metabolisierenden Enzymen zeigen, interferiert Terbinafin praktisch nicht mit diesen Enzymen.

 


ZUSAMMENFASSUNG:

 

Terbinafin (LAMISIL) ist ein neues, systemisch anwendbares Antimykotikum, das sich durch seinen Wirkungsmechanismus von den Azol-Antimykotika unterscheidet. Es kann zur Behandlung von Dermatomykosen eingesetzt werden, soweit diese nicht durch Hefen verursacht werden. Die Wirksamkeit der Substanz ist bisher nur in wenigen Studien gut belegt, daher werden weitere Erfahrungen notwendig sein, um den Stellenwert dieses Arzneimittels in der Therapie von Dermatomykosen zu beurteilen.

Literatur


BALFOUR, J.A. et al. Drugs 43: 259-284, 1992

 

 

Aktuelle Ergänzungen (Oktober 2000, August 2002)

 

Seit der Erstellung und Veröffentlichung dieses Artikels in der Zeitschrift für Chemotherapie (Heft 4, 1992) sind zahlreiche Arbeiten über Terbinafin publiziert worden. Es gilt heute als Standardtherapeutikum bei schwerwiegenden Onycho- und Dermatomykosen. An dieser Stelle soll insbesondere auf die folgenden Arbeiten hingewiesen werden:

 

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