Die Behandlungsmöglichkeiten schwerer bakterieller Infektionen werden aufgrund einer zunehmenden Resistenz der Erreger und dem Wirkverlust bisheriger Antibiotika immer begrenzter. Die Verbreitung grampositiver Problemkeime, wie multiresistente Staphylococcus aureus oder S. epidermidis Stämme (MRSA, MRSE), Methicillin-resistente koagulase-negative Staphylokokken (CoNS) und Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE), sowie Linezolid (ZYVOXID)-resistente Erreger nimmt weltweit zu. Neue antibakterielle Substanzen werden benötigt, um eine rationale und wirksame Therapie zu gewährleisten. Mit Daptomycin (CUBICIN) wurde der erste Vertreter einer neuen antibakteriellen Wirkstoffklasse, der zyklischen Lipopeptide, entwickelt. Daptomycin ist in den USA seit 2003 zugelassen und seit April 2006 in Deutschland zur Therapie schwerer Haut- und Weichgewebsinfektionen auf dem Markt.
Strukturformel Daptomycin. Es handelt sich um eine zyklische Peptidstruktur aus insgesamt 13 Aminosäuren, von denen einige nicht in Proteinen vorkommen (z. B. Kynurinin). Das N-terminale Ende ist mit einem n-Decanoylfettsäure-Rest verbunden.
Daptomycin wirkt bakterizid. Die Substanz bindet an die Zytoplasmamembran durch eine Calcium-abhängige Insertion und bildet Ionenkanäle. Durch einen Kalium-Efflux kommt es zur Depolarisation der Zytoplasmamembran. Der bakterielle Zelltod tritt schließlich durch eine Dysfunktion bei der Protein-, DNA- und RNA-Synthese auf. [2] In einer aktuellen europäischen Studie wurde die in-vitro-Aktivität von Daptomycin gegenüber frisch isolierten grampositiven Keimen bestimmt. Ingesamt nahmen 81 Zentren europaweit zwischen Oktober 2004 und März 2005 teil, ca. 2900 Bakterienisolate wurden getestet. Daptomycin zeigte hohe Wirksamkeit, insbesondere gegen hochresistente Stämme von Staphylokokken (MRSA) und Enterokokken (VRE). Die Wirksamkeit von Daptomycin war unabhängig von einer Resistenz gegenüber anderen Antibiotika. Nur 0,28% der Bakterienisolate waren unempfindlich gegenüber Daptomycin. Daptomycin wurde als gute Alternative für die Therapie von Infektionen mit grampositiven Bakterien eingeschätzt. [1]
Daptomycin steht als Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung zur Verfügung. Die empfohlene Dosis für Erwachsene liegt bei 4 mg/kg KG einmal alle 24 Stunden für 7 bis 14 Tage. Eine lineare Pharmakokinetik liegt in Dosen von bis zu 8 mg/kg bei einer Gabe als tägliche Einzeldosis bis zu sieben Tagen vor. Ab dem dritten Tag werden steady-state-Konzentrationen erzielt; die Halbwertzeit beträgt 8 bis 9 Stunden. Eine orale Anwendung ist aufgrund der unzureichenden Resorption nicht möglich. Daptomycin verteilt sich hauptsächlich in stark vaskularisiertem Gewebe und passiert nur in geringem Maße die Bluthirn-, sowie die Plazentaschranke. Das Verteilungsvolumen liegt bei 0,1 l/kg. In vitro konnte keine bzw. nur eine begrenzte Metabolisierung unter Beteiligung des CYP450-Systems nachgewiesen werden. Die Elimination von Daptomycin erfolgt vorwiegend unverändert renal (siehe: Dosierung bei Niereninsuffizienz). Eine aktive tubuläre Sekretion scheint nicht vorzuliegen, da die gleichzeitige Verabreichung mit Probenecid (PROBENECID) keine Auswirkungen auf die Kinetik von Daptomycin hat. Die Plasma-Clearance liegt bei etwa 7-9 ml/h/kg, die renale Clearance bei 4-7 ml/h/kg. [3]
Wechselwirkungen in Verbindung mit dem CYP450-System sind durch Daptomycin nicht zu erwarten, da keine bzw. nur eine geringe Metabolisierung über diese hepatischen Enzyme erfolgt. Aufgrund der überwiegend renalen Elimination von Daptomycin, muss bei gleichzeitiger Gabe von Arzneimitteln, die die renale Filtration vermindern (nicht-steroidale Antirheumatika, COX-2 Hemmer), mit erhöhten Plasmaspiegeln von Daptomycin gerechnet werden. Auch pharmakodynamische Interaktionen sind aufgrund renaler additiver Wirkungen möglich. Eine gleichzeitige Behandlung mit Arzneimitteln, die eine Myopathie auslösen können, sollte möglichst während der Therapie mit Daptomycin ausgesetzt werden, da in einigen Fällen deutlich erhöhte CPK-Werte und Einzelfälle von Rhabdomyolyse aufgetreten sind. Ist eine gleichzeitige Anwendung nicht zu vermeiden, sollten häufiger als einmal pro Woche die CPK-Werte (Creatinphosphokinase) kontrolliert werden und eine sorgfältige Überwachung der Patienten erfolgen. [3]
In den DAP-SST-98-01 und DAP-SST-99-01 Studien wurden in Amerika, Südafrika, Europa, Australien und Israel die Sicherheit und Wirksamkeit von Daptomycin an
1092 Patienten untersucht. Insgesamt war Daptomycin gegen grampositive Erreger, inklusive Vancomycin- und Linezolid-resistente Stämme, hochaktiv. Im Vergleich zur Standardtherapie bei komplizierten
Haut- und Gewebeinfektionen waren 4 mg/kg KG Daptomycin pro Tag bezüglich Sicherheit und Wirksamkeit gleichwertig. [1]
Die Verträglichkeit von Daptomycin ist nach Ergebnissen der DAP-SST Studien mit der der Referenzsubstanzen vergleichbar. Am häufigsten kam es zu Obstipation (6,2%), Übelkeit (5,8%), Reaktionen an der Injektionsstelle (5,8%) und Kopfschmerzen (5,4%). [1,2] Bei einer Dosierung von 3 mg/kg KG alle 12 h kam es in einer frühen Phase I-Studie zu einer reversiblen Erhöhung der CPK-Werte. Tierexperimentelle Studien zeigten, dass die Häufigkeit und Schwere dieser unerwünschten Wirkung mit dem Dosisintervall (2 x pro Tag) in Verbindung standen. [4] Obwohl eine Gabe von 4 mg/kg KG Daptomycin einmal pro Tag ähnlich gut verträglich ist wie die Therapie mit den Vergleichssubstanzen (z.B. Vancomycin oder ß-Laktamantibiotika), kann es in seltenen Fällen zu erhöhten CPK-Werten kommen. [1,5] Daneben können auch erhöhte Transaminasen-Werte bei den Patienten auftreten, die ebenfalls im Zusammenhang mit den Wirkungen auf die Skelettmuskulatur gesehen werden. Eine regelmäßige Überwachung der Patienten auf Anzeichen einer Myopathie und eine Kontrolle der CPK-Werte einmal pro Woche wird bei einer Therapie mit Daptomycin allgemein empfohlen. [3]
Daptomycin (CUBICIN) ist der erste Vertreter einer neuen antibakteriell wirksamen Substanzklasse. Das Antibiotikum ist in Deutschland bisher zur Therapie schwerer Haut- und Weichgewebsinfektionen zugelassen. Die neue Struktur eines zyklischen Lipopeptids und auch der Wirkmechanismus unterscheiden die Substanz von bisherigen Antibiotika. Daptomycin weist eine hohe in-vitro-Aktivität gegen grampositive Bakterien auf, und auch multiresistente grampositive Problemkeime (MRSA, VRE, Linezolid-resistente Erreger) sind sensibel. Daptomycin wird einmal täglich intravenös appliziert und hauptsächlich renal eliminiert. Die Verträglichkeit war während der klinischen Prüfung ähnlich wie die der Vergleichsantibiotika.
Es wird eine genaue Überwachung der Patienten und eine mindestens einmal wöchentliche Kontrolle der CPK-Werte empfohlen. Insgesamt kann Daptomycin als
wichtige Bereicherung bei der Therapie von schweren Haut- und Weichgewebsinfektionen, insbesondere durch grampositive Problemkeime, eingestuft werden.
1. ARBEIT R.D., MAKI D. et al. Daptomycin The safety and efficacy of
daptomycin for the treatment of complicated skin and skin-structure
infections. Clin Infect Dis. 2004 Jun 15;38(12): 1673-81
2. La Plante K.L., Rybak M.J. Daptomycin - a novel antibiotic against
Gram-positive pathogens.Expert Opin Pharmacother. 2004
Nov;5(11): 2321-31
3. Fachinfo CUBICIN, Chiron Corporation Limited, Februar 2006
4. Oleson, F.B. JR et al. Once-daily dosing in dogs optimizes
daptomycin safety.Antimicrob
Agents Chemother. 2000 Nov;44(11):2948-53
5. Papadopoulos, S. et al. Rhabdomyolysis during therapy with
daptomycin. Clin Infect Dis
2006; 42: e108 - e110
Seit der Erstellung und Veröffentlichung dieses Artikels in der Zeitschrift für Chemotherapie (Heft 4, 2006) sind zahlreiche weitere Arbeiten über
Daptomycin publiziert worden. Insbesondere soll an dieser Stelle auf die folgenden Arbeiten hingewiesen werden:
1. HAIR PI, KEARN SJ. Daptomycin: a review of its use in the management of complicated
skin and soft-tissue infections and Staphylococcus
aureus bacteraemia. Drugs. 2007;67:1483-512.
2. FOWLER VG Jr, BOUCHER HW et al. Daptomycin versus standard therapy for bacteremia and
endocarditis caused by Staphylococcus aureus. N Engl J
Med. 2006 Aug 17;355(7):653-65.
3. PAI MP, NORENBERG JP et al. Influence of morbid obesity on the single-dose pharmacokinetics
of daptomycin. Antimicrob Agents Chemother. 2007
Aug;51(8):2741-7.
Myopathien wurden nach der Gabe von Daptomycin (CUBICIN) häufiger beobachtet, wenn die Patienten gleichzeitig mit Statinen behandelt wurden. Die Unterschiede waren allerdings nicht statistisch signifikant Beitrag in Heft 1/2015
BLAND, C.M. et al., Antimicrob Agents Chemother 2014; 58:5726-5731.
Indikationserweiterung für CUBICIN (Daptomycin)
Das Komitee CHMP der European Medicines Agency (EMA) hat am 22. Oktober 2015 eine Indikationserweiterung für CUBICIN (Daptomycin) empfohlen. Während das Antibiotikum bisher nur für Erwachsene zugelassen war, kann es nun auch bei Kindern und Jugendlichen zwischen 1 und 17 Jahren zur Behandlung komplizierter Haut- und Weichgewebeinfektionen angewandt werden.
CHMP Summary of Opinion CUBICIN
Literaturhinweis:
Ergänzung (2019)
Leitlinie zur Therapie mit parenteralen Antibiotika
Auf die ausführliche PEG S2k Leitlinie (AWMF-Registernummer 082-006) der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.v. (PEG) Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – update 2018 (2. aktualisierte Version; 25. Juli 2019) sei an dieser Stelle hingewiesen.